Just an Illusion

Als ich am Samstagvormittag mit dem Leihwagen die Autobahn AP-7 von San Roque zurück nach Malaga geballert bin (auf dem Hinweg ging es natürlich über die A7) und die wunderschönen Eindrücke Andalusiens nochmal auf mich wirken ließ, trällerte im Radio plötzlich der gute alte Disco-Klassiker “Just an Illusion”. Und während ich noch am Überlegen war, wie die Kapelle damals hieß (Imagination), fiel mir auf, dass es wohl kaum eine bessere Umschreibung für das geben kann, was man im Trainingslager in Sotogrande beobachten konnte und in den Medienberichten darüber lesen musste. 🥱

Die Jungs haben einfach überragend mitgezogen. Sie haben so eine Energie. Ich habe heute auf der Busfahrt zum Spiel gemerkt, dass sie echt richtig müde sind. Doch dann stehen wir hier auf dem Platz und die Jungs brennen ein Feuerwerk ab, weil sie voller Leidenschaft und Energie sind. Das macht einfach Spaß. Die Jungs haben immer eine hohe Bereitschaft. Das macht richtig Freude und daran müssen wir weiter arbeiten.

Quelle:  https://www.hsv.de/news/trainingslager-splitter-sotogrande

Wir waren dort unter uns, das fühlte sich gut an. Das Hotel und die Plätze haben sehr gute Bedingungen geboten, weswegen wir super zufrieden sind. Wir konnten das Gruppengefühl stärken.

Quelle:  https://www.hsv.de/news/mutzel-sehen-uns-in-der-idee-bestaetigt

Ja gut äh, lassen wir das und kommen zu meinen diesmal etwas spärlicheren Impressionen vom diesjährigen Wintertrainingslager. Das gigantische Trainingsgelände des Santa Maria Polo Clubs ist ein wahrer Traum: Vier große Plätze, von denen jeder viermal (!) so groß ist, wie ein normales Fußballfeld. Dort könnten locker zehn Mannschaften gleichzeitig trainieren, in diesen Tagen waren meist zwei oder drei andere Mannschaften am Ackern und trotzdem blieb der Großteil der Rasenflächen ungenutzt. Was gäbe es für Gelegenheiten, unter solchen Bedingungen endlich mal offensive Spielzüge auf dem Großfeld einzustudieren. Wenn das Trainerteam doch nur Bock darauf hätte. 😭

 

Das Grundproblem ist geblieben. Der vollkommen entrückte Cheftrainer Tim Walter legt bei seinen Trainingseinheiten viel zu wenig Wert auf praxisnahe Übungsformen. Man kann das ewige Rumgedaddel mit drei Toren und Minitoren auf dem Kleinfeld auch übertreiben. Folgerichtig können die Rumpelkicker das meiste, was geübt wird, auf dem Großfeld unter Wettkampfbedingungen nicht umsetzen. Und die technischen Defizite wurden auch in diesem Trainingslager leider nicht professionell angegangen. Anstatt ständig Fußballtennis oder Ballhochhalten zu üben, sollten sie Flanken und Torabschlüsse bis zum Erbrechen trainieren. Die Intensität einiger Übungsformen war zwar genau wie in Grassau für HSV-Verhältnisse relativ hoch, aber auch dieser Übungsleiter sieht weiterhin keine Veranlassung, technische Schwächen durch fleißiges Üben abzustellen.

Und so wird man sich darauf einstellen müssen, dass auch in der Rückrunde weitergerumpelt wird. Dass die Mannschaft weiter zusammenwächst, ist unbestritten, liegt aber in der Natur der Sache. Durch das häufige Zusammenspielen kennt man seine Mitspieler eben besser und einige der Neuen sind noch nicht vollständig vom HSV-Virus infiziert: Die neuen “Führungsspieler” Schonlau, Meffert und Glatzel finden es ziemlich geil, beim großen HaSiVau einen Stammplatz zu haben und spielen ihren limitierten Stiefel locker mal runter und Tüpen wie Vuskovic haben (noch) richtig Bock auf Fussi, sodass der Einfluss der Wohlfühloase (noch) nicht greift. Mit Entwicklung hat das freilich nichts zu tun, mit Mut schon gar nicht. Einzig der stolze Spanier Reis (ja ja, er ist Holländer) kann sein Potential nun einigermaßen abrufen, da er nicht mehr vom Musterprofi Leibold gemobbt wird.

