Bereits jetzt kann ich mir das Grinsen irgendwie nicht verkneifen, weil ich weiß, dass mich nachfolgender Blog erneut mehrere „Friends“ bei Facebook, „Follower“ bei Twitter und auch wahrscheinlich hier im Blog einige kritische Anmerkungen kosten wird.

Dennoch – ich empfinde es als meine Pflicht, nicht in die teilweise bereits hyterischen Jubelarien einzustimmen, die aus meiner Sicht zum heutigen Zeitpunkt absolut unangebracht erscheinen. Ich bin auch nicht auf der Suche nach irgendwelchen Klick-Rekorden und der Umstand, dass dieser privat-betriebene One-Man-Blog gerade einmal 1/3 der „Facebook-Friends“ hat, die beispielsweise der Blog einer täglich erscheinenden Zeitung mit drei hauptberuflichen Journalisten, einer IT-Abteilung, mehreren bezahlten Moderatoren und einem großen Verlagshaus im Hintergrund, treibt mir keinen Angstschweiß auf die Stirn.

Denn eines ist mal sicher und wer die Sportberichterstattung rund um den HSV in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, wird es bemerkt haben: Diejenigen, die jetzt (wieder einmal) den HSV auf irgendwelche Wolken heben, werden die Ersten sein, die ihn beim ersten Mißerfolg in die Tonne treten. Das ist meine Sache nicht, deshalb mahne ich zur Demut.

Die deutsche Nationalelf hat in Brasilien ein Bild abgegeben, welches das ganze Land stolz machen konnte und stolz gemacht hat und das hat am wenigsten mit den sportlichen Leistungen zu tun. Die Spieler und besonders Jogi Löw sind in Südamerika selbstbewußt, aber sehr sympathisch, zurückhaltend und demütig aufgetreten. Sie waren sich ihrer Stärken bewußt, haben aber zu jedem Zeitpunkt betont, dass man noch viel zu arbeiten hätte und dem jeweils nächsten Gegner mit dem größten Respekt gegenübertreten würde, heißt er nun Frankreich oder USA.

Die erwarteten Störfeuer der anwesenden Sensationspresse verpufften ergebnislos, weil man eben seine Linie durchzog und sich ein jeder im Team an diese Linie hielt. Kein Spieler trat großkotzig oder überheblich auf, man betonte, wie dankbar und froh man sei, bei dieser WM spielen zu können, in diesem großartigen Land, vor diesen phantastischen Menschen. Das Resultat ist bekannt.

Einige Details dieser Strategie fehlen mir bei „neuen“ HSV, besonders fehlen sie mir bei Trainer Mirko Slomka, den ich für einen ausgesprochen schlauen Menschen halte. Vielleicht ist es nur ein Bauchgefühl, aber seine in zahllosen Interviews geäußerten Sätze sind mir zu euphorisch, die Bewertungen gegenüber den neu verpflichteten Spielern zu „groß“.

Ein Valon Behrami beispielsweise ist ein Spielertyp, den der HSV dringend benötigt hat. Er antizipiert gut, hat eine ausgeprägte Aggressivität und einen Never-give-up-Charakter. Ich finde es gut und richtig, dass der HSV diesen Spieler geholt hat und bin sicher, dass er der Mannschaft perspektivisch und nach einer Eingewöhnungszeit weiterhelfen wird. In seinem ersten Spiel agierte Behrami deutlich langsamer als seine Mitspieler, er hatte kaum Bindung zum Spiel. Aber wie auch??? Er hatte gerade 5 Tage trainiert und davon einen Tag mit dem HSV.  Wenn dann aber der Trainer nach dem Spiel Aussagen wie „Jetzt hat jeder gesehen, warum wir ihn geholt haben“ macht,  finde ich das schlichtweg falsch und unklug. Der Druck, der auf den Spieler ausgeübt wird, wird täglich größer und dies wäre mit einer guten Portion Demut zu verhindern gwesen.

