Wie gern würde ich endlich mal wieder etwas Positives über den Hamburger Sportverein berichten, denn eines kann ich euch garantieren: Es macht wesentlich mehr Spaß, über Erfolge als über Katastrophen zu berichten und die Mär davon, dass sich schlechte Nachrichten besser verkaufen lassen würden (schade, dass hier nichts verkauft wird) als gute Nachrichten, ist schlichtweg falsch.

Da ich mir jedoch mit diesem Blog vorgenommen hatte, das zu berichten, was passiert und nicht das, was ich gern hätte, bleibt es bei der Erkenntnis, dass beim HSV 2015 nichts wirklich besser, sondern vieles in Zukunft noch schlimmer werden wird, auch wenn man sich das kaum noch vorstellen kann.

Machen wir uns doch nichts vor, die Nichts-Abstiegs-Euphorie ist doch nach einer Woche mehr als verflogen, der Kater setzte bereits wenige Tage nach dem Spiel in Karlsruhe ein. Warum? Weil sich beim HSV sowas wie Fußball-Verdrossenheit breitmacht. Der HSV wird nicht mehr richtig gelebt, er wird konsumiert. Weil – welche Wahl hat man denn als HSV-Fan? Man kann sich ja schlecht einen anderen Verein suchen, oder? Also bleibt einem die Zugehörigkeit, die Vergangenheit und der Konsum. Die Hoffnung auf bessere Zeiten haben, zumindest meiner Auffassung nach, die meisten Fans zu Grabe getragen. Zu tief steckt die Enttäuschung darüber in den Knochen, dass auch der allerletzte Heilsbringer doch nur ein ganz normaler Mensch ist, der zudem nicht aus den zahllosen Fehlern seiner zahllosen Vorgänger zu lernen scheint.

Keine klare Linie

Fußballer können damit leben, sie müssen damit leben. Wenn ihnen der Trainer klar erklärt, was er von ihnen erwartet, profitieren sie sogar davon. Wenn ihnen der Verein rechtzeitig mitteilt, dass er nicht mehr mit einem plant, dann ist das okay, es gehört zum Geschäft. Womit Profifußballer schlecht leben können, ist eine Situation, in der sie nicht wissen, was mit ihnen geschieht. Das macht unsicher und führt zu schlechten Leistungen. Es ist also an einer Vereinsführung, eine klare, erkennbare Linie vorzugeben und vorzuleben. Exakt dies tut diese Vereinsführung aber eben nicht, sie hat offenbar gar keine klare Linie. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass man jetzt mit einem Spieler verlängern möchte (zu welchen Konditionen auch immer), den man nicht mal mehr mit ins Wintertrainingslager nahm (als Einzigen übrigens), der seit mehreren Jahren am liebsten verschenkt werden sollte und der in eben diesen Jahren auch nicht gerade den Beweis erbrachte, dass sich irgendwas an ihm verändern könnte. Der 28-jährige Ivo Ilicevic war nach Meinung aller der erste Streichkandidat,  jetzt soll er der erste sein, mit dam man doch verlängert. Wie bitte soll man das erklären?

By the way, nicht nur die Spieler lechzen nach einer klaren Linie, die Fans tun es ebenfalls. Nach dem 25.05.2015 hatten die Herren um Dietmar Beiersdorfer im Grunde ein weißes Blatt Papier vor sich liegen. Sie hatten die einmalige Chance, einen neuen Verein zu bauen, ihn zu neuem Leben zu erwecken, wobei die frustrierten Fans wirklich jeden Weg mitgegangen wären. Hätte man damals die Vorgaben der Initiative HSVPLUS in die Tat umgesetzt, würde man heute nicht so in der Bredouille sitzen, wie man es tut. Aber man entschied sich für das Gegenteil. Anstatt auf Talente zu setzen (Tah, Demirbay, Steinmann etc.) kaufte man sich für unfassbar viel Geld vermeintliche Stars und schürte damit natürlich auch Erwartungen bei den Fans. Dieser Schuss ging eindrucksvoll daneben und damit hat es sich jetzt auch. Soviel Geld, wie Beiersdorfer vor der Saison 2014/15 zur Verfügung hatte, wird er beim HSV nie wieder bekommen und dies Geld wurde sinnlos verbrannt.

Von Kühne gibt’s nichts mehr

Wer jetzt (wieder einmal) darauf hofft, dass die Geldquelle aus der Schweiz zu sprudeln beginnt, der wird enttäuscht sein, wahrscheinlich so enttäuscht, wie es Klaus-Michael Kühne selbst ist. Der Wahl-Schweizer wird in absehbarer Zeit nichts mehr in den HSV investieren, die „Aktion Volksparkstadion“ war die letzte Finanzspritze des 78-jährigen und ich kann ihn gut verstehen, denn ich würde Verbrennungs-Didi auch keinen Cent meines eigenen Geldes geben.

