Es war ein Sonntag, dieser 18. Mai 2014, der Tag, an dem der HSV begriff, dass er sterblich ist. Um 18.50 Uhr hatte der sterbende Patient mit Hilfe von zahlreichen Organspendern das Gröbste überstanden, die Intensivstation konnte aber bis heute nicht verlassen werden. Und das, obwohl einige Krankenhausbesucher jetzt bereits wieder der Meinung sind, der Patient, der im Mai dieses Jahres bereits das helle Licht sehen konnte, wäre in 4 Wochen schon wieder in der Lage, einen Marathon laufen zu können.

Tatsache ist aber nun mal: Wenn man mit lediglich 27 Punkten aus 34 Spielen bei 75 Gegentoren mit Ach und Krach die Klasse gehalten hat, muss in der Vergangenheit so ziemlich alles verkehrt gemacht worden sein, was man nur verkehrt machen kann.

Im Fall des Hamburger Sport Vereins war es dringend notwendig, nicht nur an den Stellschrauben innerhalb der Mannschaft zu drehen, nein beim HSV musste der komplette Verein „auf links“ gedreht werden.

Neue Struktur, neuer Vorstandsvorsitzender, neuer Nachwuchs-Koordinator, neuer Sportchef, neue Philosophie. Das, was bei anderen Vereinen in solchen Situationen als Erstes getauscht wird, blieb in Hamburg erhalten. Mirko Slomka erhält von Vorstand Beiersdorfer die Chance, seine wahren Fähigkeiten mit einer Vorbereitung nach seinen Vorstellung und einer Mannschaft, die seiner Spielphilosophie entspricht, nachzuweisen. Aber obwohl Beiersdorfer ein deutliches Statement bzgl. Slomka’s Halbwertzeit abgegeben hat, bin ich mir zu fast 100% sicher, dass der Name Thomas Tuchel in Hamburg zumindest in den Gehirnen spukt.

Unvergessen ist die tragische Geschichte, dass ausgerechnet Beiersdorfer es war, der ein Engagament des damaligen Mainzer Trainers Jürgen Klopp verhinderte, weil dieser als unpünktlich galt und die falschen Jeans trug. Beiersdorfer wollte Rutten, Hoffmann wollte Klopp, man einigte sich auf Jol. Das Ergebnis ist bekannt.

Nun macht der wohl größte Hoffnungsträger unter Deutschlands Übungsleitern ein Guardiola-mäßiges Sabbatical, aber spätestens 2015 ist Tuchel wieder auf dem Markt und ob sich Beiersdorfer ein zweites Mal vorwerfen lassen möchte, einen Trainer dieser Klasse zui ignorieren, möchte ich bezweifeln.

Nachdem in Hamburg nach der Horrorsaison 2013/14 so gut wie alles verändert wurde, ist es Zeit, auch das zu verändern, was für die mangelhafte Punkte-Ausbeute verantwortlich zeichnete – die Mannschaft.

Bisher verließen den Verein: Calhanoglu, Tesche, Rincon, Mancienne, Aogo, Lam, Sobiech (verliehen), Neuhaus (Karriereende), Bouy (war geliehen), John (war geliehen).

Neu hinzu kamen bisher: Djourou (Kauf nach Leihe), Lasogga (Kauf nach Leihe), Kacar (war verliehen), Skjelbred (war verliehen), Rudnevs (war verliehen), sowie die Nachwuchsspieler Steinmann, Jung, Brunst und Müller.

So richtige Neuzugänge sind bisher nur Zoltan Stieber (25/Fürth) und jetzt Valon Behrami (29/Neapel)

Bedenkt man, dass die Mannschaft vom Vorjahr, die nur denkbar knapp den Abstieg vermieden hat, mit Leistungsträgern wie Calhanoglu, Aogo und auch Mancienne Spieler abgegeben hat und einige Spieler zurückgeholt hat (Rudnevs, Skjelbred, Kacar), von denen man im letzten Jahr der Meinung war, sie könnten einem Fast-Absteiger nicht helfen, so mutet das bisher außerordentlich dünn an.

Betrachtet man auch die aktuellen Gerüchte (Müller/26, Santana/28, Moisander/28) und den gekauften Behrami/29, so fällt auf, dass sich der HSV offenbar dafür entschieden hat, auf erfahrene und gestandene Profis zu setzen, anstatt das erneute Risiko eingehen zu wollen, mit jungen Spieler eine weitere Zittersaison hinzulegen.

