Die Metamorphose eines Vereins

Irgendwas ist passiert in diesem Jahr 2014, irgendwas ist mit diesem HSV passiert. Natürlich, es wurde monatelang gewahlkämpft, es wurde gestritten, bestritten, beleidigt, unterstellt und bepöbelt. Teilweise wurde sogar bedroht und da hört dann der Spaß auf, denn es ist und bleibt immer noch Fußball, Freunde.

Aber irgendwie ist noch etwas anderes passiert, aber – wer weiß? Vielleicht geht es ja auch nur mir so. Mir ist dieser HSV langweilig geworden, der Verein hat, zumindest nach meinem Empfinden, seine Identität verloren.

Natürlich werden jetzt einige immer noch engagierte Not-for-saler einwerfen, dass dies ja vorhersehbar gewesen sei. Die “wahren” Fans hätten dem Verein den Rücken gekehrt, wären zu Falke 06 abgewandert oder unter falschen Identitäten im Stadion, allerdings ohne den Support, für den die Arena jahrelang  berühmt und auch berüchtigt war.

Aber das ist es nicht. Es geht überhaupt nicht um Support oder Lautstärke. Es geht auch nicht um Fahnen, Flaggen oder Choreos. Es geht eigentlich nicht mal um diese Mannschaft, obwohl zumindest die Mannschaft einen Teil zu meinem Empfinden beträgt.

Ich kann mich erinnern, wie ich früher einmal über die Spieler meines Vereins gedacht habe. Na klar, es waren immer welche dabei, die ich besser oder schlechter fand, aber ich kann mich an eines erinnern. Am Ende einer jeden Saison waren immer zwei oder drei Spieler im Kader, bei denen ich dachte: “Das wäre jetzt wirklich bitter, wenn die den Verein verlassen würden. Hoffentlich gibt es keine Angebote, hoffentlich bleibt der Verein stark.”

Heute ist das anders, vielleicht liegt es auch am Alter. Im aktuellen Kader des HSV steht nicht ein Spieler, bei dem ich eine Träne verdrücken würde, wenn er nächste Saison in Frankfurt, Stuttgart oder Everton spielen würde.

Und nein, liebe Herren Bieberstein, Bednarek oder Hunke, es liegt auch nicht an der Ausgliederung oder der AG. Die Rechtsform des Vereins ist mir aus tiefster Seele sowas von scheiß-egal, aber unter anderem sie haben mit ihren jahrelangen Tätigkeiten dafür gesorgt, dass der Gang in die Ausgliederung alternativlos war und ist.

Irgendwie ist in mir eine Art Leere, eine Kraftlosigkeit, die mir die Hoffnung raubt, dass es irgendwann doch noch einmal entscheidend nach vorn gehen kann. Ich fand den Weggang von Didi Beiersdorfer damals ausgesprochen bedauerlich, nachdem ich jedoch erfahren habe, unter welchen Umständen er zustande kam, wie sich Beiersdorfer vor und nach seinem Abgang verhalten hatte und als ich einmal recherchiert hatte, dass “Dukaten-Didi” nicht etwa blühende Transfer-Erdbeerfelder, sondern ein Transferminus von insgsamt € 12 Mio hinterlassen hatte, bröckelte mein Bedauern minütlich.

Das alles weiß man aber nur, wenn man sich seit Jahren so intensiv mit dem HSV beschäftigt, wie ich es tue. Ich behaupte mal, dass keine 3% der Mitglieder sich über die tatsächlichen Gegebenheiten im Verein im Klaren sind, weil es sie schlichtweg nicht interessiert. Sie wollen bestenfalls guten Fußball sehen, sie wollen an das Gute im Menschen glauben. Sie wollen an Didi, Peters, Knäbel oder sogar Gernandt glauben und es ist gut, dass sie das machen. Andernfalls würden sie den Verein wahrscheinlich als ebenso blutleer empfinden, wie ich es mittlerweile tue.

