Seit einigen Jahren (Ich habe versucht, es herauszufinden, aber nichts entdecken können) gilt im Wettbewerb DFB-Pokal: In den ersten beiden Hauptrunden wird aus zwei unterschiedlichen Lostöpfen gezogen. Top1 besteht aus den Amateuren bis hoch zur 3. Liga. In Topf zwei sind die Kugeln der Bundes- sowie Zweitligisten. Dies hat zur Folge, dass die Amateurteams bis zur 3. Hauptrunde grundsätzlich Heimrecht genießen, sollten sie dann noch im Rennen sein. Für die Profi-Mannschaften aus erster und zweiten Liga bedeutet es, dass man zu Beginn des Wettberwerbs grundsätzlich ein Auswärtsspiel zu bestreiten hat, wenn man auf einen Amateur trifft  Vorausgesetzt, man übersteht die erste Runde.

Hier kommen wir zum Knackpunkt bzw. zum Thema des Blogs. Jährlich wiederholt sich das für Amateure großartige, für die Profis scheinbar peinliche Szenario, dass eine hocheingeschätzte Mannschaft eines Bundesliga-Vereins bei einem Underdog aus Liga 3 oder 4 die Segel streichen muss. Der Hohn der gesamten Republik und der Zorn der eigenen Fans ist ihnen gewiss.

Rein rechnerisch nicht möglich

Wie aber kann sowas passieren? Wie kann eine Mannschaft, teilweise gespickt mit Nationalspielern gegen ein Team aus Feierabendfußballern nach 90 Minuten nicht gewinnen ? Wie konnte es in der ersten Runde des diesjährigen Wettbewerbs passieren, dass der VFB Stuttgart (Marktwert laut tm.de: € 98,70 Mio) gegen den VFL Bochum (Marktwert: € 12,78 Mio) verliert? Wie können die Mainzer (Marktwert: € 64,88 Mio) in Chemnitz (Marktwert: € 5,05 Mio) den Kürzeren ziehen? Das ist doch nicht möglich.

Und doch passiert es immer wieder und es wird auch in Zukunft immer wieder passieren. Die Gründe hierfür sind weit tiefgehender als einfach nur „die Scheiß-Millionäre haben mal wieder nicht alles gegeben“

Die Psychologie

Jeder, der selbst einmal Fußball gespielt hat, kennt das Phänomen. Man spielt gegen ein Team, welches auf dem Papier, laut Tabellenstand oder nach scheinbarer Formkurve dem eigenen unterlegen ist. Diese Wissen steckt im Kopf und es ist nicht auszublenden. Der jeweilge Trainer wird sich den Mund fusselig reden, er wird Analysen des Gegners vorlegen, auf dessen Stärken hinweisen und und und. Im Kopf der Spieler steckt trotz allem: „Ist ja alles schön und gut, aber die können doch nichts“. Dies ist gar keine böse Absicht, noch ist es überheblich oder großkotzig. Es ist natürlich, dass man die Fakten nicht ausblenden kann.

Dabei ist diese Denkstruktur unbewußt, auch wenn sich jeder Spieler des überlegenen Teams fest vornimmt, den Gegner und das Spiel so ernst wie jedes Bundesliga-Match zu nehmen. Ein paar Prozent fehlen immer und diese können mit ein wenig Pech ausschlaggebend sein.

Denn im Umkehrschluss passiert beim unterlegenen Team das genaue Gegenteil, hier hat man das Spiel des Jahres, vielleicht des Lebens vor der Brust. Was für den Gegner eine lästige Pflichtaufgabe auf einem Dorfplatz ist, ist für den „Kleinen“ das Highlight des Jahres. Bereits Wochen vorher fiebert die gesamte Region auf dieses Spiel hin, es werden Energien freigesetzt.

„Denen zeigen wir, dass auch Amateure aus XXX kicken können..“

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt: Der Höherklassige kann in diesem einen Spiel nur verlieren, der Außenseiter nur gewinnen. Ein Bundesligist, der bei einer Mannschaft aus der Regionalliga antritt und mit weniger als 5 bis 7 Toren nach Haus kommt, hat sich im Grunde schon blamiert. Dagegen ist ein akzeptables Ergebnis einer Mannschaft aus der 3. Liga gegen ein Team aus der Bundesliga bereits ein Riesenerfolg, beide Mannschaften wissen das und gehen entsprechend aufs Feld.

Die Dynamik des Spielverlaufs

Alles, was bisher beschrieben wurde, steckt in den Köpfen der Spieler und damit geht es auf den Platz. Was in den nächsten 90 Minuten passiert, ist maßgeblich vom Spielverlauf abhängig, sprich: Je länger der Unterdog ein 0:0 halten kann, desto schwerer werden die Beine des Favoriten. Während in den Köpfen der Amateure plötzlich der Gedanke „Hey, die sind ja auch nur aus Fleisch und Blut und haben auch nur zwei Beine“ aufkommt, verfestigt sich bei den Profis die Angst „Verdammt, das ist doch schwerer als gedacht, hoffentlich geht das nicht schief“ von Minute zu Minute.

Jetzt noch ein Tor für den Außenseiter oder eine rote Karte für die Profis und das Unheil kann seinen Lauf nehmen. Während sich die „Kleinen“ in jeden Ball werfen und rennen, als gäbe es kein Morgen, möchte sich beim Profiteam auch keiner der Akteure eine schwere Verletzung in so einem Bananenspiel zuziehen und eine Woche vor Beginn der Bundesliga-Saison seinen gerade erst erkämpften Stammplatz verlieren, weil er sich in Waldmichelbach einen Bluterguss zuzog.

Andersrum wird allerdings eben auch häufig ein Schuh draus. Erzielt der Favorit ein frühes Tor und legt schnell ein Zweites nach, ist der Drops zumeist gelutscht. Die Amateure merken, dass es die Profis Ernst meinen und sie erkennen frühzeitig den Qualitätsunterschied. Die Folge ist dann häufig, dass die „Kleinen“ die Köpfe hängen lassen und am Ende abgeschossen werden. Ihre eigene Dynamik von vor dem Spiel hat sich gegen sie gewandt.

Fazit: Ein Erfolgsrezept gibt es weder für den Einen noch den Anderen. Die Profis sollten ein Erstrunden-Match im DFB-Pokal mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit angehen, dann ist ein Erfolg wahrscheinlich, wenn auch nicht garantiert. Die Amateure sollten ihre Leichtigkeit und die Freude über dieses Spiel bewahren, dann haben sie mit viel Glück sogar eine Chance, das Spiel offen zu gestalten.

Wenn aber immer noch jemand denkt, dass man mit Team aus der 3. oder 4. Liga Kanonenfutter vorgesetzt bekommen hat, dann macht er den ersten großen Fehler. Die Mannschaften der 3. Liga verdienen vielleicht nicht erstklassig, sie trainieren dennoch unter Profibedingungen und auch die Regionalliga-Mannschaften stehen jeden Tag auf dem Platz. Kicken können die auch und laufen erst recht.