Jetzt ist sie da, die Situation die vor der Saison eigentlich alle haben wollten. Der Hamburger Sportverein „versinkt“ im Mittelmaß, ein Zustand, der nach den zwei überlebten Relegationen in Folge tatsächlich als Erfolg, als Schritt nach vorn betrachtet werden müsste. Aber – das Gegenteil ist der Fall. Eine sich ausbreitende „Bochumisierung“ setzt ein, der ehemals „große Verein“ HSV mutiert zur grauen Maus der Bundesliga.

Woran man das merkt? Eigentlich an Allem. Die Pressekonferenzen vor den Spielen waren eigentlich schon immer gähnend langweilig, mittlerweile sind sie aber zusätzlich noch schlecht besucht. Das Gleiche gilt für die Mixed Zone nach einem Spiel, man hat den Eindruck, der HSV spielt medial kaum noch eine Rolle.

Während die Heimspiele nach wie vor gut besucht scheinen, bleiben selbst bezahlte Business-Seats und sogar Logen leer bzw. dünn besiedelt. Viele Ehrenkarten-Besitzer haben sich von ihren bisher kostenfreien Karten getrennt, als es von Vereinsseite aus hieß, dass ab sofort jeder seine Karten selbst versteuern müsse (geldwerter Vorteil). Das, was der HSV in diesen Tagen anbietet, animierte nicht mehr viele, einen finanziellen Aufwand betreiben zu wollen.

Bestätigt wird dies alles durch die Zuschauer-Zahlen des Bezahl-Senders SKY, der für das Spiel des HSV gegen Champions League-Teilnehmer Bayer 04 Leverkusen ganze 100.000 Zuseher auswarf. 100.000 insgesamt, nicht 100.000 Hamburger. Wie die Zahlen gegen Darmstadt, Mainz oder Ingolstadt aussehen werden, möchte ich lieber nicht wissen.

Dabei bildete sich Marketing-Vorstand Hilke angesichts der Emirates-Verlängerung noch ein, der HSV besäße sowas wie Strahlkraft.

Was aber ist passiert? