Nein, ich rede nicht vom KSV, denn die können im Kopf kaum etwas verlieren, weil da eh nicht viel vorhanden ist und weil sie es einfach nicht besser können. Ich rede vom FC Bayern München, seines Zeichens Abo-Meister der deutschen Bundesliga, welcher in dieser Saison Spiele zeigt, nicht nur Ergebnisse, die man aus den letzten 10 Jahren nicht kannte. Ich habe mir, als ehemaliger Kicker, einmal Gedanken darüber gemacht, wie Spiele wie das gestrige 1:3 gegen Leipzig, aber auch Begegnungen wie das 1:3 in Mainz (nach 1:0 Pausenführung) zustande kommen können und ich mache die Situation besonders an einer Sache fest: Den Bayern ist ihre eigene Selbstverständlichkeit abhanden gekommen. Man hat sich, zumindest in Deutschland, so sehr ans Gewinnen gewöhnt, dass man es für selbstverständlich hält und meint, nicht mehr alles reinwerfen zu müssen. Bei einem Kader mit einem Wert von einer knappen Milliarde Euro, den man vor der Saison für € 145,50 Mio. aufrüstet (Transferminus: ca. € 40 Mio.) kann ein solches Phänomen passieren, auch dann, wenn man alles dafür tut, dass es eben nicht geschieht. 

Das Ganze nur am Trainerwechsel von Julian Nagelsmann auf Thomas Tuchel festzumachen, wäre zu kurz gesprungen, denn auch unter Nagelsmann holte man an den Spieltagen 4, 5 und 6 gegen Gladbach, bei Union Berlin und gegen Stuttgart mickrige 3 Punkte, bevor man am 7. Spieltag mit 0:1 in Augsburg verlor. Dies ist aus meiner Sicht übrigens einer der Gründe gewesen, warum man sich scheinbar in einem Anflug von Panik von Nagelsmann trennte, man sah in der Vereinsspitze eine latente Gefahr des Stillstandes oder vielleicht sogar des Rückschritts. Der Umstand, dass man zum Zeitpunkt der Entlassung noch in drei Wettbewerben beste Aussichten hatte, spielt dabei nur eine sekundäre Rolle, die Herren im Vorstand meinten offenbar, diese gute Ausgangsposition mit einem Weltklasse-Trainer Tuchel noch verbessern zu können. Thomas Tuchel trifft meiner Meinung nach an der Entwicklung der letzten Wochen keine Schuld, das Problem hängt in den Köpfen der Spieler. Man betrachte die Entwicklung. 

Letzte Saison wurde man mit 77 Punkten (8 Zähler Vorsprung auf Dortmund) Meister, das Jahr davor mit 78 Punkten (13 Punkte Vorsprung auf Leipzig). In der Saison 2019/20 holten die Bayern sogar 82 Punkte und erzielten 100 Tore. In der aktuellen Spielzeit hat man zwar mit einem Torverhältnis von 90:37 wieder überragend gescored, aber man hat gegen Gegner, die man früher scheinbar im Vorbeigehen abservierte, wertvolle Punkte liegenlassen. Ich schreibe absichtlich „scheinbar“, denn tatsächlich war man damals einfach konzentrierter, galliger. Bei Bayern München hat sich ganz langsam und unbemerkt eine Bequemlichkeit breitgemacht und es wird die große Herausforderung für Tuchel sein, dies rückgängig zu machen. Natürlich kommen auch die Transfers erschwerend hinzu, wobei dies für eine Mannschaft mit der individuellen Qualität keine Ausrede sein darf, zumindest nicht in der Bundesliga. Manè (€ 32 Mio.), Tel (€ 20 Mio.) und Gravenberch (€ 18,5 Mio.) blieben hinter den Erwartungen zurück, natürlich bei den beiden Letzteren auch ein hausgemachtes Problem. Wer übrigens den „Niedergang“ einzig und allein am Abgang von Robert Lewandowski festmachen möchte, springt zu kurz. Mit dem Polen im Sturmzentrum erzielte man in der letzten Saison 97 Tore, im Jahr davor 99 (dieses Jahr 90). 