Folgerichtig war das Testspiel gegen den KSC, was bis zum Anpfiff geheim gehalten wurde, ein erneuter Offenbarungseid. Und das auf einem wunderbaren Rasenplatz in Estepona vor traumhafter Kulisse. Was für eine geile Location! Was für ein Glück, dort Fussi spielen zu dürfen! Was für ein Pech, dies beim HSV machen zu müssen!

 

Da es im Training weiterhin kaum Übungsformen gibt, die den Wettkampfbedingungen entsprechen, wird der geneigte Zuschauer immer noch mit dem bekannten Hintenrumgedaddel im Hochrisikostil beelendet. Unfassbar, wie niedrig der Wirkungsgrad der Walterschen Trainingseinheiten letztendlich ist. Da war es dann auch wurscht, dass Unterschiedsspieler “Jonny” Kittel sowie Neu-Juwel Faridou nur teilweise und Stolperjochen Jatta gar nicht am Trainingslager teilnehmen konnten. Suhonen (der sich dann auch noch verletzte) und Doyle wurden vorher schon abserviert und neue Spieler konnten nicht rechtzeitig verpflichtet werden, aber wer braucht schon eine funktionierende Kreativabteilung?

 

Sie können einfach keine Spieleröffnung, keinen Spielaufbau und erst recht keine offensiven Spielzüge. Aber der unbelehrbare Cheftrainer hat nur Gutes gesehen und weist daraufhin, dass seine Truppe zum Ende des Trainingslagers einfach platt war. Nicht wenige Kandidaten haben in der Tat aus dem letzten Loch gepfiffen und Tim Walter hatte einige seiner HSV-“Stars” mal so richtig auf dem Kicker, allen voran Gyamerah, der mit seiner bocklosen Körpersprache geradezu dudziakesk rumtrabte und zwar im gesamten Spiel. Nach ca. 10 Minuten hatte Walter dann die Schnauze voll und entlud seinen Frust in einem lautstarken Wutanfall. Sein “Gyambo, dein behäbiges Gedaddel geht mir sowas von auf die Eier.” war klar und deutlich auf dem ganzen Platz zu hören. Dem Vernehmen nach 🤭 setzen die sportlich Verantwortlichen zukünftig ja wieder auf Ganzkörperkrampf Vagnoman. Gemeinsam mit Fehlergarant David, der im Testspiel absurderweise auf der Sechs spielen musste, hätte man dann pünktlich zur Rückrunde die personifizierte Schlafmützigkeit wieder am Start. 🙈

 

Bei genauerer Betrachtung war der Leistungsumfang des Trainingslagers eigentlich ein schlechter Witz: Vom 02. bis 08. Januar (offizielle Darstellung) bedeutet: Anreise am 02.01. Abreise am 08.01. Bleiben 5 Tage netto zum Training, eigentlich nur 4 Tage (!), denn am 5. Tag war ja das Testspiel. Und richtig gepowert haben sie nur an den beiden ersten Tagen mit jeweils zwei Einheiten, danach wurde die Intensität schon wieder runtergefahren. Was soll der Scheiß? Das hat doch mit Profifußball nichts zu tun. Wenn es beim HSV eine Hochleistungskultur geben würde und man wirklich aufsteigen wollte, hätte das Trainingslager 14 Tage netto gedauert mit einem Ablauf, der fließend in den Spieltags-Rhythmus übergegangen wäre. Anreise am 27.12. Dann 14 Tage lang Training inkl. Regenerationsphasen. Abreise am 12.01. Danach sportliche 1,5 Tage frei, da man ja bereits im Rhythmus ist. 13.01. abends Anreise nach Dresden. 14.01. vormittags im Stadion anschwitzen und heißmachen, abends Dynamo Dresden plattmachen, Revanche nehmen für das 1:4 im Pokal. Danach 2 Tage frei, dann Köln einnehmen und danach Pauli gepflegt zerstören… ENDE

Prööt! Schnell wieder zurück zur nüchternen Realität: Der negative Höhepunkt der Veranstaltung war dann der Auftritt des Fake-Doktors Wüstefeld, seines Zeichens neuer Vorstand, eben noch Aufsichtsratsvorsitzender und davor ein Niemand, der allerdings in HSV-Bettwäsche geschlafen hat.

