Die Reporterinnen und Reporter der „Bild“-Zeitung gelten als besonders hartgesotten. Doch was „Bild“-Chefredakteurin Marion Horn ihren Kolleginnen und Kollegen in den Räumen der Hamburg-Redaktion im Springer-Verlagsgebäude am Axel-Springer-Platz (Neustadt) vor ein paar Tagen verkündete, führte zu Fassungslosigkeit, Wut, Entsetzen – und auch zu Tränen. Die „Bild“-Hamburg-Redaktion, die größte Regionalredaktion des Boulevardblatts und mit ihrer Berichterstattung über Jahrzehnte eine feste Größe in der Medienstadt Hamburg, wird es vom kommenden Jahr an nicht mehr geben (Quelle: Auftragsblatt)

Gestern dies. Am Vortag die Erklärung, dass die Hamburger Morgenpost in Zukunft nur noch einmal die Woche in gedruckter Form erscheinen soll, Grund sind nicht nur die gestiegen Druck- und Logistikkosten, sondern auch die Einnahme-Erosion durch fehlende Werbe- und Anzeigenkunden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch das nun bei Funke Medien beheimatete Auftragsblatt nachziehen und kürzen wird. Die Übergangs-Zukunft liegt vorerst im Internet-Geschäft, aber auch hier gibt es inzwischen eklatante Rückgänge und diese Lösung wird nur eine temporäre sein. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen sollte einen die nicht mehr existierende journalistische Qualität nicht wundern, sondern sie wird durch eben diese Entwicklung hervorgerufen. Welcher Journalist legt sich denn heute noch quer, wenn er morgen bereits arbeitslos sein kann oder,  noch schlimmer, wenn ihm sein investigatives Engagement eventuell sogar den Kopf kosten könnte, weil Kritik nicht mehr gefragt ist, denn Kritik verkauft nicht. 

Es ist inzwischen viele Monde her, da lernte ich das Verlagsgeschäft bei dem innovativen Verlag der damaligen Zeit, Gruner + Jahr. Stern, Brigitte, Arte, SPORTS, Geo etc., das war damals journalistische Qualität der Endstufe, im Jahr 2023 existiert dieser Verlag nicht mehr. Gekauft von Bertelsmann, zerstückelt und abgewickelt von RTL. Wir alle wundern uns über gekaufte Hofberichterstattung, aber wir sollten uns nicht (mehr) wundern, denn dies wird in Zukunft eher noch schlimmer werden. In Zeiten, in denen sich investigativer Journalismus und kritische Unabhängigkeit nicht mehr nur nicht lohnen, sondern sich für den Schreiber am Ende noch als Boomerang erweisen könnten, bleibt die Wahrheit auf der Strecke. In Zukunft, aber das hatte ich in einem früheren Blog bereits beschrieben, wird Presse von KI erledigt, Maschinen „informieren“ uns über die Vorgänge in der Welt. Darüber, welche Auswirkungen fehlende objektive Presse auf Politik und Gesellschaft haben werden, möchte ich lieber nicht spekulieren, zu gruselig sind die Szenarien. Zukünftig werden wir nicht mehr wissen, wer was geschrieben hat, ob es ein Mensch oder ein lernender Computer war. Wir werden uns auf uns selbst und unseren sogenannten „gesunden Menschenverstand“ verlassen müssen und was das bedeutet, kann man bereits heute an Reaktionen im Netz, in Kommentarspalten und auf der Straße ablesen. 

Die Presse galt in früheren Zeiten mal als die 4. Macht innerhalb eines Staates und was es bedeuten wird, wenn es diese einst regulative Macht nicht mehr gibt, werde ich vielleicht noch am Rande miterleben, unsere Kinder und besonders Enkel werden in dieser Welt aufwachsen und damit leben müssen, dass Information alles sein kann, aber nicht unbedingt wahr. Mein herzliches Beileid. 

Eigentlich befinde ich mich ja in der Winterpause, aber es ergeben sich jeden Tag so viele neue Themen, dass ich fünf Blogs pro Tag schreiben könnte. Mir persönlich ist es nach wie vor ein Rätsel, wie man als Berufsblogger damit „fein“ sein kann, 90% seiner Blogs abzukopieren und selbst dann nun jeden zweiten oder dritten Tag etwas ins Netz zu stellen.