Ferrari, Rolex, Armani oder wahlweise Gucci hier, Gucci da. Villa in Bogenhausen oder Luxuswohnung in der Hafencity. Berater, die einem das Denken (und das Verhandeln) abnehmen, in jedem Club und jeder Bar wird man hofiert. Probleme etwas zu bekommen, kennt ein Fußball-Profi nicht. Einmal am Tag, die ätzende Vorbereitungsphase vor der Saison einmal ausgenommen, Training und der Rest des Tages ist Party.

Dieses Bild eines verwöhnten Söldners wird oft und gern in der Öffentlichkeit und auch in den mehr oder weniger meinungsbildenden Medien gespielt und wahrscheinlich gibt es sogar Spieler, deren Leben sich so oder ähnlich abspielt.

Es geht mir heute auch gar nicht darum, um Mitleid oder Verständnis zu werben, sondern vielmehr darum, die Realitäten fernab der Messi’s, Ronaldo’s oder Bale’s aufzuzeigen.

Die Spieler, die es geschafft haben, Profi bei einem Erst- oder Zweitligaclub irgendwo auf der Welt zu werden, haben sich ihren Kindheitstraum verwirklicht, nahezu jeder kleiner Junge auf nahezu jedem staubigen Bolzplatz träumt davon, sein Geld irgendwann einmal mit seinem liebsten Hobby zu verdienen. Sie alle sehen die Ribery’s und die Robben’s jedes Wochenende auf SKY, sehen, wie diese bejubelt werden. In irgenwelchen Magazinen kann man dann nachlesen, welchen Lamborghini sich Herr Wiese in welcher Farbe von seiner Hoffenheimer Abfindung geleistet hat. Und es sieht für die Jungs so einfach aus, man muss doch einfach nur schneller laufen und härter schießen können, als Stefan oder Achmed aus dem Nebenhaus.

Knallharte Selektion

Wenn es doch nur so wäre. Die Realität sieht anders aus, denn auf dem Weg zu Ruhm und Reichtum steht ein nahezu darwinistischer Selektionsprozess.

Insgesamt gibt es in Deutschland ca. 1.000 Lizenzspieler in den ersten beiden Ligen (18 Verein/durchschnittlicher Kader von 28 Spielern), wenn man an dieser Stelle die 3. Liga vernachlässigt.

(Quelle:http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5992/umfrage/anzahl-der-lizenzspieler-in-der-bundesliga-1992-2009/)

Der Ausländeranteil in der Bundesliga liegt je nach Verein zwischen 50 und 60%, gehen wir also der Einfachheit halber davon aus, dass nur jeder zweite Profi in Deutschland ein Deutscher ist, wir sind also bei 500 Fußballern in diesem Land.

In diesem Land leben zur Zeit 80,8 Millionen Menschen, davon sind ca. 39 Mio männlich. Ungefähr 20% dieser Jungen sind unter 18 Jahre alt, also 7.8 Mio. Geht man davon aus, dass vielleicht jeder dritte Junge davon träumt (in meiner Kindheit träumte mindestens jeder Zweite davon), seinen Lebensunterhalt später als Bundesliga-Profi verdienen zu können, so reden wir hier von knapp 2,5 Millionen Menschen. Am Ende bleiben pro Jahr 500 übrig, ignoriert man das Verhältnis zwischen Fluktuation (Karriere-Ende, Abwanderung ins Ausland etc) und der Geburtenrate.

Um sich als einer dieser 500 gegen die restlichen 2,5 Millionen durchzusetzen, muss ein junger Fußballer auf vieles verzichten und er muss darauf verzichten, ohne die Garantie zu bekommen, dass er irgendwann tatsächlich in München, Dortmund, Bremen oder Mainz auf dem Platz landet. Es sind Tausenden und Aber-Tausende, die trotz Talent, Engagement, Hingabe und Fleiß auf der Strecke bleiben und die irgendwo in den Niederungen zwischen Regional – oder Kreisliga kicken, ohne davon wirklich leben zu können.

