Vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach hätten wohl die meisten HSV-Fans einen Punkt mitgenommen, gerade auch deshalb, weil man sich in der Woche vorher in München demütigen lassen musste und weil die Gladbacher im Europa League-Spiel beim Titelverteidiger aus Sevilla einen bärenstarken Eindruck hinterließen.

Nach dem Abpfiff kam einem das 1:1 wie eine gefühlte Niederlage vor, denn bist auf die ersten 15 Minuten bekam Gladbach während des gesamten Spiels so gut wie gar nichts gebacken. Dies lag auf der einen Seite wohl an der mentalen und körperlichen (Reise) Erschöpfung, auf der anderen Seite aber auch an einem HSV, der zum ersten Mal in der Rückserie zumindest zum Teil sowas wie Fußball spielte. Am Ende standen 121,1 gelaufene Kilometer (Gladbach 118,6 km), die beweisen, dass die Mannschaft dieses Spiel unbedingt gewinnen und nicht nur nicht verlieren wollte.

Trainer Zinnbauer stellte das Team auf insgesamt 7!!! Positionen gegenüber dem Bayern-Desaster um, ein Punkt, auf den ich später noch intensiver eingehen möchte. Für van der Vaart, Westermann, Diaz, Rudnevs, Jansen, Götz und Marcos kamen gegen Gladbach Kacar, Rajkovic, Diekmeier, Jiracek, Ostrzolek, N. Müller und Gouaida in die Startelf, ein Zeichen für die Zukunft des Vereins, wie ich hoffe.

Nach einer kurzen Drangphase der Gladbacher zu Beginn, musste der ohnehin schon angeschlagen ins Spiel gegangene Ivica Olic mit erneuten muskulären Problemen im Oberschenkel vom Platz, für mich ist nicht nur diese erneute Verletzung des Kroaten ein Anzeichen dafür, dass dieser Transfer in seiner Überflüssigkeit kaum zu toppen war.

Das Spiel selbst haben wohl die Meisten selbst gesehen und die Analysen darüber mittlerweile gelesen. Was mich vielmehr beschäftigt als die bloße Betrachtung der 90 Minuten ist das Zeichen, welches in diesem Match hoffentlich nachhaltig gesetzt werden sollte, wenn ich auch denke, dass die Massiv-Rotation sowas wie Zinnbauers letzte Patrone darstellte, die fast schon übertriebene Konsequenz der Herausnahmen von etablierten Spielern erinnerte ein wenig an das letzte Spiel unter Mirko Slomka, als sich dieser bemüssigt fühlte, dem Druck der Öffentlichkeit und der Vereinsführung nachzugeben und nahezu alle Neuzugänge in die Startelf zu beordern. Damals ging es schief und Slomka musste gehen. Diesmal klappt es und es kann, nein im Grunde muss es der Beginn von etwas sein, was man eigentlich schon zu Saisonbeginn hätte starten müssen.

Mal angenommen, der HSV hätte auch diesmal nicht auf die Forderungen der Öffentlichkeit gehört und erneut die „bewährten“ Stammkräfte aufgeboten bzw. die verletzten Jansen, Behrami und Diaz wären an Bord gewesen. In diesem Fall hätte die Mannschaft auch gestern wieder ein Durchschnittsalter von 29,6 Jahren gehabt. Durch die, auch den Verletzungen geschuldeten, Umstellungen, betrug das Durchschnittsalter der Mannschaft gestern nach der Herausnahme von Olic 26,8 Jahre.

Aber, was noch viel wichtiger ist: Diese Mannschaft hat nachgewiesen, dass sie es kann. Und sie kann es ohne van der Vaart, Jansen, Westermann und auch ohne Behrami und Olic. Besonders die oft gescholtenen Kacar und Jiracek (bester Mann auf dem Platz) konnten zeigen, zu welchen Leistungen sie in der Lage sein können, wenn man sie denn mal lässt. Besonders für Gojko Kacar freut es mich besonders, denn der Serbe ist in Hamburg viele Jahre lang extrem mies behandelt worden. Ähnliches gilt für Artjoms Rudnevs, der für meine Begriffe der Mannschaft nicht weniger helfen kann, als ein überteuerter Olic.