Apropos Didi. Nicht erst seit dem Abstimmungs-Debakel im Aufsichtsrat, bei dem 3 Räte gegen eine Ehrenerklärung zugunsten des Vorstandsvorsitzenden stimmten, ist Beiersdorfer angeschossen. Intern registrieren die Kollegen und Mitarbeiter immer mehr, dass Didi vielleicht doch mehr Egoist als Visionär ist. Der Lack ist jedenfalls ab und das macht die Arbeit in Zukunft schwierig bis unmöglich. Beiersdorfer und Co. haben bewiesen, dass sie es mit viel Geld nicht können, wie sollen sie es mit wenig Geld können? Ab sofort wird jeder Transfer, jede Aussage, jeder Satz, den Beiersdorfer äußert, unter dem Mikroskop seziert und Didi weiß das. Für einen ängstlichen Zauderer wie ihn ist diese Situation extrem anstrengend und was Didi tut, wenn es anstregend wird, kann man nachlesen, ich empfehle bei der Google-Suche das Jahr 2009.

Die düstere Zukunft.

Nächsten Sonntag ist mal wieder Jahreshauptversammlung und ich prophezeie, dass wahrscheinlich kaum 1.000 Mitglieder erscheinen werden. Warum auch, schließlich gibt es nichts zu wählen. Und nur, damit ich mir von Didi anhöre, dass alles halb so schlimm ist, opfere ich garantiert keinen Sonntag mehr, diese Zeiten sind vorbei. Beiersdorfer wird höchstwahrscheinlich ein erneutes, gewaltiges Minus verkünden (wahrscheinlich im zweistelligen Millionenbereich), Gernandt wird vielleicht überraschend einen neuen Agrarbauern aus dem Hut zaubern, der für eine Million Euro ein weiteres Prozent AG-Anteile abknabbert und das ist es dann?

Aber schauen wir doch mal in die nähere Zukunft. Aktuell wird kolportiert, dass man den Spieler-Etat von  ca. € 53 Mio. auf irgendwas um die € 42 Mio. eindampfen möchte. Ich erinnere mich, dass vor nicht allzu langer Zeit die Zahl € 35 Mio. verkündet wurde. Tatsache ist aber, dass der HSV selbst dann noch regelmäßig Minus macht, wenn es ihm nicht gelingt, den Spieler-Etat auf eben diese € 35 Mio. zu reduzieren. Das ist das, was sich der Verein leisten kann, mehr nicht. Jeder Euro mehr bedeutet Schulden. Nur ist der Verein leider nicht mehr in der Lage, die Löcher dauerhaft zu stopfen, weil bis auf die letzten ca. 10% AG-Anteile alles weg ist.

Stadionname: verkauft

Ausrüster-Vertrag: verlängert

Catering-Vertrag: verlängert.

Neue Sponsoren? Pustekuchen.

Eventuell wird der Trikot-Sponsor-Vertrag mit Emirates verlängert, aber auch das Geld dient dann wieder nur dazu, die Löcher zu stopfen.

Der einzige Ausweg aus dieser Todesspirale wäre eine drastische Senkung der laufenden Kosten (man erinnere sich bitte auch an das Organigramm von gestern) und letztendlich sportlicher Erfolg, sprich Champions League, aber wer bitte glaubt denn daran? Nein, der Chance auf eine signifikante Veränderung wurde vor der letzten Saison verpasst und sie kommt nicht wieder.

Ich weiß, dass viele es immer noch nicht wahrhaben wollen. Sie reden von Geduld und davon, dass Beiersdorfer den turn around noch schaffen wird, aber ich glaube nicht mehr daran. Vielmehr glaube ich mehr und mehr an den Slomka-Effekt. Man wird mit der aktuellen Führung in die neue Saison gehen und dann wird man sehen, was sich verändert hat und was nicht. Und nur wenigen Wochen/Monate später werden die ersten Stimmen laut, die die Frage stellen:

Warum geht man eigentlich noch mit einer Vereinsführung, an die man nicht mehr glaubt, in die neue Saison? Warum hat man nicht in der Sommerpause die Reißleine gezogen?

Übrigens: Typisch HSV bzw. typisch für die sogenannten HSV-Fans: Kaum wurde berichtet, dass sich der HSV um Süleyman Koc bemüht, wird gemosert. Sei es nun seine kriminelle Vergangenheit (übrigens: dafür ist unser Rechtssystem da. Wer eine Straftat begeht und die anschließende Strafe verbüßt, hat seine Strafe abgesessen) oder die Tatsache, dass er mit Paderborn abgestiegen ist, er ist dem gemeinen HSV-Fan nicht „gut genug“. Das Gleiche gilt für Oliver Sorg aus Freiburg. Diese Vögel hätten wahrscheinlich auch nie einen Karim Bellarabi aus Braunschweig verpflichtet, denn der war ja gerade mit der Eintracht abgestiegen. Heute ist der Junge deutscher Nationalspieler und hat einen Marktwert von € 8 Mio. Die HSV-Anhänger werden sich jedoch an Transfers wie Koc oder Sorg gewöhnen müssen, wenn sie Glück haben.

Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Süleyman.

Bitte lest zu diesem Thema auch Daniel Jovanovs heutige Kolumne auf goal.com

http://www.goal.com/de/news/1025/kolumne/2015/06/09/12544732/jovanovs-hsv-nichts-ist-besser-geworden?ICID=HP_BN_1