Es gibt da diese eine Straße in Hamburg, eine ganz normale Straße in einem ganz normalen Stadtteil. Vollkommener Durchschnitt, Mehrfamilienhäuser, teilweise auch Einzelhäuser, ein paar Wohnblöcke. Die Menschen sind zumeist normale Angestellte, Handwerker, also ein Abbild des Mittelstandes. Eigentlich kommen auch alle gut miteinander aus, man hilft sich gegenseitig, wenn es nötig ist, viele Kinder sind miteinander befreundet, es sind Freundschaften entstanden. Und dann ist da diese eine Familie. Sie lebt in einem ziemlich abgewrackten Haus, welches eigentlich nur noch deshalb halbwegs steht, weil sich die Familie durch irgendeinen Schwindel einen Sanierungszuschuß von der Stadt erschlichen hat. Der Vater der Familie ist ein ziemlicher Widerling, größtenteils arbeitslos, überheblich bis zum Geht-nicht-mehr, ein echter Kotzbrocken. Mit ihm ist niemand befreundet, er wird durch Bank gemieden, jeder sieht ihn am liebsten von hinten. Doch der eitle Intrigant sucht die Gründe für diesen Zustand nicht etwa bei sich und seinem Verhalten, nein, für ihn sind grundsätzlich alle andere doof, unwichtig, seiner nicht würdig. Der Vater der Familie hat sich in diversen Jobs versucht und ist immer kläglich gescheitert, aber auch hier gilt: Schuld haben die Anderen, die seine Genialität nicht begreifen. Eigentlich hätte die Familie schon längst ausziehen und ins Armenhaus umsiedeln müssen, aber angeblich gibt es da einen reichen Großonkel in der Schweiz, der ab und zu mal etwas überweist, außerdem nimmt die Familie einen Kredit am nächsten auf.

Und dann gibt es den Sohn. Er sieht nach nichts aus, ist unterdurchschnittlich groß und mehr als unterdurchschnittlich intelligent. Fürs Gymnasium hat es nie gereicht, man hatte es ein Jahr lang versucht und musste dann einsehen, dass dies eine Nummer zu groß war. Nun hat es der Trottel tatsächlich geschafft, fünfmal in Folge auf der Realschule sitzenzubleiben. Obwohl der Großonkel aus der Schweiz Gelder für Nachhilfe bereitstellt, obwohl die Stadt in seinem Fall die Normen gebeugt hat und obwohl die Lehrer mehr als einmal ein Auge zudrücken, schafft der junge Mann die Versetzung in die nächste Klasse nicht. Natürlich, dies ist ein Familien-Merkmal, liegt es nicht an ihm, alle anderen sind Schuld. Er selbst und seine Familie sieht ihn eigentlich am Ende eines Studiums der Kern-Physik, dabei kann er nicht einmal Bruchrechnen. Und eines zeichnet sowohl Sohn wie auch den Rest der Familie aus: Sie haben die größte Fresse der gesamten Straße. Ständig prahlen sie mit irgendwelchen Geschichten, die sich grundsätzlich kurze Zeit später als Luftnummern oder als platte Erfindungen rausstellen, was aber für die gesamte Familie kein Grund ist, mit dieser Art aufzuhören, im Gegenteil. Die erfundenen Geschichten werden immer grotesker, die Sprüche immer großkotziger.

Wahrscheinlich wundert es niemanden – diese Familie hat nicht einen einzigen Freund. Die Nachbarn drehen sich weg, wenn eines der Familienmitglieder auftaucht, niemals werden sie eingeladen, diese Familie ist in der gesamten Straße verhasst und jeder betet inständig, dass sie doch bloß endlich ausziehen würden, damit man die dämliche Prahlerei, die ekelhafte Arroganz und die dummen Gesichter nicht mehr sehen muss. Denn im Leben dieser Familie Trümmerbruch ist kein Platz für kleine Brötchen, es muss immer das höchste Regal sein, obwohl man sich in Wahrheit ohne fremde Hilfe nicht einmal Bückware leisten kann. 

In diesem Sinne…