Liebe Leser,

wer immer noch glaubt, dass der Abstieg aus der Bundesliga im Jahr 2018 ein Zufall war, der glaubt auch, dass ein Wiederaufstieg in diesem Jahr eine Selbstverständlichkeit wäre und mit ihm alle Probleme des Vereins gelöst sind. Spätestens das erste Spiel der Rückrunde gegen Holstein Kiel sollte gezeigt haben, dass hier mal überhaupt nichts sicher ist und jeder, der nicht in der Lage ist, die Punkteausbeute und die Tordifferenz in einen Zusammenhang zu bringen, sollte dringend aufwachen. 37 Punkt bei gerade einmal 25 geschossenen Toren, das ist verrückt. Es zeigt aber eben auch, dass die durchschnittliche Qualität in der zweiten Liga weit mehr als eine Klasse schlechter ist als die in der Bundesliga. Wer das nicht glaubt, sollte sich den Gefallen tun und nur einmal die Bundesliga-Konferenz auf Sky gucken.

Das aber will man im Reich der Hüpfer nicht hören, hier ist man der Meinung, der HSV könnte mit zwei oder drei Nachbesserungen in der ersten Liga bestehen. Könnte er nicht. Zumal nicht mal im Ansatz geklärt ist, wie sich der Verein in der Sommerpause überhaupt auch nur eine Verstärkung leisten kann. Immer und immer wieder liest man das Argument, „Hoffmann wird schon etwas einfallen“ aber was sollte das denn bitte sein? Weitere Verkäufe von Anteilen sollen laut Antrag des SC unterbunden werden und die Kassen sind nicht leer, die Kontostände befinden sich maximal im Minus. Stand heute müsste der Verein nach Ende der Saison nicht nur die geliehenen Spieler Mangala, Hwang und Lacroix wieder abgeben, er müsste auch die letzten verbliebenen „Leistungsträger“ wie Pollersbeck, Douglas Santos und Arp (ja, ich weiß) zu Geld machen. Angesichts der selbstauferlegten Gehaltsobergrenze von maximal € 2 Mio. in der Bundesliga sind auch Vertragsverlängerungen für Spieler wie Lasogga und Holtby illusorisch und was dann noch bleibt, kann sich jeder selbst ausrechnen.

Aber all diese FAKTEN werden ganz locker mit dem Argument „Hoffmann wird schon was einfallen“ beiseite gewischt, nur wenn man fragt, was Hoffmann denn einfallen könnte, kommt nichts mehr. Als bekennender rosa Hüpfer muss man anscheinend nach wie vor in einer Parallelwelt leben, aus der man beständig mit einem Knall aufwacht, aber dennoch nicht dazu lernt.

Trotzdem: Der sofortige Wiederaufstieg ist ohne echte Alternative, denn schafft man es in dieser Saison nicht, ist man im Unterhaus gestrandet. Einen erneuten Etat von knapp € 35 Mio. wird es nicht geben, man würde sich in Zukunft auf einem Niveau wie ein durchschnittlicher Zweitliga-Verein wiederfinden und mit Durchschnitt steigt man nicht auf. Ein zweites Jahr 2. Liga würde sich eben auch in anderen Bereichen auswirken, denn Sponsoren, Logen-Mieter und Zuschauer ertragen vielleicht ein Jahr fiesen Fußball, ein zweites Jahr nicht. Doch dies ist nur die sportliche Seite der Medaille, die andere Seite ist die Vereins-interne Seite. Am 19.01.2019 wird der neue Präsident des HSV e.V. gewählt und so richtig stellt sich scheinbar niemand die Frage, warum sich bei der letzten Wahl lediglich zwei Gestalten (Hoffmann und Meier) für das Ehrenamt begeistern konnten, während diesmal eine ganze Reihe von Bewerbern dem Beirat die Bude ein rannten. Soviel Spaß an unentgeltlicher Arbeit für Dartsspieler, Beachvolleyballer und Curling-Artisten? Sicher nicht, denn in seiner unnachahmlichen Art hat uns Bernd Hoffmann bewiesen, wie schnell man aus dem Nichts nicht nur wieder am großen Rad mitdrehen kann, man kann auch innerhalb weniger Monate vom erfolglosen Spielerberater zum gut bezahlten Vorstandsvorsitzenden werden, wenn man den Verein nur gut genug kennt.

Hoffmann hat in seinen ersten Monaten als Boss des Vereins einige Sachen durchaus richtig gemacht (Peters, Titz, Wolf), aber dies alles wird eben auch nur deshalb so überaus positiv gesehen, weil die Tabellensituation mitspielt. Zwei Siege weniger (und das wäre absolut möglich gewesen) und in Hamburg würde der Baum brennen. Die jubelnden Hofberichterstatter würden deutlicher die Frage nach der Notwendigkeit der Titz-Entlassung stellen, würden fragen, ob die 254. Abfindung oder Lohnfortzahlung denn nötig war. Hoffmann weiß das alles nur zu gut und deshalb gilt es genau jetzt, die Macht zu zementieren. Gelingen könnte dies natürlich mit einem e.V. Präsidenten, der in seiner Funktion als Aufsichtsrat und Mehrheits-Anteilseigner nicht fragt und kontrolliert, sondern uneingeschränkt kooperiert. Für die Hoffmann-Fans wäre dies die Erfüllung ihrer Träume, für den HSV wäre es fatal.

