Wirklich, ich habe lange überlegt, ob ich mich dieses Themas (auch) noch annehmen sollte, nachdem es nun die letzten beiden Tage durch so ziemlich jede Gazette der Republik getrieben wurde. Und ich habe mich auch gefragt, ob man sich als HSV-Fan mit diesem Thema überhaupt würde beschäftigen müssen, wenn der von Völler angesprochen und harsch kritisierte Spieler vielleicht Schweinsteiger oder Reus und eben nicht Marcell Jansen geheißen hätte.

„Wenn einer so früh aufhört, ohne verletzt zu sein, das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Sportinvaliden oder für jeden Jugendlichen, der irgendwann mal Fußballprofi werden will. Wer sowas macht, hat den Fußball nie geliebt“

Ich habe mich nun dazu entschlossen, doch etwas dazu zu schreiben, weil ich es wichtig finde und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen fragt sich ein durchschnittlich intelligenter Mittel-Europäer natürlich, was den Ex-Nationaltrainer denn nun schon wieder geritten hat. Ist es tatsächlich das Unverständnis darüber, dass ein gesunder und fitter Spieler wie Jansen freiwillige seine Profi-Karriere mit 29 Jahren aufgibt, um sich anderen Dingen zu widmen? Oder steckt mehr dahinter? Hatte Völler vielleicht ein vitales Interesse am Profi Jansen und musste nun via Sportstudio seiner Enttäuschung Luft machen? Man weiß es nicht. Ebenso weiß man nicht, ob Völlers Attacke nun einer spontanen Eingebung entsprang oder doch durchdachtes Kalkül war.

Meine Meinung dazu ist folgende:

Die Entscheidung darüber, wie bzw. wie lange ein Einzelner seinen Beruf ausüben möchte, liegt einzig und allein bei der betreffenden Person. Die Motive, warum man möglicherweise einfach nur etwas anderes machen möchte, gehen niemanden etwas an und an diesen Motiven zu zweifeln, gehört sich einfach nicht, weil niemand, außer der betreffenden Person selbst die wahren Motive kennt. Wenn sich nun jemand berufen fühlt, diese Motive ob ihrer Richtigkeit oder ihre Aufrichtigkeit in Zweifeln zu ziehen, sagt dies mit Sicherheit mehr über diese Person aus, als über die, die diese Entscheidung nach reiflicher Überlegung getroffen hat. Einem professionellen Fußballer jedoch die Professionalität oder gar die Liebe zum Fußball absprechen zu wollen, weil dieser nicht abgreift, bis auch das letzte Gelenk den Geist aufgibt, ist unredlich und verlogen und sagt einiges über die Abzocker-Mentalität eines Herrn Völler aus.

Aber es existiert dort noch ein zweiter Aspekt:

Rudi Völler fungiert in der Position des „Sportlichen Leiters“ bei Bayer 04 Leverkusen seit dem 18.01.2005. Zuvor war „Tante Käthe“ Profi bei München 1860, Werder Bremen, AS Rom, Olympique Marseille und eben Bayer 04 Leverkusen. Zwischen 2000 und 2004 war Völler Teamchef der deutschen Nationalmannschaft und zwischenzeitlich Interimstrainer in Leverkusen. Man könnte also durchaus behaupten, dass Rudi Völler so etwas wie ein Fußball-Experte sein müsste. Wenn nun allerdings ein sogenannter Experte zum wiederholten Mal einen solchen inhaltlichen Mumpitz zum Besten gibt, beginnt der geneigte Leser/Zuhörer/Zuschauer an der Expertise des Experten zu zweifeln und zwar zu recht. Dies passiert allerdings nicht nur bei Völler. Auch Weltmänner wie Beckenbauer und Hitzfeld geben teilweise Ansichten zum besten, dass man weglaufen möchte. Und wer tatsächlich noch so verrückt ist und sich am Sonntag ab 11.00 Uhr vom Sport1-Doppelpass foltern zu lassen, wird dort jedes Wochenende wieder Zeuge von absolut haarsträubenden Äußerungen.

Dies verleitet natürlich jeden TV-Bundestrainer dazu, zu glauben, er wüsste über Inhalte, Abläufe, Systeme, Taktiken, Trainingslehren, Vertragsgespräche und Transfergebaren mindestens genauso viel wie diejenigen, die dafür, dass sie sich berufsmäßig mit diesen Themen beschäftigen, Hunderttausende oder gar Millionen kassieren. Und es führt eben auch dazu, dass so gut wie nichts mehr geglaubt wird, was für ein Wunder.

Die „Experten“ haben dadurch, dass sie sich aufgrund der Fülle von Sendungen, Kolumnen, Editorials etc. genötigt sehen, eben noch spektakulärer zu urteilen als der Experte der vorangegangenen Sendung, ihren Experten-Status eingebüßt und lassen die Konsumenten quasi allein in der Beurteilung.

Schade, aber wohl nicht mehr zu ändern.

Marcell Jansen jedenfalls hat auf Völlers Attacken die richtige Antwort gefunden:

Um es nochmal kurz aufzugreifen. Herr Völler hatte Recht, das Fußball-Geschäft habe ich nie geliebt aber akzeptiert, denn das Fußball-Geschäft hat mir vieles ermöglicht und dafür bin ich sehr dankbar!
Dennoch kann ich sagen, dass mein Leben schon vor meiner Karriere als Profi mindestens genau so lebenswert war!
Den Fußball den ich so sehr Liebe der wird überall gespielt! Auf den Straßen und in der Kreisliga bis hin zur Bundesliga …
Nach 12 Jahren Berufsfussballer, möchte ich nun mein Hobby wieder zurück! Darauf freue ich mich.

Gruß euer Cello