Die Hofberichterstatter

Im Grunde ist es immer das gleiche Schema. Vor der Saison, während der Transferphase, während der Saisonvorbereitung wird um die Wette gehüpft. Jeder Volontär oder Redaktionspraktikant erkennt im vom KSV umworbenen Akteur die potenzielle Real-Zukunft, jeder bis dato nahezu unbekannte Maltafuß wurde eigentlich von der halben Premier League umworben, bevor die Wunder-Scouts des KSV in Verbindung mit dem sowohl empathischen wie überzeugenden Sportvorstand den Donbass-Messi vom Volkspark überzeugen konnten. Hinzu kommen Atom-Perlen  aus dem heimischen Campus in Serie, 6/7 der Fußballwelt beneidet den Verein um sein Personal, seine Weitsicht, seinen Nachwuchs und sein unfassbares Geschick mit den dünnen Finanzen wahre Wunderdinge zu produzieren. Zur gleichen Zeit vermeldet die Propaganda-Abteilung um Auftragsblatt und Mopo, dass der irre Iwan aus Schindellegi zum gefühlten 482. Mal seine Liebe zum Verein neu entdeckt und sein Testament geändert hat, der Himmel hängt während dieser Zeit des Jahres traditionell voller Geigen. Warum? Weil es wahr ist und der Realität entspricht? Mitnichten. Weil es die Hüpfer so lesen wollen und weil sich Schundblätter mit eben diesen Inhalten besser verkaufen als mit dem, was man tatsächlich verkünden müsste.

 

 

Dann läuft die Saison und jeder noch so glückliche und unverdiente Sieg wird wie eine Meisterschaft gefeiert, täglich gibt es neue Statistiken, die belegen, wie wunderbar dieser Klub doch eigentlich ist. Dies zieht sich solange hin, wie es rechnerisch möglich ist, die Saisonziele zu erreichen. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob sich 90% der Wahnsinnstransfers als Rohrkrepierer erweisen oder ob von den zuvor erwähnten Atom-Perlen leider keiner den Sprung in die Startelf schafft, für alles werden Erklärungen gefunden. „Erschwerend“ kommt noch hinzu, dass man seit geraumer Zeit bestimmte Tendenzen oder Themen bei den unterbelichteten und unterbezahlten Fanboys aus den Reaktionen kaufen bzw. bestellen kann. Legt man genügend auf den Tisch, sei es nun Geriebenes oder Insiderinformationen, sind bestimmte Redaktionen respektive Redaktionsmitglieder gern bereit, Partei zu ergreifen und dem Besteller zu dienen. (Beispiel Kai Schiller im Fall Wüstefeld).

 

 

Man kann also sagen, dass man als KSV-Verantwortlicher in der Stadt, um die es jahrelang die Legende von der ach so kritischen Presse gab, die Möglichkeit hat, sorgenfrei und bequem zu leben. Dies geht solange gut (also ungefähr 10 Monate im Jahr), bis wieder einmal sportlich versagt wird und diese Tatsache auch dem dümmsten Hüpfer bewusst wird. Dann wird das mediale Hackebeil gezückt und auf alles eingetreten, was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Und das Geilste: Dann haben’s plötzlich alle gewusst, besonders diejenigen, die die 10 Monate zuvor gar nicht hoch genug hüpfen konnten. Nun heißt es, bei den enttäuschten und erzürnten Fans Beifall dadurch abzugreifen, indem man sich als Chef-Kritiker mit Weitblick positioniert, was ebenso peinlich wie charakterlos ist, aber was soll man bei dieser Berufsgruppe auch erwarten. Was den Presse-Lutschern aber nicht bewusst ist oder was sie bewusst ignorieren: Dadurch, dass sie ihren Käufern eine falsche heile Welt vorgaukeln, verschaffen sie den Selbstoptimierern im Volkspark 10/12 des Jahres ein wunderbares Alibi zum Dauerversagen. 

P.S. Diesen Blog habe ich im Zuge der Serie am 30.04.2023 verfasst und manchmal holen einen die Ereignisse ein. Wer sich das gestern veröffentlichte Video von der gespenstischen Pressekonferenz gegeben hat, hat nicht nur einen (erneuten) Eindruck vom primitiven Übungsleiter erhalten, er konnte sich ein wunderschönes Bild davon machen, was dort in den ersten zwei Reihen als sogenannte Sportjournalisten-Simulanten rumlungert. Tom Walter hat während dieser PK einen Steilpass nach dem nächsten angeboten, ein Redakteur mit auch nur 4% Resteiern hätten den Mann gestern öffentlich kreuzigen können. Doch was machen die hofberichterstattenden Hilfslutscher? Sie lassen den hohlen Bartfick mit seinen seichten und inhaltsfreien Erklärungshülsen davonkommen, fast könnte man den Eindruck bekommen, sie hätten Angst vor dem Ersatz-Weihnachtsmann. Über den debil kalauernden Presseclown wäre jedes Wort zuviel, was für einen Freakshow.