Ich wage an dieser Stelle einmal zwei (gewagte) Vergleiche.

Zuerst einmal ein Blick in die jüngere Vergangenheit des Vereins. Wir hatten bereits die Situation, in der ein Vorstand unkontrolliert fuhrwerken, dealen, sich bereichern und nach Lust und Laune versagen konnte, oder? Für die aktuelle Situation des Vereins sind insbesondere die Herren Beiersdorfer, Kühne und Struth verantwortlich, in zweiter Linie jedoch eben auch der alte Aufsichtsrat, der nicht kontrollierte und Fragen stellte, sondern lediglich durchwinken wollte. Die Herren Gernandt, Bönte, Becken, Goedhart etc. haben sich maximal mitschuldig gemacht und sind dann (bis auf einen) durch die Hintertür verschwunden, ohne Verantwortung zu übernehmen. Installiert man erneut einen Aufsichtsrat (und e.V. Präsidenten), der nur nicht anecken möchte, wird sich das Schicksal zwangsläufig wiederholen. Warum stellt eigentlich niemand die Frage : „Was qualifiziert Marcel Jansen eigentlich für die Aufgabe im Gesamtverein“? Ganz einfach, weil sie kaum einen interessiert. Man möchte einen Ja-Sager und Hoffmann-Kumpel an einer Schaltstelle sitzen sehen, dann wird alles gut. Hatte man nicht das Gleiche von Gernandt gedacht?

Ein zweiter Blick führt uns über den Atlantik in die USA. Dort reißt ein minderbemittelter Rassist gerade alles ein, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Warum? Weil er es kann. Die Republikaner hatten in den letzten zwei Jahren die Mehrheit in beiden Kammern (Senat und Repräsentantenhaus), was dazu führt, dass Trump eines nicht wurde: Kontrolliert. Eine Diktatur wird eben nicht dadurch besser, dass man den Diktator gerade mal cool findet, denn er bleibt ein Alleinherrscher und das noch nie zu etwas Positivem geführt.

Die Rolle des Beirats, der aus welchen Gründen auch immer drei Kandidaten ausgewählt hat, die Auswahlkriterien nicht preisgeben und die abgelehnten Bewerber nicht über die Gründe der Ablehnung informiert hat, ist im Übrigen ohne Worte und allein der Umstand, dass diese Posse nicht sanktioniert wurde, sagt vieles über den Zustand des Gremiums und des Vereins aus.

Anyway, ist wird ein spannendes und richtungsweisendes Jahr für den HSV. Der Aufstieg ist keinesfalls gesichert, die Finanzen befinden sich mittelfristig in einem desaströsen Zustand und man ist dabei, alte Fehler zu wiederholen und einen Alleinherrscher zu installieren. Aus persönlicher Erfahrung kann ich schildern, wie der Mann tickt. Während der Beiersdorfer-Zeit bat Hoffmann mehrfach um ein persönliches Gespräch, um seinem Gesprächspartner Honig um den Bart zu schmieren. Ich zitiere aus einer Facebook-Unterhaltung:

Der Leiter der Sportredaktion einer großen deutschen Wochenpublikation sagte mir gerade, dass deine Blogs das Beste sei, das im deutschen Sportjournalismus aktuell zu lesen sei… Wollte ich nur mal so weitergeben. Gruß

Eine weitere Aussage lautete: „Sollte ich jemals wieder bei diesem Verein etwas zu sagen haben, soll es eurer Schaden (wir waren zu Dritt) nicht sein“.

Seit dem 27.05.2018 ist Bernd Hoffmann wieder Vorstandsvorsitzender des HSV, ich habe seither nie wieder etwas von ihm gehört. Soviel zum Thema Zuverlässigkeit und Kontrolle.

Um es deutlich zu machen – es geht nicht darum, pro oder Kontra Hoffmann, Hunke, Hartmann oder Jansen zu denken, es geht darum, in diesem für den Verein alles entscheidenden Moment das Richtige zu tun und nicht das Einfache oder Populäre. Das hat man 2014 schon mal gemacht und das Resultat sieht man heute. Es geht um Kontrolle und Miteinander und nicht darum, dass wieder einmal Einzelne das für sich Beste rausholen. Es geht um Transparenz, damit die Fehler der Vergangenheit endlich der Vergangenheit angehören. Deshalb werde ich mich, wie bei der Wahl Hoffmann vs Meier, erneut von einer Art Wahlempfehlung fernhalten. Ich möchte nur jeden Wahlberechtigten dringend auffordern, sich genau zu überlegen, wem er warum seine Stimme gibt. Nur zu Masse der Siegesjubler gehören zu wollen war noch nie der richtige Grund.