faktenorientierte Geschichte: Rucksack gestohlen,Strafanzeige gestellt,Dokumente zurück,Dank an Finderin,besser Fußball spielen.

So macht man das also jetzt beim Krisen-geschüttelten HSV. Man nennt einen nahezu unglaublichen Vorgang eine „faktenorientierte Geschichte“, Dokumente zurück, bedankt, besser Fußball spielen. Ich verstehe. Leider ist das spaßige #aufgeklärt nicht so aufgeklärt, wie es der HSV bzw. seine neuen Zauberer aus der Social Media-Ecke gern hätten, denn dass ein leitender Angestellter

1. Extrem vertrauliche Dokumente in ausgedruckter Form in einem Rucksack mit sich rumschleppt.

2. Sich diesen Rucksack klauen lässt und es nicht mal merkt.

3. Erst Tage später bei der Polizei vorstellig wird, damit es zumindest den Anschein hat, als ob man….

4. intern den Verlust der Dokumente offenkundig nicht mal gemeldet hat, dann ansonsten wären den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle der Vorgang wohl bekannt gewesen und sie hätten die ehrliche Finderin nicht abgewimmelt,

das dürfte in dieser Form selbst für die Verhältnisse des HSV relativ einmalig sein.

Aber – hey – was soll’s. Ist doch jetzt wieder alles supi-endgeil. Der Kram ist wieder da (wer ihn sich in der Zwischenzeit kopiert hat, weiß natürlich keine Sau), man hat sich bedankt und man konnte sogar das Jena-Debakel in einem Abwasch mit abfrühstücken. „besser Fußball spielen“, wenn es doch nur so einfach wäre.

Ne, Freunde der ungarischen Blutsuppe, so einfach ist das nicht, denn in jedem normalen Unternehmen wäre eine Aktion wie die vom Knäbelpeter Grund genug für eine fristlose Kündigung. Allein der Umstand, dass Verträge, Gehaltsangaben, Scouting-Berichte etc. in nicht gesicherter Form einfach mal so in der Gegend transportiert werden, ist ungeheuerlich. Nun kann ich nicht behaupten, dass es mich überrascht, dass man beim Hamburger Sportverein vom Thema Datensicherheit, Vertraulichkeit etc. noch nicht wirklich viel gehört hat, aber trotzdem sollte man sich einmal die Dimensionen klar machen.

Wenn der Verein Pech hat, weiß nicht nur die Finderin, was in den Akten steht. Wenn sie schlau ist, hat sie sich die Blätter kopiert, denn sie sind Gold wert. Grundgehälter, Premienregelungen und und und. Scouting-Berichte. Immerhin , und das geht gerade ein wenig unter, wusste die Dame ziemlich genau, um welche Art Unterlagen es sich handelte, denn wie sonst hätte die BILD davon erfahren können? Wer wissen möchte, an welchem Spieler der HSV interessiert ist, wähle folgende Nummer. Und selbst wenn nicht. Allein die Gefahr, dass solche Unterlagen in die falschen Hände gelangen könnten, sollte Knäbel kennen, sowas druckt man sich nicht aus (irgendwie so richtig 80er, dieses Ausdrucken) und packt es in einen nicht verschließbaren Rucksack.

Oder aber es zeigt, wie lax (herrlich 🙂 ) grundsätzlich beim HSV gearbeitet wird. Dieses extrem lockere Verhalten, eben auch durch die Witzigkeits-Tweets der Social Media-Kekse nach außen getragen, überträgt sich auf den gesamten Verein, und am Ende auch auf die Mannschaft.

„Hey Leute, wir sind hier seit Neuestem so locker drauf. Lasst uns ein wenig Spaß haben, bisschen twittern, ein wenig kicken. Wird schon alles cool“

Wie cool alles wird, wird sich nächsten Freitag zeigen, wenn Douglas Costa einem Diekmeier Knoten ins Panorama-Gelenk zaubert, wenn Mario Götze einen hüftsteifen Spahic verscheißert und wenn Thomas Müller mit Oster-Zollek Jojo spielt. Mal gucken, wie spaßig die Tweets dann werden.

