Liebe Leser,

vielleicht ist es dem einen oder anderen bekannt, im Jahr 1993 drehte Regisseur James Ivory den Film „Was vom Tage übrig blieb“. Nun, was „vom Tage“ übrig blieb, ist mir nicht bekannt, aber mir ist bekannt, „was von der Initiative HSVPLUS übrig blieb“, nämlich so gut wie gar nichts. Glücklicherweise befinde ich mich im Besitz  des Antrages, den Initiator Ernst-Otto Riekchoff am 19.01.2014 zur Abstimmung stellte und der damals mit großer Mehrheit von den anwesenden Mitgliedern durch gewunken wurde.

Betrachtet man diesen Antrag respektive große und elementare Teile dieses Antrags heute, mehr als ein Jahr später und achtet man im April 2015 auf die tatsächlich Umsetzung dessen, was im Januar 14 zu Begeisterungsstürmen führte, so muss man leider erkennen, dass sich die ganze Aktion mehr oder weniger als Etiketten-Schwindel erwiesen hat. Hierzu einige Kommentare.

Antrag der Initiative HSVPLUS zur ordentlichen Mitgliederversammlung des Hamburger Sport-Verein e.V. am 19. Januar 2014.    

WESHALB DER HSV EINE STRUKTURELLE NEUORDNUNG BENÖTIGT

[…] „….Beispielhaft ist hier über viele Jahre ein zu großer und dominanter Aufsichtsrat mit zu großem operativen Einfluss auf einen dadurch unflexibel operierenden Vorstand. Keine personelle Konstellation hat auf Dauer funktioniert. Das Negativ-Image belastet den gesamten Verein intern und besonders in der öffentlichen Wahrnehmung…“

Kommentar: Es ist unbestritten: Je mehr Mitglieder ein Gremium hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Dinge, die nicht nach außen gehören, nach außen gelangen. Insofern ist besonders ein Kontrollgremium personell so klein wie nur irgend möglich zu halten. Ohne Frage hatte der Aufsichtsrat der alten Struktur oft und zu intensiv das Gefühl und den Bedarf, den Verein nicht nur kontrollieren, sondern tatsächlich führen zu wollen, aber besonders durch die wiederholten TV-Interviews von AR-Chef Karl Gernandt wird wiederholt dokumentiert, dass sich hieran aber so gar nichts geändert hat. Besonders Gernandt (aber auch Thomas von Heesen, als er noch Mitglied des AR’s war) mischt sich wiederholt ins operative Geschäft ein, äußert sich öffentlich über Trainer (Slomka, Zinnbauer, Tuchel), Spieler, Taktik, Zukunftsaussichten etc. Alles Dinge, die ihm in seiner Funktion nicht nur nicht zustehen, sondern die, sollten sie wie zur Zeit, mit den Aussagen des verantwortlichen Vorstands nicht oder nur zum Teil korrespondieren,  für den Verein und das Ansehen des Vereins schädlich sein bzw. sein können.  (siehe Reaktion Knäbel auf die Frage nach dem NDR-Interview Gernandts). Fakt ist: Auch der verkleinerte Aufsichtsrat der HSV Fußball AG nimmt massiven Einfluss auf das Tagesgeschäft und ist damit nicht weniger dominat als sein Vorgänger, ganz im Gegenteil.

[…] „…Bedeutendes Spielervermögen steht kaum noch zur Verfügung und würde bei einer Veräußerung die Mannschaft weiter schwächen…“

Kommentar: Dies war Stand Januar 2014. Am 04.07.2014 wurde dann Hakan Calhanoglu, der wohl hoffnungsvollste Spieler des Vereins nach Leverkusen transferiert und heute ist unschwer zu erkennen, wie sehr dieser Verkauf die Mannschaft geschwächt hat. Am 31.08.2014 folgte dann noch Milan Badelj (nach Florenz). Man sieht, dass dieser Punkt des Antrages ein halbes Jahr später keinerlei Relevanz mehr besaß. 

[…] „…Ideen zum Verkauf des Stadions oder des Stadionnamens sowie des noch nicht mal erstellten Campus` sind der falsche Weg…“

Kommentar: am 22.01.2015 gab der HSV bekannt, dass Klaus-Michael Kühne die Rechte am Stadionnamen für die nächsten 4 Jahre (ab 01.07.2015) für insgesamt € 16 Mio. erworben hat. Von „falschem Weg“ war plötzlich keine Rede mehr.

2. Aufbruchstimmung                                                                                                                                                              

[…] „… Schon jetzt zeigt sich, dass sich bisherige und potenziell in Frage kommende  Sponsoren positiv zu den Umstrukturierungsplänen von HSVPLUS äußern. Im Gegensatz zu der jetzigen imagebelasteten Vereinsstruktur wird es dann aufgrund einer erheblichen Steigerung der Reputation/Professionalität auch zu einer gesteigerten Attraktivität für strategische Partner kommen. Diese Attraktivität wird sich auch auf das Engagement von Persönlichkeiten mit nachgewiesener Professionalität für Führungsaufgaben oder Ehrenämter auswirken. Ehemalige Fußball-Ikonen des HSV haben sich schon öffentlich zu HSVPLUS bekannt…“

Kommentar: Unglücklicherweise kann man heute, am 04.04.2015 ( also knapp 14 Monate später) davon aber mal so überhaupt nichts erkennen. Gesteigerte Attraktivität entsteht durch sportlichen Erfolg und nicht durch schöne Worte. Außer Kühne (Und Otto mit dem Campus) ist bisher nichts Sichtbares in die Wege geleitet worden, die Akquise für strategische Partner wurde mittlerweile an ein externes Bankhaus vergeben. Was das „Engagement von Persönlichkeiten mit nachgewiesener Professionalität“ betrifft, erübrigt sich jeder weitere Kommentar. Die „Ikonen“ haben sich inzwischen, bis auf Peter Nogly, komplett vom HSV bzw. von seiner neuen Führung distanziert.

 3. Neue Finanzierungsmöglichkeit        

[…]“…    Eines der Kernziele des Konzepts ist die Umsetzung einer zeitnahen Entschuldung des Vereins. Das Konzept bietet auch hierfür eine Lösung an….“

Kommentar: Zeitnahe Entschuldung des Vereins. Eines der Eigentore der Initiative bzw. der neu inthronisierten Führung schlechthin. Eingenommene Gelder (Transfers, Kühne) wurde so schnell unters Volk gebracht, wie es reinkam, von „zeitnaher Entschuldung“ kann nicht im Mindesten die Rede sein, im Gegenteil. Der HSV hat sich seit dem 25.05.2014 weiter verschuldet. 

[…] „…Da die sogenannte Sperrminorität nicht erreicht werden kann, hat ein strategischer Partner somit faktisch und rechtlich keinerlei Einflussmöglichkeiten….“

Kommentar: Ob nun Sperminorität, Sponsorship oder Mäzenatentum, wer die Musik bezahlt, der bestimmt, was gespielt wird. Der Kauf von Lasogga, die Entlassung Slomkas, die Vertragsverlängerung mit Hilke – all das zeigt mehr als deutlich, wer beim HSV tatsächlich bestimmt. Die Installation des Firmen-Sprachrohrs Gernandt macht diese Tatsache nur noch deutlicher. 

[…] “ Eine von vorn herein seriöse Verwendung des neuen Startkapitals im Sinne einer Anschubfinanzierung schafft dauerhaften. Fußball-Kompetenz wird dafür sorgen, dass mit dem Geld keine unsinnigen Rekordtransfers getätigt werden…“

Kommentar: 1. Es exisitierte keinerlei „Anschubfinanzierung“, Kühnes Kredit wurde anschließend (zum Teil) in AG-Anteile umgewandelt. 2. Die „Fußball-Kompetenz Beiersdorfer“ sorgte dafür, dass unsinnige Rekordtransfers wie Lasogga (€ 8,5 Mio), Behrami (Sportinvalide), Olic (35 Jahre alt), Ostrzolek, Müller, Stieber, Cleber und und und realisiert wurden. Allesamt Transfers, die der Verantwortliche selbst im Laufe der letzten Woche massiv kritisierte. 