Gestern unterschrieb Nicolai Müller einen Vierjahresvertrag beim HSV, aus meiner Sicht ein ebenso sinnvoller Transfer. Müller ist schnell, laufstark, ballsicher und konditionell ausgebildet. Slomka bejubelte im Trainingslager die Verpflichtung, als hätte man nicht Nicolai, sondern Thomas Müller geholt. Die höchsten Töne waren nicht hoch genug und nun gnade dem Spieler der Schöpfer, wenn er nicht so funktioniert, wie Fans und Presse es verlangen. Auch dies wäre zu verhindern gewesen.

Auch HSV-Trainer Slomka ist begeistert vom Neuzugang. „Ich freue mich, dass es mit Nicolai geklappt hat. Es war ein hartes Stück Arbeit von Dietmar Beiersdorfer, der immer wieder hartnäckig verhandelt hat. Er ist genau der Spieler, der vor dem Tor eiskalt handelt und Räume nutzt. Er hat ein riesen Potenzial, das wir ausschöpfen und erweitern wollen, so dass aus den zwei Länderspielen, die er bei der USA-Reise hatte, vielleicht noch mehr werden können. Wir wollen ihn schnell in die Mannschaft integrieren.“

 

Ich möchte an dieser Stelle kurz an ein paar andere Spieler erinnern, die mit ähnliche großen Vorschusslorbeeren ausgestattet zum HSV kamen und dann kann sich ein jeder sein eigenes Bild davon machen, was aus dem Hype um diese Spieler geworden ist.

Jonathan Pitroipa kam aus Freiburg zum HSV, der damaligen Marktwert war € 2,5 Mio, Freiburg wollte für Pitroipa € 6 Mio sehen, wenn sie ihn ein Jahr vor Vertragsende gehen lassen würden. Der HSV verzichtet, wartete ein Jahr und bekam Pitroipa ablösefrei. „Die Rakete, er wird allen weglaufen, der HSV bekommt eine neue Qualität“ . So hieß es. Am Ende blieben Bezeichnungen wie Chancentod, Spinnebein und Panorama-Gelenk übrig.

Marcell Jansen, 22 Jahre, A-Nationalspieler, kommt von Bayern Müchen. Was für eine Sensation. Obwohl Cello viele gute Spiele für den HSv absolvierte, wird mit ihm immer der Begriff „Verletzungsanfälligkeit“ verbunden bleiben.

Ivo Ilicevic.Die Bayern wollten ihn als Backup für Ribery, also für die Rolle, die heute Shaqiri ausübt. Wir haben ihn bekommen und der Mann ist ein Dauerpatient. Im Grunde hat er die gleichen spielerischen Eigenschaften, die jetzt einem Nicolai Müller nachgesagt werden, aber er hat es so gut wie nie gezeigt bzw. zeigen können.

Was ich damit sagen will! Gebt den Jungs die Zeit, die sie brauchen werden. Erwartet nicht von einem Müller 12 Assists in 5 Spielen. Erwartet nicht von Valon Behrami, dass er das defensive Mittelfeld allein beherrscht, denn das wird nicht klappen.

Neuer Verein, neue Stadt, neuer Trainer, neue Mitspieler, neues System, neue Sprache, neue Liga (Stieber, Behrami). Es braucht Zeit, um all dies im komplexen Konstrukt einer Bundesligamannschaft, wo Nuancen über Sieg und Niederlage entscheiden können, verarbeiten und verinnerlichen zu können.

Mirko Slomka könnte seinen Teil dazu beisteuern, wenn er deutlich mehr auf die Erwartungsbremse treten würde und nicht die Klischees bedienen würde, die die Sensationspresse ihren Lesern so gern zum Verkauf anbietet. Für mich ohnehin recht unverständlich, denn es werden genau die freundlichen Interviewpartner sein, die den Trainer mit seinen jetzt getätigen Aussagen konfrontieren werden, wenn es nicht so läuft, wie man es sich vorstellt.

„Aber der Trainer hatte doch damals gesagt, dass…“

Das Alles hat Jogi Löw deutliche cleverer gemacht. Meine Meinung.

http://www.mirko-slomka.de/