 

Zum Abschluss gab es noch den obligatorischen Spielerkreis inkl. der gesamten Entourage. Positive und zuversichtliche Körpersprache sieht für mich irgendwie anders aus. Erinnerte mich eher an den düsteren Teil in Das Boot: “Na Männer, alles klar? Jawoll, Herr Kaleu!”

 

Noch ein Wort zu den Schlaubergern, die bzgl. der Trainingsmethoden gern Herrn Tuchel heranziehen. Natürlich kenne ich sein Rulebreaker-Video in- und auswendig, aber was genau hat Tuchel mit der Rumpeltruppe des HSV zu tun, außer dass er dort mal „mehr als nur Trainer“ sein sollte? Der HSV ist seit Jahren in eine sich selbst erhaltende Wohlfühloase eingebettet, was den Aufbau einer Leistungskultur zuverlässig verhindert. Das intensive Rumgekicke auf Kleinfeldern wäre bei anderen Mannschaften, die technisch auf einem hohem Niveau spielen, sicherlich zielführend, bei den Maltafüßen aus dem Volkspark verpuffen diese Übungsformen ohne jeglichen Wirkungsgrad, deshalb werden sie im Wettkampf ja auch kaum besser. Kein Übungsleiter der letzten Jahre hat auch nur annähernd kapiert, dass man beim HSV tatsächlich einen Rulebreaker braucht, aber nicht, um Tuchels Arbeitsweise dort einzuführen, sondern um zunächst mal die fatale Mischung aus Inkompetenz, Faulheit und Arroganz auf allen Ebenen des Vereins zu eliminieren, bevor überhaupt daran zu denken ist, neue Spielsysteme, taktische Formationen und einstudierte Spielzüge zu ENTWICKELN. Genau das hatte Tuchel schon damals erkannt und gespürt, dass er dort dauerhaft fernbleiben sollte.

Die Kollegen 😃 vom Auftragsblatt haben zu dem Thema einen interessanten Vergleich erstellt:

 

Quelle:  https://www.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article234271927/hsv-trainingslager-vergleich-pauli-trainer-trainingsplan.html

Und während der gemeine Dauerhüpfer nun meint, daraus interpretieren zu müssen, dass sich die Trainingsinhalte doch kaum unterscheiden und anerkannten sportwissenschaftlichen Standards entsprechen, kann man angesichts der Tatsache, dass es mit dem HSV seit 10 Jahren nur noch bergab geht, nur zu der Schlussfolgerung kommen, dass Vereine wie Pauli mit diesen Trainingsmethoden ihr Potential voll ausschöpfen und diese Saison sogar über ihren Möglichkeiten spielen, während der HSV mit den vergleichbaren Trainingsmethoden eben immer weit unter seinen Möglichkeiten spielt. Fatalerweise wird beim großen HSV immer etwas zu wenig gemacht, obwohl man zwingend immer etwas mehr machen müsste. Aber solange diese unsägliche Mischpoke aus Selbstoptimierern und Totengräbern beim HSV weiter rumstümpern darf, wird es keinen Rulebreaker geben, ganz abgesehen davon, dass niemand Bock darauf hat, beim Gesamtdefekt feucht durchzuwischen und dabei gegen die Widerstände der Supporters und der Traditionalisten ankämpfen zu müssen.

Selbstredend gab es nach dem Trainingslager drei Tage zum “Durchschnaufen”, was auf den ersten Blick normal erscheint, dann aber die hässliche Fratze der Komfortzonen des HSV offenbart, denn praktisch bedeutet es, dass vor dem Dresden-Spiel nur zwei Tage bleiben (Di. und Mi.), an denen vernünftig trainiert wird, am Do. ist bereits Abschlusstraining, wo man die Intensität wieder deutlich runterfährt und Fr. dann das Spiel. Aber wer braucht schon dieses lästige Training, man ist ja Nur der HSV! 🤑

Und so möchte ich meine Eindrücke aus dem wunderschönen Andalusien mit dem anfänglichen Hinweis schließen: Das Trainingslager war nur eine Illusion, um das neue Motto von Mut, Entwicklung und “bei sich bleiben”🤦‍♂️ zu propagieren. Davon, dass es fußballerisch nichts gebracht hat, konnte sich hier jeder überzeugen, insbesondere die widerwärtigen Journalisten, die weiterhin mit ihrer unerträglichen Hofberichterstattung ihre Seele verkaufen und einen erheblichen Anteil am Niedergang des HSV haben.