Dennoch, ich scheine trotzdem nicht vollkommen allein zu sein. Betrachtet man sich einmal, nur als Beispiel, die Anzahl der Kommentare bei Matz Ab aka Schmocks Einöde, so kann man unschwer erkennen, dass sich die Zahl im freien Fall befindet. Waren es früher 600, 800, sogar manchmal mehr als 1.000 Kommentare pro Tag, so wird heute nur noch in teilweise 120 Kommentaren pro Tag inhaltsfreie Scheiße produziert und das liegt nicht nur an den gähnend-langweiligen Trainingsberichten ohne jeglichen Mehrwert.

Den Leuten ist der Verein langweilig, vielleicht sogar gleichgültig, im schlimmsten Fall fremd geworden und es ist mehr als eine Herausforderung, diesen Trend aufzuhalten und umzukehren. Es gibt für einen Fußball-Verein nichts schlimmeres, als die Gleichgültigkeit der eigenen Anhänger. Die Anzahl derer, die am 25.01.2015 zur nächsten Hauptversammlung pilgern werden, wird der nächste Gradmesser sein.

Von | 2014-12-07T08:13:49+01:00 7. Dezember 2014|Allgemein|14 Kommentare

14 Comments

  1. Alex Burk 7. Dezember 2014 um 09:17 Uhr

    Ja, ohne die Struktur- und Personalreform (auch, wenn wenig davon noch mit der Initiative HSVPLUS zu tun hat, für die ich gekämpft habe) wäre ich inzwischen wahrscheinlich auch an jenem Punkt angekommen, an dem du zur Zeit stehst, Grave. Das hat übrigens nichts mit dem Alter zu tun, auch mir geht es wie beschrieben auch in jungen Jahren so… Aber durch den Beginn einer teilweise vernünftig umgesetzten Reform und das Fortschreiten des Erarbeitens einer neuen Identität des Vereins gebe ich dem Klub, meinem Klub, noch Zeit, die Wende nachhaltig zu vollziehen. Dabei können allerdings kleine Schritte wie eine eventuelle Trainerentlassung Zinnbauers schon ausreichen um mir zu beweisen, dass nach wie vor nur erschreckend kurzfristig gedacht wird, anstatt dass endlich mal ein langfristig angelegter sportlicher Plan verfolgt wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt…

  2. Johnnygranat 7. Dezember 2014 um 11:42 Uhr

    Nach den ersten (Ab)sätzen sah in mein Empfinden in Worte gepackt auf meinem Monitor, doch dann … NEIN, ganz so ist es dann doch nicht. Es gibt einige (wenige) Spieler, die würden mir schon fehlen und deren Abgang wäre mir persönlich nicht egal. Da wären ein Behrami aus sportlichen oder ein Jansen aus menschlichen Gründen, oder in der Kategorie Hoffnung (da haben wir sie wieder) sicher auch ein Tah oder ein Demirbay.
    Vielleicht ist das so, weil mir der Blick hinter die Kulissen fehlt und vermutlich ist das auch gut so, will ich meine Illusionen nicht komplett zerstört sehen.

  3. Hessenlöwe 7. Dezember 2014 um 13:53 Uhr

    Zitat: Das alles weiß man aber nur, wenn man sich seit Jahren so intensiv mit dem HSV beschäftigt, wie ich es tue. Ich behaupte mal, dass keine 3% der Mitglieder sich über die tatsächlichen Gegebenheiten im Verein im Klaren sind, (bis hierhin bin ich bei dir und habe den Zaunpfahl gesehen, mit dem du winkst, aber den Nachsatz weise ich weit von mir!! Ab da wehre ich mich!!!) weil es sie schlichtweg nicht interessiert. Zitat Ende