Gestern am späten Abend dann endlich eine Stellungnahme des wie üblich abgetauchten Düdü, der in stürmischen Zeiten dazu übergegangen ist, Allzweckwaffe Bruno an die Front zu schicken, der kann gern verbrannt werden, hat er doch ohnehin die kürzestes Halbwertzeit.

Erklärung zur Berichterstattung über das Auffinden vertraulicher HSV-Daten:
Peter Knäbel hat bekanntermaßen Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Zum laufenden Verfahren werden wir keine weiteren Auskünfte erteilen.

Der Vorstand der HSV Fußball AG wird eine unabhängige Aufklärung der Vorgänge beauftragen.
Peter Knäbel genießt das Vertrauen der HSV Fußball AG und wird seine Funktion als Direktor Profifußball weiter ausüben.

Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender HSV Fußball AG) und Karl Gernandt (Aufsichtsratsvorsitzender HSV Fußball AG)

Ehrlich, hatte jemand etwas anderes erwartet? Ich nicht. von jedem professionell geführten Wirtschaftsunternehmen ja, aber nicht von dieser Chaos-Veranstaltung, die sich Fußballverein schimpft. Natürlich hacken die Oberkrähen Beiersdorfer und Gernandt der Unterkrähe Knäbel nicht im Okular rum, man könnte ja selbst etwas von dem Schmutz abbekommen und wer will das schon. Ein Skandal wird bagatellisiert, der gemeine Doof-Fan geht zur Tagesordnung über, nur das neue Vertrauensverhältnis zur Mopo dürfte ein wenig gestört sein, aber das gibt sich wieder. Und überhaupt – der Skandal von heute ist die Lappalie von morgen, es wird schon jemand in diesem Verein kommen, der es schafft, die Peinlichkeit noch zu toppen.
Und als hätte man es nicht gesagt…
Jenas Torhüter über den neuen „HSV-Star“ Sven Schipplock:
„Er hat mir in jedem zweiten Satz erzählt, was er verdient….“
Schipp
Mitarbeiter des Monats: Sven Schipplock
Bei aller Liebe, aber dazu fällt mir absolut nichts mehr ein. Wenn ein Zlatan Ibrahimovic solche Texte raushaut, finde ich sie komplett daneben. Bei einem Ergänzungsspieler, der in einem Spiel gegen einen 4.-Ligisten von der Bank kommt, ist es einfach nur noch peinlich.
Ich Bundesligaspieler – ich Millionär – ich geil
Du Regionalliga-Spieler – du arm – du scheiße
Schon irgendwie Kacke, wenn man dann auch noch verliert, gell Sveni?
Wie heiß es doch vor nicht allzu langer Zeit? Wir wollen demütiger werden, wir wollen den Gegner respektieren. Schipplock scheint das noch nicht so richtig verstanden zu haben, vielleicht aber war er auch nur nicht zu dem Welt-Workshop geladen, bei dem das „Bild des neuen HSV“ herausgearbeitet werden sollte.
Tatsächlich aber gibt es sogenannte „Fans“, die dieses Verhalten auch noch tolerieren, die es in Ordnung finden, weil es angeblich „dazugehört“. Schachköpfe, ich habe selbst 16 Jahre gespielt und das gehört garantiert nicht dazu.
Aber nun gut.
Pokalpleite, prügelnde und pyro-fackelnde „Fans“, Social Media-Verarsche, Rucksack-Gate, verschwundener Vorstandsvorsitzender, Schipplock-Dümmlichkeit.
In nur 5 Tagen hat es dieser HSV wieder einmal geschafft, zum Gespött und zur Lachnummer Deutschlands zu werden und er wird es bleiben.
Ach ja. Wenn diejenigen, die all diesen komprimierten Dreck auch noch lustig finden, die „wahren HSV-Fans“ sind, dann bin ich ab sofort stolz darauf, kein „wahrer HSV-Fan“ zu sein.