Exklusiv-Interview mit Horst Hrubesch, Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft

Liebe Leser,

vor einigen Wochen hatte ich die Gelegenheit auf ein Exklusiv-Interview mit U21-Nationaltrainer und HSV-Legende Horst Hrubesch. Wie bekannt ist, gibt Hrubesch so gut wie keine Interviews, umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle für seine Bereitschaft und seine Offenheit bedanken, mir auf meine Fragen zu antworten. Das Interview selbst in Horst’s Küche hat nicht nur extrem viel Spaß gemacht, ich habe auch viel über Nachwuchsarbeit und Taktik lernen können. Zum Thema HSV bzw. HSVPlus wollte Horst Hrubesch aus verständlichen Gründen keine Fragen beantworten. Viel Spaß beim lesen.

 

HSV-Arena: „ Was hat dir eigentlich mehr Spaß gemacht? Trainer einer Profi-Mannschaft oder Trainer einer Jugendmannschaft zu sein?

Horst Hrubesch: „Ich hatte von Anfang an Spaß an der Geschichte. Ich habe mich schon ganz früh dafür interessiert, aber nie daran geglaubt, dass ich tatsächlich Trainer werde. Grundsätzlich war für mich die Kommunikation immer wichtig. Was zeichnet eine Mannschaft aus?  Die Erkenntnisse daraus haben dann auch Einfluss auf meine Tätigkeit als Trainer genommen. Wie kannst du Erfolg haben? Worauf baust du Erfolg auf? Entscheidend ist am Ende nur, ob du Ziele hast oder nicht.“

HSV-Arena: „Bedeutet im Detail?“

HH: „Ich habe immer das gemacht, wo ich ein gutes Gefühl gehabt habe. Das war der Wechsel damals von Essen nach Hamburg und so war es später als Trainer dann auch. Trainer bin ich im Grunde von heute auf morgen geworden, ohne, dass ich da lange überlegen konnte. Mein Problem ist allerdings, das war als Spieler schon so und ist als Trainer so geblieben, dass ich gerade bin. Wenn ich merke, dass ich damit an die Grenzen stoße, dann lass‘ ich’s sein. Das Glück, welches ich vielleicht nicht gehabt habe: Ich habe keine großen Mannschaften trainiert, wobei ich sagen muss, dass besonders das Traineramt bei Samsunspor in der Türkei einer der besten Jobs war, die ich je gehabt habe.  Von den Möglichkeiten, von der Mentalität, das war wie eine Religion.

Wenn ich heute zurückblicke, sowohl auf meine Karriere, wie auch auf mein Leben, ich würde keine Minute zurückgeben wollen.“

HSV-Arena: „Du bist nun lange im Nachwuchsbereich des DFB tätigt, einer Tätigkeit, bei der man ganz bestimmte Voraussetzungen mitbringen muss. Der Blick für das Talent, die Idee, wie sich ein Spieler entwickeln könnte.  Ganz konkret: Worauf achtest du bei der Beobachtung eines Spielers?“

HH: „Ich habe mit Nachwuchsarbeit bei Standard Lüttich begonnen, als ich selbst noch gespielt habe. Wir haben damals nur einmal am Tag trainiert, so dass ich am Abend mit der U17 bis U 23 nochmal mit trainiert habe. Ich wohnte damals direkt am Trainingsplatz, so dass ich alles beobachten konnte. Um die Frage zu beantworten – du muss es wollen, du muss dich damit auseinandersetzen wollen. Du sprichst natürlich auch mit den Trainern, unten denen die Spieler arbeiten. Das Talent siehst du irgendwann, für mich ist dann wichtig: Welche Charaktereigenschaften hat der Spieler? Ist er bereit zu arbeiten oder will er das Ganze nur als Hobby betreiben? Will der Spieler nur von seinem Talent leben? Wenn der Spieler den nächsten Schritt gehen will, dann muss er bereit sein, zu arbeiten und vor allem muss er auch Spaß daran haben. Was ich aber vor allem brauche, ich brauche Ehrlichkeit.

Ich kann mich an eine Begebenheit erinnern, als die deutsche Nationalmannschaft in Berlin vor einem Länderspiel ein Trainingsspiel gegen die u21 von Hertha gespielt hat. Damals spielte bei den Berlinern ein 17-Jähriger namens Jerome Boateng, der spielte gegen Mario Gomez. Gomez hat in dem Spiel kein Land gesehen, weil ihn Boateng ungefähr 6 mal abgelaufen hat. Schnell, beweglich, technisch gut. Da fragten die A-Nationalspieler hinterher: „Wer war das denn jetzt? Die alles entscheidende Frage ist aber, wenn ich als Spieler Talent habe: „Was mache ich mit meinem Talent, wie gehe ich damit um?“

HSV-Arena: „Welche Aufgabe ist dabei deine?“

HH: „Meine Aufgabe ist es, den Jungs ihren Traum zu erfüllen. Die Titel müssen sie selbst gewinnen, ich kann ihnen nur dabei helfen“

HSV-Arena: „Nochmal kurz zurück zum „Talent erkennen“. Könnte ein normaler Mensch, jemand, der sich für Fußball interessiert, könnte der es erlernen, Talent zu erkennen?“

HH: „Wenn dir jemand zur Seite steht, der dir erklärt, worauf du achten muss, ja. Ob jemand technisch gut ist, kann man relativ schnell erkennen. Dann sieht man irgendwann, ob er schnell ist. Wenn er richtig schnell ist, sieht man es sofort. Dann achtest du auf sein Zweikampfverhalten. Nächste Frage: Was hat der Spieler für eine Spielintelligenz? Antizipiert er? Kann er Situationen im Voraus erkennen? Wenn’s dann noch charakterlich passt, von seinem Umfeld her, dann kann man sich da schon eine ganz gute Meinung bilden“

HSV-Arena: „Wie prüfst du beispielsweise die charakterlichen Eigenschaften eines Spielers?“

HH: „Das sehe ich ja, wenn ich sie dann für die Auswahlmannschaften kriege. Ich habe ja die Möglichkeit, sie einzuladen. Wir beim DFB haben den großen Vorteil, dass wir die Spieler schon als 14, 15-Jährige zu sehen bekommen. Vielleicht kommt dann nochmal ein 16-Jähriger, der uns als 15-Jähriger nicht aufgefallen ist, aber grundsätzlich siehst du die Jungs über mehrere Jahre, du kannst sie und ihre Entwicklung verfolgen. Beim DFB arbeiten wir übergreifen, von U15-Trainer bis A-Nationalelf, wir tauschen uns ständig aus.

Fortsetzung morgen mit Teil 2.