    Ich hatte ein entsprechendes, intensives, über 60 Minuten dauerndes Gespräch mit einem kompetenten HSVer, dem ich uneingeschränkt vertraue, seit ich ihn persönlich näher kennenlernen durfte Es hat mir ein wenig die Augen geöffnet. Grave, bald ist Weihnachten. Ich hätte da einen Wunsch: versetze dich bitte mal in die Lage der 3%. Woher sollten diese 3% die Klarheit der Gegebenheiten haben? Ich denke mal, 99% dieser 3% wohnen, so wie ich, mehrere hundert Kilometer außerhalb Hamburgs, sind also auf die Infos aus den Medien oder auf “HSV.de” angewiesen. Daraus müssen wir uns unseren Reim machen. Kannst du in etwa erahnen, wie schwer das ist? Nun mein Wunsch: nimm diese 3% einfach mit, lass sie teilhaben an deinem Wissen. Du musst ja nicht unbedingt alles raus lassen. Aber wenn man deine Kritiken liest, ohne die Hintergründe genauer zu kennen, dann überfällt mich z.B. ein Beißreflex, weil es mir um “unseren HSV” geht. Den Verein, dem ich seit mehr als 50 Jahren folge. In guten und in schlechten Zeiten. Deshalb beiße ich, wenn ich das “3%ige Gefühl” habe, man will “unserem” Verein ans Bein pi….. Vielleicht kannst du mich jetzt auch besser verstehen, wenn nicht, nun denn, es war es wert, zu versuchen..

    • Gravesen 7. Dezember 2014 um 14:06 Uhr

      Willy, ich bin zu 100% bei dir, wenn es darum geht, zu verhindern, dass irgendjemand dem Verein ans Bein pisst. Das Problem ist nur: Der Verein respektive die handelnden Personen pinkelt sich selbst ans Bein und zwar dauern, ununterbrochen und seit Jahren. Ich kann mir vorstellen, dass die Person, mit der du gesprochen hast, dir etwas in dieser Richtung angedeutet hat, ohne jedoch konkret werden zu können. Mir geht es zwar ein wenig anders, ich bin eher in der Lage, die Personen zu identifizieren, aber alles kann ich dann eben doch nicht schreiben.

      Du solltest versuchen, deinen Beissreflex zu unterdrücken, denn am Ende geht es uns um die gleiche Sache. Ich habe sogar einen noch besseren Rat für dich: Freue oder ärgere sich über den Fußball, rege dich über Niederlagen auf und freue dich über Siege, aber komm dem Verein nicht zu nahe. Ignoriere Vereinspolitik, kümmere dich einfach nicht drum. Das meine ich absolut ernst, denn andernfalls wirst du viele Sachen nicht mehr richtig lustig finden können.

      In der nächsten Woche wird es eine Geschichte geben, die verdeutlicht, welche Kreise aus der Mitgliedschaft, die sich selbst “Vertreter der Mitglieder” nennen und insgesamt ca. 32 Verstrahlte repräsentieren, nach wie vor versuchen, Druck auf bestimmte Gremien des Vereins auszuüben, um ihre Interessen durch zu bringen.

      Die Sache ist derart haarsträubend, dass einem die Worte fehlen

  4. Thomas S. 7. Dezember 2014 um 18:54 Uhr

    Nach Bremen wurde heute ein weiterer “auf Augenhöhe” befindlicher Gegner besiegt. Und wieder wollten 50.000 dabei sein. Da kann man nicht meckern.

  5. Yehiel 7. Dezember 2014 um 20:00 Uhr

    Hmmm, Grave – kannst du uns mehr über diese Beiersdorfer-Dinge erzählen, die du andeutest?

  6. Ligature 7. Dezember 2014 um 21:02 Uhr

    In verschiedenen Varianten erzählen Sie in den letzten Monaten von Ihrer Entfremdung vom HSV. Aber was hat sich so verändert ? Sind Sie sicher, dass es wirklich die “Metamorphose des Vereins” sind (von dem Sie sonst sagen, dass er sich nicht so rasch im Kern wandeln ließe (ich erinnere an Ihre These vom “HSV-Virus”) oder ist es nicht doch eher die “Metamorphose des Bloggers”, vulgo: Ihre offenbaren (und gut nachvollziehbaren) Ermüdungserscheinungen ?

    Ich wünsche mir sehr, dass Ihr Interesse am HSV wieder aufleuchtet. Denken Sie auch an Ihre jungen Leser (wie meinen 14-jährigen Sohn), die sich kritische Gedanken machen UND am HSV hängen. Und DESWEGEN Ihr Blog gern lesen.