Die Betreuung der Anhänger durch den Fan-Beauftragten Andreas war übrigens trotz aller Sicherheitsmaßnahmen wie in jedem Trainingslager vorbildlich… 🙏

Kleiner Tipp am Rande: Wer mal einen Urlaub an der Costa del Sol plant, sollte sich Gibraltar und Tarifa nicht entgehen lassen. Einfach geküsst! 😻 Einmal Afrika sehen… Check!

 

Alright! 🎩

 

Von | 2023-04-16T22:53:19+02:00 12. Januar 2022|Allgemein|12 Kommentare

12 Comments

  1. ottensener 12. Januar 2022 um 22:58 Uhr

    Welcome back, Alex! 🙂

  2. Christian Horner 12. Januar 2022 um 23:56 Uhr

    Vielen Dank für den top illustrierten, sehr anschaulichen Bericht, Alex!

  3. Sportjournalist Scholz 13. Januar 2022 um 00:48 Uhr

    Danke für den Bericht

  4. jorgo 13. Januar 2022 um 07:04 Uhr

    Moin zusammen,
    Alex, was kannst Du darüber berichten, wie Gyamerah (außer dem Timmi Zitat) und Wintzheimer trainiert haben. Sie werden wohl gehen dürfen und benötigen die entsprechende Aufmerksamkeit zukünftiger Arbeitgeber. Waren alle! Spieler mit dem Wenigen zufrieden, oder gab es Auffälligkeiten bei Spielern, die sich versucht haben in den Fokus von Trainern oder Entscheidungsträgern anderer Clubs zu spielen. Haben die Torhüter ein spezielles Training erhalten und waren sie ein Teil der Spieleröffnung. Danke für die Zusammenfassung. Die Landschaftsvideos waren mit Abstand das Beste. Danke

  5. Boxer 13. Januar 2022 um 08:52 Uhr

    Vielen Dank für den tollen Bericht des nicht so tollen Trainingslagers 👍. Genauso wünscht man sich das. Neutral berichtet, die guten sowie die schlechten Dinge klar angesprochen. So erhält man ein gutes Bild und kann die damit verbundenen zukünftigen Auswirkungen auch besser einordnen.
    Kein Vergleich zu dem üblichen “Berichten” von den geilen, brutalen, sensationellen Trainingslagern.

  6. Hein Blöd 13. Januar 2022 um 11:16 Uhr

    Tarifa ist schön, witzig die Anfahrt nach Gibraltar über die Start- und Landebahn.
    Ich war einige Male in La Cala de Mijas, wunderschöne Ecke dort.

    Und was den HaSiVau betrifft: Training wird eh überbewertet.

  7. jusufi 13. Januar 2022 um 11:54 Uhr

    Danke für den Bericht! Und den Ohrwurm…

  8. ToniHH 13. Januar 2022 um 12:12 Uhr

    Danke Alex. Top

  9. Hans 13. Januar 2022 um 12:38 Uhr

    Alleine dieser Blog von heute hat mehr Charme, Informationen, Herzblut und kritische Beobachtungsgabe als alle Insolvenzblogs drüben zusammen im gesamten 2021

  10. Fohlenstall 13. Januar 2022 um 16:06 Uhr

    Thanks Alex😎!

  11. Hannover1958 13. Januar 2022 um 16:21 Uhr

    Jansen: HSV hat sich seit Jahren von Millionenminus zu Millionenminus gehangelt. Und wer ist schuld? Natürlich Wettstein. Jetzt kann man draufhauen (Quelle: shz)

  12. Ralf Schulz 14. Januar 2022 um 21:48 Uhr

    Die Vorstellung heute passt wie Arsch auf Eimer zu deinen Schilderungen des Trainingslagers Alex, was für eine erbärmliche Leistung. Bei dem Verein kommen nur noch große Sprüche die verpuffen bevor sie ausgesprochen sind. Auf allen Ebenen nur heiße Luft ohne jegliche Gegenleistung!.

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