[…]“… Der Weg zurück in die deutsche Spitze und dauerhaft nach Europa funktioniert erfolgreich und zügig allein mit kostenlosem Kapital, sprich Eigenkapital, von strategischen Partnern.

Kommentar: Deutsche Spitze und dauerhaft Europa 😀 😀 Der HSV ist im April 2015 von Deutschlands Spitze und erst von Europa so weit entfernt, wie Aschaffenburg von Alice Springs. Hörte sich damals aber echt gut an. Der Witz vom „kostenlosen Kapital“ hat sich 2015 ebenfalls ausgelacht.

DIE ORGANISATION                                                                                                                                                                     

[…]“…Die Initiative HSVPLUS hat Anforderungsprofile von professionellen Personalberatern für die Kandidaten des Präsidiums des HSV e.V. und des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG entsprechend der in diesem Konzept vorgestellten Kriterien  erarbeiten lassen…“

Kommentar: Anforderungsprofile für den e.V.-Präsidenten (Meier) und die Herren im AG-Aufsichtsrat also. Wer bitte glaubt das heute eigentlich noch? Hohle Phrasen, die sich für emotionalisierte Mitglieder nach Plan und Idee anhörten, die aber im Nachhinein nichts als heiße Luft waren.

Ich weiß, ich weiß – Geduld. Man sollte doch bitte Geduld haben. Das, was die Blinden in den Jahren zuvor verrissen haben, können selbst Super-Didi und die Rest-Exzellenzen in nur einem Jahr nicht reparieren. Stimmt, können sie nicht. Aber sie hätten sich zumindest in groben Zügen an dem orientieren können, was am 25.05.2015 zur Abstimmung stand und das haben sie erwiesenermaßen nicht getan. Stattdessen wurde ein ohnehin schon teurer Kader für mehr als € 35 Mio. aufgepumpt, es wurde ein Direktor nach dem nächsten installiert, aus geplanten (und versprochenen) zwei Vorständen wurden drei, die besten Spieler wurden verkauft, es wurden alte Spieler gekauft und und und und und. Mal ganz unabhängig von der auch weiterhin katastrophalen kommunikativen Darstellung (verliehene Spieler wurden schlicht vergessen, AR quatscht immer noch öffentlich etc.) muss man heute feststellen:

HSVPLUS ist krachend gescheitert! Schade nur, dass es jetzt kein Zurück mehr geben kann.

By the way – wo sind eigentlich all die HSVPLUS-Propaganda-Könige geblieben? Wo sind all diejenigen, die mit ihrem Namen und ihrer Prominenz für die Werte der Initiative standen und die andere angehalten haben, diesen Weg mit zugehen? Wo sind sie, Herr Rieckhoff, warum sagen sie nichts? Mir ist schon klar, dass sich zahlreiche Befürworter und Unterstützer von HSVPLUS in Mails, sms’en oder informellen Gesprächen extrem kritisch über das äußern, was dabei raus gekommen ist, aber warum äußert sich niemand öffentlich? Warum werden die Fans allein gelassen und sollen sich jetzt plötzlich eine eigene Meinung bilden, nachdem man ihnen monatelang vorgebetet hatte, was sie zu denken hätten?

Diejenigen, die tatsächlich für HSVPLUS (direkt) und damit für die aktuelle Situation (indirekt) verantwortlich zeichnen, sind versammelt abgetaucht. Behaupten, sie hätten damit nichts mehr zu tun, ihnen wäre der Verein mittlerweile egal. Aber diejenigen, die sich jetzt noch äußern, fangen tagtäglich die Prügel ein, die für ganz andere Personen gedacht sind.

Lest bitte zum gleichen Thema:

https://mrscgn.wordpress.com/2015/04/02/hsv-fan-zu-werden-ist-nicht-schwer-es-zu-bleiben-sehr/                                                   .