„Verletzungen gehören zum Fußball dazu“

Hat man es dann trotz aller Widrigkeiten geschafft, kann es schneller vorbei sein als man schießen kann. Ein falscher Schritt, ein blödes Foul und eine ganze Saison kann von einer Sekunde auf die andere im Eimer sein. Ein Spieler wie Holger Badstuber beispielsweise, der mit größter Wahrscheinlichkeit am 13.07.2014 mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister geworden wäre, kann jetzt nach knapp 19 Monaten das erste Mal wieder in Testspielen mitwirken. Dieses Damokles-Schwert schwebt über jedem Profikicker und er muss es jeden Tag ignorieren – wenn er denn kann. Was im Kopf eines Spielers vor sich geht, der mit Anfang 20 seinen ersten Kreuzbandriß hatte, kann kein Büroangesteller ermessen, aber der Büroangestelle kann den Spieler im Internet als „Scheiß-Söldner“ oder „Nichtskönner“ abkanzeln. Das geht.

Wie die Auswertung der Fragebögen und zusätzlicher Daten der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) der Fußballer ergab, kam kein einziger der Kicker in der Saison 2005/2006 ohne Verletzung davon. Durchschnittlich erlitten die Fußballer eine leichtere und eine schwere Verletzung pro Jahr.

„Umgerechnet auf einen Mannschaftskader bedeutet dies, dass 13,5 Prozent der Spieler permanent nicht einsetzbar sind“, berichtet der Bochumer Sportmediziner Dr. Thomas Henke.

Das heißt: Bei jedem Bundesliga-Verein fallen im Schnitt pro Saison drei komplette Spieler aufgrund von Blessuren aus.

So oder so ein teures Dilemma. Denn die Behandlungs- und Personalkosten für lädierte Waden, Knie oder Muskeln belaufen sich auf mindestens 90 Millionen Euro – pro Saison.

(Quelle: http://www.scinexx.de/dossier-detail-403-9.html)

 

Bei männlichen erwachsenen Fußballspielern wird die
durchschnittliche Verletzungsrate mit 6 – 10 pro 1000 Spielstunden angegeben. Verletzungen treten im Spiel drei- bis zehnfach häufiger auf als im Training (z.B. englische Liga im Training 3,4, im Spiel 25,9 Verletzungen pro 1000 Spielstunden) (29). Durchschnittlich verletzt sich ein Spieler pro Saison ca. zweimal (34). Ca. 10 – 20 %
der Verletzungen führen zu einem Trainingsausfall von mehr als vier Wochen (37).
(Quelle: http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2013/Heft_1/20_%C3%9Cbersicht_Schmitt.pdf)

Ich kann mir gut vorstellen, was bei einigen jetzt kommt. „Ja gut, aber dafür verdienen sie ja auch Millionen“. Tun sie das?

Die durchschnittlichen Gehälter der Fußballspieler werden in der 1. Bundesliga auf ca. 20.000 bis 25.000 Euro monatlich geschätzt (plus Bonus), was allerdings immer noch deutlich über dem Gehalt eines herkömmlichen Arbeitnehmers liegt. Ein Zweitligaspieler liegt mit 7.000 bis 15.000 Euro aber schon sehr weit entfernt von den Summen eines Weltstars und ein Spieler der dritten Liga kann mit ca. 3000 bis 6000 Euro pro Monat deutlich weniger als ein Pilot verdienen.

(Quelle: http://www.fussballspieler.de/gehaelter-der-fussballspieler.html)

Lizenzspieler in Deutschland verdienen gut, sie verdienen sogar sehr gut. Allerdings sollte man vor Beginn der Neiddebatte bemerken, dass Spieler wie Lahm, Ribery, Müller oder Robben die absolute Spitze der Nahrungskette sind. Diese Spieler verdienen auch nicht soviel Geld, weil sie sooo viel besser sind, als anderen. Sie verdienen soviel Geld, weil es der Markt hergibt und weil die Vereine es zu zahlen bereit sind.