Nachteil bei Spielern wie Behrami, Moisander und Co. ist nur: Sie haben nach Ablauf ihres Vertrages nahezu keinen Wiederverkaufswert und der HSV ist traditionell klamm.

Wie aber haben andere Mannschaften, die die Relegation erfolgreich überstanden haben, in der darauffolgenden Saison reagiert?

Ich möchte hier absichtlich nur Bundesligisten betrachten, die die Klasse gehalten haben. Bei aufgestiegenen Zweitligisten ist die Situation aufgrund von finanziellen Gegebenheiten etc. eine vollkommen andere.

Am Ende der Saison 2012/13 rettete sich die TSG Hoffenheim durch zwei Spiele gegen den 1. FC Kaiserslautern und blieb der Bundesliga erhalten. In der darauffolgenden Transferperiode wurden folgende Spieler verpflichtet:

u.a. Modeste (25), Elyounoussi (25), Nazario (18), Akpoguma (18), Hamad (23)

Abgegeben wurden u.a.: de Carmago (30), Williams (24), Derdiyok (25), Delpierre (32), Chris (34)

Fazit: In Hoffenheim war man offensichtlich der Meinung, dass es innerhalb der Mannschaft nur wenig Veränderung bedurfte. Man trennte sich von einigen älteren Spielern, holte u.a. Modest aus Bordeaux und man hatte einen relativ neuen Trainer (Gisdol, Amtsantritt 02.04.2013).

Resultat: Hoffenheim wurde in der nächsten Saison 9.

Am Anschluss an die Saison 2010/11rettete sich Borussia Mönchengladbach durch ein 1:1 gegen den VFL Bochum in der Relegation.

In der folgenden Transferperiode verpflichteten die Gladbacher u.a. folgende Spieler:

Ring (20),  King (19), Wendt (25), Leckie (20),  Zimmerman (19), Rupp (20)

Agegeben wurden u.a.: Bobadilla (24), Bradley (24), Matmour (26), Bailly (25), Levels (24), Idrissou (31), Stalteri (31)

Fazit: Keine großen (namhaften) Verpflichtungen nach dem Fast-Abstieg, dafür aber der Abgang einiger (Pflegefälle) wie Idrissou und  Bobadilla. Lucien Favre war als Trainer ebenfalls noch relativ frisch dabei (Amtsantritt: 14.02.2011)

Resultat: Gladbach beendete die Saison 2011/12 als Tabellen-4.

Nach der Saison 2009/10 konnte der 1. FC Nürnberg in zwei Spielen gegen den FC Augsburg die Klasse halten. Im Anschluss verpflichtete man in Nürnberg folgenden Spieler:

Schieber (21), Nilson (27), Mak (19), Cohen (21), Ekici (20/ausgeliehen), Hegeler (22/ausgeliehen). Aus dem eigenen Nachwuchs kamen Wollscheid, Chandler, Plattenhard und Batz dazu.

Abgänge nach dem Fast-Abstieg: Diekmeier (20), Spiranovic (22), Reinhard (25), Broich (29), Mnari (33), Gygax (32), Charisteas (30/war ausgeliehen), Boakye (28)

Resultat: Die Nürnberger beendeten die Saison 2010/11 als Sechster. Trainer war seit dem 22.12.2009 Dieter Hecking

Was kann man nun aus diesen Daten lernen? Zuerst einmal, dass sich jeder Bundesligist, der sich über die Relegation gerettet hat, in der nächsten Saison wesentlich erfolgreicher war als zuvor. Keiner der Mannschaften geriet, zumindest in der unmittelbar darauffolgenden Saison in Abstiegsgefahr, im Gegenteil. Bei den Gladbachern und Hoffenheimer begann nach dem Fast-Abstieg sogar eine erfolgreiche Vereinsphase, lediglich die Nürnberger lernten scheinbar nicht hinzu.

Es fällt ebenfalls auf, dass keine der Mannschaften im Anschluss an die Relegation größtenteils auf ältere und gestandene Spieler setzte, was aber auch damit zusammenhängen wird, dass sich besonders die Hoffenheimer und Nürnberger aus dem eigenen Nachwuchs bedienen konnte, was der HSV beispielsweise (noch) nicht kann.

Das Transferfenster ist noch ist noch bis zum 02.09.14 (12.00 Uhr) geöffnet und es kann spannend werden, von welchen Spielern sich Beiersdorfer noch trennen möchte, zumal die Kaderkosten gesenkt werden sollten und Spieler wie Behrami nicht für ein Butterbrot spielen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, als hätten sich die Kaderkosten gegenüber der Vorsaison eher erhöht.