Morgens um 5 Uhr sehe ich, wie eine unscheinbare 23-jährige Femke Bol in Budapest als Schlußläuferin der 4 x 400m-Staffel auf der Zielgeraden die Staffeln aus Jamaika und England abkocht, während zuvor der zur Zeit beste deutsche Speerwerfer Julian Weber zum gefühlten 4.000sten Mal 4 wird. Gewonnen hat ein Inder vor einem Pakistani. Ich denke an die letzten Schwimm-Weltmeisterschaften, ich denke an die Fußball-WM der Frauen hier in Australien und Neuseeland, an die letzte WM der Männer möchte ich einfach nicht mehr denken. All dies ist nicht mehr symbolisch, es ist symptomatisch, denn Deutschland ist nicht nur dabei, in allen Teilbereichen des Lebens, des Sports, der Kultur, der Wirtschaft und der Entwicklung den Anschluss zu verlieren, dieser Prozess ist bereits vollzogen und nicht mehr umkehrbar. (Sportliches) Versagen gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire der Deutschen, wie das Zögern, Abwarten, die peinliche Unentschlossenheit des deutschen Kanzlers ebenso zu diesem Land gehört wie eine Ampel-Regierung, die sich gegenseitig mehr behindert als regiert. Dabei mache ich den Athleten noch den kleinsten Vorwurf, sie würden bestimmt gern gewinnen wollen, aber sie führen im Gesamtkontext ein Schattendarsein, wenn in anderen Ländern Leistung maximal gefördert wird. Gefördert wird in Deutschland aber nur noch, was Geld bringt, dabei hat man völlig aus den Augen verloren, welches Bild dieses Land abgibt, wenn die sportlichen Repräsentanten von Konkurrenten aus Uganda, Äthiopien, Mail, Belgien oder der Mongolei überrundet werden. 

 

 

Während in früheren Zeiten mit Respekt und Achtung vom Standort Deutschland gesprochen wurde, wenn Gary Linneker den Fußball als einen Sport von 11 gegen 11 bezeichnete, bei dem am Ende immer die Deutschen gewinnen, regiert heute flächendeckend Mitleid und es gibt nichts Schlimmeres als Mitleid. Deutschland hat sich im Laufe der Zeit zu einem Land der Mittelmäßigkeit entwickelt, heute wird täglich über tödliche Messerstechereien, aber nicht über Leistungen und Siege berichtet. Nobelpreise gehen grundsätzlich an diesem Land ebenso vorbei wie Goldmedaillen, man ist zwar immer noch das bevölkerungsreichste Land Europas, aber längst nicht mehr das führende. An Deutschland kann man sich nur noch dann orientieren, wenn man lernen möchte, wie man mit Mittelmaß zu Wohlstand kommt, denn Leistung lohnt sich nicht mehr. Der KSV ist hier auf so vielen Ebenen symbolisch, denn auch hier werden Dauerversagen und Minusleistungen als Kult verkauft, es lebe der Event. Wie sehr wollte sich der Fußball nach Covid-19 doch verändert haben, tatsächlich geändert hat sich nur, dass es noch schlimmer geworden ist. 

 

 

Wenn ich, der mittlerweile mehr als 1 1/2 Jahre in Australien lebt, mit Menschen aus meinem Heimatland spreche, dann höre ich zu 98%, völlig altersunabhängig: „Wenn ich könnte, würde ich lieber heute als morgen verschwinden. Es ist nicht mehr sicher, an den Schulen herrscht das absolut Chaos, Ärztemangel, als Deutscher hast du das Gefühl, Ausländer im eigenen Land zu sein“. Hier in Australien sind die Leute noch stolz auf ihr Land, vollkommen unabhängig, ob die Eltern aus Griechenland, England, Indien oder Vietnam kamen, es geht also durchaus. In Deutschland sind Parallel-Gesellschaften entstanden, in denen Menschen, die seit 30 Jahren im Land leben, kein Wort Deutsch sprechen, so etwas ist in jedem anderen Land der Welt absolut undenkbar, in der BRD ist dies Standard. Im Laufe der Geschichte haben sich viele Gesellschaften an die Spitze gearbeitet und sind nach Jahren der Vorherschaft später abgestürzt. Athen, Rom, das Mongolische Reich, Alexander der Große. Deutschland ist dabei, sich selbst abzuschaffen und zwar dauerhaft. Zum Glück werde ich es nicht mehr erleben, aber ich möchte dieses Land in 40 oder 50 Jahren nicht sehen, wahrscheinlich muss man aber gar nicht so lange warten. 

In meinem Heimatland ist es inzwischen wichtiger, eine Diskussion darüber zu führen, ob der Mannschaftskapitän eine Regenbogenbinde tragen darf oder nicht, als im direkten Duell die Japaner zu schlagen. Es ist wichtiger, dass man Gendersternchen richtig setzt, um bloß niemanden zu diskriminieren, der sich durch Formulierungen wie „Liebe Schülerinnen, liebe Schüler“ nie diskriminiert gefühlt hat, als den korrekten Umgang mit der eigenen Sprache zu lernen. Es ist wesentlich wichtiger, dass man jemanden, der in aller Öffentlichkeit ein Zigeunerschnitzel bestellt, vor aller Augen den reinigenden Flammen übergibt, als Lehrer und besonders Lehrerinnen vor Respektlosigkeiten und Übergriffen zu schützen. In Deutschland macht sich eine Minderheit zum gesetzgebendenen Sprachrohr, während der Großteil der Bevölkerung resigniert den Kopf schüttelt. Im Zuge dessen gewinnt eine rechtsradikale Partei ohne jegliches umsetzbares Konzept Prozent um Prozent, doch anstatt sich an die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zu erinnern, bremsen sich die amtierenden Minister gegenseitig aus. Dieses Land gibt ein Bild des Jammers ab und das hat absolut nichts mit „German Angst“ zu tun, sondern ist die traurige Realität.