Gibt ja viel zu sehen, im Moment. Testspiel folgt auf Testspiel, nahezu alle live im Free-TV zu bestaunen. Die 2. Liga hat ebenfalls begonnen, in 2 Wochen folgt dann die Bundesliga. Kurzum, wer möchte, kann sich ein nettes Bild von dem machen, was uns in den nächsten 9 Monaten erwarten wird.

Wer dann noch (wie ich) in der letzten Woche das große „Vergnügen“ haben und sich ein (Taktik- und Standard)-Training des HSV reinziehen durfte, könnte unter Umständen noch ein wenig schlauer sein. Vorausgesetzt natürlich,  man ist bereit, die rosa Vereinsbrille im Schrank zu lassen und sich den Realitäten zu stellen. Denn ehrlich: Das, was ich dort im Training beobachten musste, war teilweise erschütternd und hatte mit Erstliga-Fußball wenig zu tun.

Selbstverständlich muss man anmerken, dass der HSV wieder einmal Zeit brauchen wird. Schlüsselspieler wie Marcelo Diaz oder Albin Ekdal kamen extrem spät hinzu und ohne die Spieler, die die Verbindung zwischen Abwehr und Angriff bilden sollen, ist es halt schwer, ein Spielsystem zu implementieren. Was bleibt ist eigentlich nur der Übergang, indem man die vakanten Positionen mit Spielern besetzt, die am Anfang der Saison wahrscheinlich nicht in der Startelf stehen werden.

Dennoch, dem HSV fehlt nach wie vor das, was mittlerweile nahezu alle Konkurrenten in der Bundesliga haben und wonach die Manager dieser Konkurrenten offenkundig ihre Neuzugänge auswählen, dem HSV fehlt Tempo und zwar reichlich. Mag sein, dass die eine oder andere Ballstafette in den Spielen gegen Aalborg oder gestern gegen Hellas Verona etwas gefälliger daherkommt, aber diese Mannschaften hatten, zumindest in den Spielen, die ich gesehen habe, kaum höheres Zweitliga-Niveau und ließen eine Menge zu.

Im Training vom letzten Freitag fielen mir einige Dinge auf. Zuerst einmal zum Positiven – Batuhan Altintas. Der Junge wirkt extrem engagiert, fleissig, hört zu und setzt um. Trotz seiner Größe (1,90 m) recht schnell und bissig im Zweikampf. Sollte mich wundern, wenn der nicht was wird. Albin Ekdal ist ein Spieler, der sich die Butter nicht vom Brot nehmen lässt, er ist Italien-gestählt. Noch nicht bei 100%, aber ein Spieler, der sich wehrt.

Wo Licht ist, ist allerdings auch Schatten. Cleber versucht zwar zu dirigieren, aber er hat selbst im Training Klopse drin, die Bruno’s Frisur nachhaltigen Schaden zufügen. Bei Pierre-Michel Lasogga frage ich mich auch im dritten Jahr noch, was die Verantwortlichen in ihm gesehen haben, als sie für den Spieler € 8,5 Mio. hinblätterten. Wofür steht Lasogga? Er ist nicht sonderlich schnell, nicht übermäßig kopfballstark. Er ist kein Stoßstürmer, mit dem man kombinieren kann und „Bälle festmachen“ gehört nun auch nicht zu seinen ausgewiesenen Stärken. Was also kann Lasogga? Wenn ich dann sehe, dass ein außerordentlich fleissiger aber auch außerordentlich limitierter Spieler wie Schipplock an einem Lasogga vorbeiziehen kann, kommt mir die eine oder andere Frage.

Kaum noch eine Frage kommt mir beim teuersten Spieler des HSV, Lewis Holtby. Franz Beckenbauer (Herzliches Beileid an dieser Stelle) hat vor Jahren einmal einen weltberühmten Spieler als „Zirkuspferd“ bezeichnet, er meinte David Beckham. Der Brite war in den Augen des Kaiser’s ein begrenzter Spieler, der für die besonderen Kabinettstückchen zuständig war und deshalb vergöttert wurde. Sein Wert für die Mannschaft war nach Beckenbauers Meinung zu vernachlässigen.

Nun denn, wenn David Beckham ein Zirkuspferd war, dann ist Lewis Holtby ein Zirkus-Maultier. Der Deutsch-Brite tigert immer noch leicht verwirrt auf dem Platz herum und die Meisten fragen sich, welche Position er eigentlich bekleiden soll. Er setzt zu aktionistischen Grätschen an, damit das Publikum den Eindruck erhält, er würde ganz besonders brennen. Dabei haben diese Aktionen Null Wert. Dagegen hat vieles von dem, was ein Kerem Demirbay macht, Hand und Fuß. Der Türke spielt vielleicht nicht so „reißerisch“, aber sein Wert für die Mannschaft ist deutlich größer. Stand heute bezweifel ich, dass Holtby in einer Startelf Platz hat und dies ist vor dem Hintergrund seines Gehaltes und der Summe, die der HSV an Tottenham überweisen musste (€ 6,5 Mio.) fast schon dramatisch.

Anyway, wie bereits beschrieben, fehlt dem HSV besonders offensiv immer noch das Tempo, welche die anderen Budesligisten haben. Ich sah gestern das Spiel der Stuttgarter gegen Manchester City (4:2). Stuttgart spielte mit nahezu der gleichen Mannschaft, die in der letzten Saison bis zum Schluss gegen den Abstieg kämpfen musste, aber sie haben einen neuen Trainer (Zorniger) und sie spielen ein anderes System. Hochgeschwindigkeits-Pressing, extreme Laufarbeit, alle Mann in ständiger Bewegung. Nehme ich dagegen den HSV mit vielen neuen Spielern, aber dem alten Trainer, so kann man im Grunde keine Veränderung im Spielsystem gegenüber der Vor-Saison erkennen und das gibt mir zu denken.

Betrachtet man den VFB, so scheint es durchaus möglich zu sein, aus dem vorhandenen „Material“ mehr herauszuholen, als bisher möglich schien. Es ist sogar möglich, einer Mannschaft innerhalb der Sommerpause eine andere Spiel-Philosophie zu vermitteln. Warum man beim HSV auf den alten, ausgetretenden und erfolglosen Pfaden bleibt – ich weiß es nicht. In Hamburg heißt es ja immer:

„Das braucht seine Zeit. Didi hat doch gesagt, es dauert 3-5 Jahre.“

Komisch nur, dass es bei anderen Vereinen nicht so lange dauert und die haben keine € 53 Mio. in den letzten beiden Jahren in Transfers investiert.

Ach ja, eines noch. Gestern Abend war ja Supercup. Die Bayern verloren im Elfmeter-Schießen gegen den VFL Wolfsburg und bei den Bayern spielten

Vidal, Götze, Rode, Bernat, Ribery, Dante, Rafinha, Martinez, Badstuber, Hojbjerg

nicht mit bzw. nicht von Anfang an. Stand heute wäre für mich alles andere als eine deutliche Niederlage am ersten Spieltag (mein Geburtstag 🙂 ) eine Sensation.