Wichtig ist halt nur, dass man diesen Spielern über einen längeren Zeitraum das Vertrauen ausspricht und nicht nach einem verloren Spiel nächste Woche in Frankfurt erneut auf den Westermann-, Jansen-, oder van der Vaart-Zug aufspringt. Dieses Spiel gegen Gladbach kann für den HSV, für seine Vereinsführung aber auch für Joe Zinnbauer die zweite Chance dafür sein, dass man das, was man zu Saisonbeginn ankündigte, endlich in die Tat umsetzt.

Mal ehrlich, es kann doch langsam keine Frage mehr sein, wessen Vertrag man (zu verringerten Bezügen) verlängern muss, den von Westermann oder den von Rajkovic. Ebenso sollten eventuelle Verhandlungen mit van der Vaart und auch Jansen abgebrochen werden, diese Spieler sollten in Hamburg keine Zukunft mehr haben, über Ilicevic braucht man ohnehin nicht zu reden.

Vielleicht ist an diesem Spiel auch etwas anderes deutlich geworden. Einige Spieler, die in der Vergangenheit ob ihres Gehaltes, ihres Rufes oder was auch immer gesetzt waren, haben offenbar die Entwicklung anderer Akteure behindert. Wohl möglich hätten man sich den Kauf eines Halbinvaliden wie Valon Behrami sparen können, hätte man einem nahezu kompletten Fußballer wie Kacar das Vertrauen einmal über mehr als 2 Spiele ausgesprochen. Während Behrami ein reiner Zerstörer und fast untauglich für den Spielaufbau ist, beherrscht Kacar die gesamte Klaviatur der 6. Zweikampf, Kopfballspiel, Pass-Spiel, Übersicht. Aber man muss den Mann auch mal lassen. Das Gleiche gilt für Boban Rajkovic im Verhältnis zu Heiko Westermann.

Lewis Holtby wird meiner Meinung nach aufblühen, wenn ihn der Schatten vdV nicht mehr behindert und Matthias Ostrzolek wird stabiler werden und einen verletzungsanfälligen Jansen vergessen machen.

Nur – der HSV muss diesen Weg jetzt auch konsequent zu Ende gehen und nicht nach dem kleinsten Gegenwind wieder einknicken. Man muss diesen Jungs auch mal über mehrere Spiele das Vertrauen aussprechen, denn was Vertrauen bedeutet, kann man seit Beginn der Rückrunde am Wolfsburger Bas Dost erkennen. Von Felix Magath geholt, stand dieser erst im Schatten von Patrick Helmes, dann in dem von Ivica Olic. Erst als dieser den Verein Richtung Hamburg verließ (und hier jetzt den Platz für einen jungen Stürmer besetzt), drehte Dost auf, auch deshalb, weil er endlich durfte.

Man kann nur hoffen, dass die traditionsgeile Vereinsführung endlich die Zeichen der Zeit erkennt und nicht die nächste rückwärtsgewandte Aktion fährt. van der Vaart, Beiersdorfer, Volksparkstadion und Olic müssen jetzt endlich reichen, man kann alte Zeiten nun mal nicht zurückholen und man behindert mit diesem Versuch die möglichen Erfolge der Zukunft.

Zum gestrigen Spiel noch eine kurze Anmerkung: Auf die Leistung kann man stolz sein und sie verdient Respekt. Dass einige „Fans“ bereits jetzt die grottigen Auftritte gegen Köln, Paderborn, Hannover und besonders München vergessen zu haben scheinen, gehört scheinbar zum Geschäft dazu und ist ein Kennzeichen der gewohnten Hamburger Überheblichkeit, die der Entwicklung der Mannschaft mindestens genauso im Weg steht, wie die Leistungen einige Spieler.

Noch was. Ganz wichtig ist mir, im Zusammenhang mit Spielern meines Vereins nicht von „Altlasten“, Resterampe“ oder Ähnlichem zu reden. Diese Art des Respektlosigkeit gegenüber Menschen überlasse ich gern den üblichen Facebook- oder MatzAb-Schwachköpfen, die sich in ihrer Anonymität verstecken und niemals einem Spieler diese Dinge ins Gesicht sagen würden.