Fans

Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass mich nichts mehr erschüttern kann. Der Umstand, dass es der Hamburger Sportjournaille doch erneut regelmäßig gelingt, spricht allerdings weniger für mich, als vielmehr für diejenigen, die irgendwann einmal vergessen haben, welchen Auftrag sie eigentlich haben, welche Pflichten. Die unterschlagen, wofür sie eigentlich da sind und das ist beileibe nicht nur seichte Unterhaltung, Hofberichterstattung und Gefälligkeitsjournalismus.

Phrasen-Peter Knäbel meinte gestern irgendwas von wegen „Darwinismus“ absondern zu müssen, dass nur der Starke überleben würde. Nun, für das Segment des Hamburger Sportjournalisten gilt offenbar vielmehr, dass der Schleimigste überleben wird, derjenigen, der den „hohen Herren“ am wirkungsvollsten nach dem Mund schreibt. Der Leser wird dabei in den meisten Fällen erschüttert und mit offenem Mund zurückgelassen, aber was für eine Rolle spielt das denn? Hauptsache, man hat seinen Job mit so wenig (Zeit)-Aufwand und so wenig Stress wie möglich verrichten können. Was dabei die Wahrheit ist, was richtig ist, was so wichtig wäre, dass man es schreiben bzw. sagen muss, bleibt auf der Strecke. Der eigentliche Sinn des Berufs existiert nicht mehr.

Gestern Abend meinte ein selbsternannter Hochleistungs-Journalist folgende Erkenntnis verbreiten zu müssen:

Immerhin gilt dieser Spielertyp als schwer zu bekommen und ist entsprechend wertvoll. (Die Rede ist von Ivo Ilicevic)

Meine erste Frage war: Wenn dieser Spieler(typ) so selten und wertvoll ist, warum hat sich dann in den letzten 4 Jahren nicht ein Verein um den Kroaten bemüht? Warum will ihn jetzt selbst niemand haben (außer dem HSV natürlich), wo er doch sogar ablösefrei ist?

Tatsache ist, dass diese Aussage des Schreiberlings der pure Schwachsinn ist, aber es zeigt wieder einmal, worum es geht. Es geht darum, möglichst niemandem weh zu tun. Man möchte es sich doch bitte mit niemandem verderben, denn wie sollte man sonst auch weiterhin an die seichten Interviews und die durchgesteckten Gerüchte kommen? Alles gut und schön, aber dann soll man sich doch bitte nicht als Journalist bezeichnen.

So richtig lustig ist es aber erst dann, wenn diese Schmierlappen jedes Jahr wieder unmittelbar nach Saison-Ende die große Abrechnung ankündigen. Das gnadenlose Spielzeiten-Fazit, die schonungslose Fehler-Analyse. Wenn man als ständiger journalistischer Begleiter schon mangels Intellekt oder Integrität nicht in der Lage ist, während der laufenden Saison auf Missstände hinzuweisen, dann kommt der Hammer nach dem 34. Spieltag. Am Arsch geleckt, überhaupt nichts kommt.

Plötzlich weiß der sich selbst bei jeder Gelegenheit widersprechende Münchhausen davon zu berichten, dass er niemandem eine Erklärung schuldig ist und dass die zugesagte Bestandsaufnahme schon noch kommen wird, aber das kennen die Vrij-Geister unter den Leser ja bereits.

Und so wird es wie in jedem Jahr sein – der HSV kann gar nicht so schlecht spielen, die Führung kann gar nicht so viele Fehlentscheidungen produzieren und soviel Gelder verbrennen, dass sich auch nur einer der Herren einmal bemüssigt fühlen könnte, seinem Beruf nachzugehen. Die Berufsbezeichnung „Journalist“ haben diese Pfeifen schon längst nicht mehr verdient, denn ihren Job lassen sie jetzt andere machen. Blogger und Kolumnisten, zumindest diejenigen, die noch ein Paar Eier in der Hose haben, dürfen jetzt die Drecksarbeit machen. Sie dürfen sich von verstrahlten HSVPLUS-Fanatikern, die selbst einen Abstieg und einen Lizenz-Entzug noch schön labern würden, bepöbeln und bedrohen lassen, das Volk dürstet nun mal nach guten Nachrichten.

Mit einer Berichterstattung, die die Tatsachen benennt, mit kritischer Begleitung, die diese Bezeichnung auch verdient, ja mit Journalismus hat das alles schon längst nichts mehr zu tun. Ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich meinen Beruf derart mit Füßen treten würde.

Aber vielleicht tue ich den allen auch Unrecht und sie können es einfach nicht besser.

Und als hätte ich es geplant, lese ich gerade dieses unfassbare, sogenannte Interview mit dem großen Unsichtbaren Joachim Hilke, dem „Master of Selbstoptimierung“. Sorry, aber wenn ich diese gequirrlte Phrasen-Scheiße lese, kommt mir das Müsli hoch.

http://www.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article205374529/HSV-Vorstand-stellt-Stadionuhr-und-Maskottchen-infrage.html