Noch ein Wort zur Verpflichtung von Thomas Tuchel. Meiner Meinung nach hatte die Entlassung von Julian Nagelsmann und der Vertrag von Tuchel mehrere Gründe. Zum Einen der bereits erwähnte Stillstand der Leistung einzelner Spieler, aber eben auch der gesamten Mannschaft. Dann die Verfügbarkeit. Man wollte Tuchel schon einige Jahre vorher holen, damals war PSG schneller (oder reicher). Nun aber war Tuchel verfügbar, die Frage war nur, wie lange. Also meinte die Vereinsführung, schnell zuschlagen zu müssen, bevor der Wunschtrainer wieder für einige Jahre woanders Erfolge feiern könnte. 

Wie wird man nun aber in München mit der Situation umgehen, dass man eventuell einmal nicht deutscher Meister wird? Der neue Trainer ist bereits da, vom „unglücklichen“, weil überforderten Sportvorstand möchte man sich scheinbar nicht trennen. Man wird also in der Sommerpause einiges an der Mannschaft verändern. Möglich, dass Sadio Manè nach nur einer Saison wieder gehen muss, Abgänge von Leroy Sanè, Serge Gnabry, sogar Joshua Kimmich stehen zur Diskussion. Das Problem der Bayern ist allerdings: Wo kriege ich geeigneten Ersatz auf diesem Niveau und wie viel möchte ich dafür bezahlen? 

Update: Dieser Blog wurde vor mehr als zwei Wochen geschrieben, inzwischen ist die Saison beendet und Borussia Dortmund war als stärkte Heimmannschaft der Serie zu blöd, die Mainzer zu schlagen. Bayern also doch wieder Meister und nun könnte man in München so tun, als sei man mit einem blauen Auge davongekommen und im nächsten Jahr wird alles besser. Tut man aber nicht, unmittelbar nach Spielschluß wird bekannt, dass sich der FC Bayern von Kahn und Brazzo trennt, denn in München ist man das, was man in Hamburg nicht ist – konsequent. Man hat die Fehler erkannt und handelt, selbst dann, wenn es unpopulär erscheint. In Hamburg dagegen lässt sich die Karikatur eines Aufsichtsrats von Versagern wie Boldt und Walter neue Verträge einsingen und guckt so lange tatenlos zu, bis das Desaster vollendet ist. Aber mal ehrlich – Scheiß auf den KSV. Das hier ist geil, der Verein von der Müllverbrennungsanlage ist nur noch eine Randnotiz.

 

Eines noch zum Schluss: Für die Dämlichsten unter den Zeitgenossen scheint ein Sieg des KSV auch immer der persönliche Triumph gegenüber einem anderen zu sein, dabei haben ausgerechnet die Tastatur-Spacken weniger als nichts dazu beigetragen. Aber es dient zur Abrechnung mit anderen, die eine andere Meinung vertreten. Wenn der KSV heute den direkten Aufstieg verpasst, so ist das weder ein Sieg über Andere, noch ist das in irgendeiner Form wichtig. Aber bitte, holt euch einen runter, wenn ein Verein, dessen Stadt ihr nur über Google findet, gegen einen Absteiger gewinnt. Ihr armseligen Würstchen. 

Es gibt so viele Unterschiede zwischen dem deutschen Serien-Meister und dem Zweitliga-Dino aus St. Ellingen, einer der wichtigsten aber ist, dass in München der Verein entscheidet, was passiert. Das zuständige Gremium trennte sich am Tag der Meisterschaft von Kahn und Brazzo, obwohl seine Mitglieder wussten, dass ihnen ein medialer Shitstorm drohen würde. Sie zogen die Nummer aus Überzeugung durch, obwohl genügend Patienten auf Twitter oder Instagram ihre Schnappatmung nicht unter Kontrolle bekamen, in Hamburg ist sowas undenkbar. Hier hat jede Wurst panische Angst vor BILD und Auftragsblatt und strittige Entscheidungen darf gern ein anderer treffen.