Man könnte noch endlos weiterschreiben, wenn man wollte. Über die Angst, des 27-Jährigen Ex-Nationalspielers, demnächst vom 18-Jährigen Newcomer ersetzt zu werden. Von dem Spieler, der sich für „seinen“ Verein entschieden hatte, um dann in den nächsten 3 Jahren an drei verschiedene Vereine in drei verschiedenen Ländern mit drei verschiedenen Sprachen verliehen zu werden. Über Spieler, die im Juli mit zahlreichen Versprechungen geholt wurden, um dann im Dezember zu hören, dass sie unerwünscht sind. Über Spieler, die wegen eines bestimmten Trainers zu einem Verein wechselten, um dann am ersten Arbeitstag zu realisieren, dass der Trainer nicht mehr da ist und ihn der neue Trainer gar nicht will. Und man könnte über die Rolle der Medien schreiben, bei denen sich Typen, die es selbst nicht zum Profi gebracht haben, über die Spieler das Maul zerreißen, weil sie vor Neid zerfressen sind. Wo Typen, die von dem Spiel weniger als Null Ahnung haben, im Anschluss an ein Spiel Schulnoten verteilen, augrund derer die Spieler dann niedergemacht werden. usw usw

Gestern wechselte beispielsweise ein 1,80 m großer Kolumbianer namens James Rodriguez für geschätzte € 80 Mio von Monaco nach Madrid. Die Frage, ob dieser Spieler, ob überhaupt irgendein Spieler solche Summen wert ist, stellt sich überhaupt nicht. Solange Vereine wie Real € 100 Mio für Bale oder Barcelona mehr als € 100 Mio für Neymar bezahlen können und wollen, solange wird das passieren.

Die „Begleiterscheinungen“

Aber – zu welchem Preis? Rodriguez führte bisher in Monaco ein halbwegs unerkanntes Leben, damit ist es jetzt vorbei. Ab sofort wird jeder Schritt unter die mediale Lupe genommen, der Mann kann keinen Schritt mehr ohne Überwachung aus dem Haus machen. Im Internet kann man mit größter Wahrscheinlichkeit binnen Minuten nachlesen, in welchem Restaurant er gerade gegessen hat und jeder Fehlschuss wird ihm via WWW Verachtung, Häme und Hass einbringen. Seine Kinder können nur noch in Begleitung von Bodyguards zu Schule und sollte Papa einen Elfmeter verschießen, haben die Kleinen dort eine Woche lang wenig Spaß am Leben.

Das alles wollte der damals 9-jährige James garantiert nicht, der wollte kicken. Vielleicht wollte er auch etwas von der Welt sehen und garantiert wollte er reich werden. Jetzt aber bezahlt er einen Preis, den Fußballer bis vor ca. 10 Jahren in dieser Form nicht zahlen mussten.

Natürlich wurden auch die Breitners und Netzer’s auf der Straße angemosert, aber das direkte Anmosern fällt dem geneigten Pöbelfan in der Regel schwerer, als seinen Lebensfrust via Internetmedien in drittklassigem Deutsch abzusondern.

Hier wird geledert, was das Zeug hält. Es gibt Vögel (als normale Menschen würde ich sie nicht bezeichnen wollen), die leben im Netz. Täglich bis zu 18 Stunden wird jede schwachsinnige Seite durchwühlt, weil – man könnte ja etwas verpassen.

Ich denke, allzu häufig wird der Fehler begangen, einen professionellen Fußballer mit irgendeiner anderen Berufsgruppe zu vergleichen. Im Grunde sind es Künstler, die anders bewertet werden müssen, nicht als Menschen, aber als Berufstätige. Es gibt nur sehr wenige von ihnen, gemessen an der Masse der Bevölkerung. Sie sorgen für Unterhaltung und Entertainment und sie füllen die Kassen von zahlreichen Unternehmen. Nicht umsonst engagieren sich zahllose Firmen im Fußball-Business, sie machen das, weil es sich für sie lohnt.

Außerdem bin ich der Meinung, dass man den Jungs oder jungen Männern ein wenig mehr Respekt und deutlich mehr sozialen Freiraum gewähren sollte. Zumindest soviel, wie man selbst für sich in Anspruch nehmen möchte.

By the way: Begriffe wie „Ladenhüter“, „Altlasten“ oder auch „Säuberungen“ sagen nicht nur im Zweifelsfall mehr über den asozialen Autoren aus, als über diejenigen, die er damit meint.

 Dieter Matz: „Ob das in diesem Jahr schon gelingt, ist fraglich, aber spätestens im nächsten Sommer darf von einer Säuberungswelle geschrieben werden…“