  7. Mangahn 7. Dezember 2014 um 21:59 Uhr

    Ich fand den Weggang von Didi Beiersdorfer damals ausgesprochen bedauerlich, nachdem ich jedoch erfahren habe, unter welchen Umständen er zustande kam, wie sich Beiersdorfer vor und nach seinem Abgang verhalten hatte und als ich einmal recherchiert hatte, dass “Dukaten-Didi” nicht etwa blühende Transfer-Erdbeerfelder, sondern ein Transferminus von insgsamt € 12 Mio hinterlassen hatte, bröckelte mein Bedauern minütlich.


    Er hat ein Transferminus von 12 m hinterlassen? Ich bin beeindruckt von so einer Aussage. Und von dem scharfen analytischem Verstand des Blogautors, der erkannt hat, welche vernichtende Wirkung so eine “Tatsache”, unkommentiert als Kommentar, bewirken könnte.

    Noch beeindruckter wäre ich natürlich, wenn man das ganze in einen Kontext gesetzt hätte. War es ggf. eine Zeit, in der der HSV mehr investieren konnte als er sparen musste? War es nicht die Marschrichtung alle Einnahmen zu reinvestieren und dann wieder mehr daraus zu machen? Finanziell und sportlich?

    Ist die Mannschaft unter Dietmar ggf. mehr Wert geworden? Und wenn ja, “nur” um die 12 mio Transferminus oder gar etwas mehr?

    Wenn ich so richtig darüber nachdenke bin ich eigentlich nur beeindruckt, dass Du die Zahl immer mal wieder raushaust ohne sie in irgendeinen Kontext zu stellen – ausser dem, dass Du viel dichter am Verein dran bist und das alle anderen keine Ahnung haben.

    lg

    Mangahn

    P.S. Ich lese hier immer noch mit. Trotz der unendlich negativen Schwingungen. Immer. Noch.

    • Gravesen 8. Dezember 2014 um 06:35 Uhr

      Dann kommentiere die Aussage doch, anstatt nur dämlich rumzumotzen. Klick Transfermarkt.de an, investiere ca. 5 Stunden Arbeit und laber mich dann wieder von der Seite an.

      Kleiner Tipp: Wenn dir die “unendlich negativen Schwingungen” nicht passen, dann verzieh dich doch einfach. Dieses Dauergesülze geht mir langsam derart auf die Nerven. Ich sage es auch gern nochmal: Ich bin nicht der Gute-Laune-Onkel des Vereins und ich werde auch nicht dafür bezahlt, für tolle Meldungen zu sorgen. Vielleicht raffen das endlich mal alle hier.

  8. Braveheart 8. Dezember 2014 um 12:07 Uhr

    Hallo Grave,

    dein Kommentarabsatz:

    “In der nächsten Woche wird es eine Geschichte geben, die verdeutlicht, welche Kreise aus der Mitgliedschaft, die sich selbst “Vertreter der Mitglieder” nennen und insgesamt ca. 32 Verstrahlte repräsentieren, nach wie vor versuchen, Druck auf bestimmte Gremien des Vereins auszuüben, um ihre Interessen durch zu bringen.
    Die Sache ist derart haarsträubend, dass einem die Worte fehlen”

    klingt für mich besorgniserregend. Hatte ich doch gehofft, diese Form der “es geht immer nur um Macht” (Hunke O-Ton auf Sommer MV 2013 oder 2012) hat sich zumindest für die erste Zeit erledigt. Bin auf deine Geschichte gespannt und hoffe, es hat sich mittlerweile positiv geklärt.

    • Gravesen 8. Dezember 2014 um 12:41 Uhr

      Da hat sich überhaupt nichts geklärt, ganz im Gegenteil. Und die versuchte Beeinflussung kommt ganz gewiss nicht aus der von dir erwähnten Ecke, ganz im Gegenteil.

  9. Braveheart 8. Dezember 2014 um 12:46 Uhr

    Aha, danke. Noch nichts geklärt hört sich nicht gut an. Dann geht es evtl eher um den HSV Realos Briefwechsel mit Beirat auf deren öffentlicher Facebook-Site?

    Bin zugegeben gespannt …

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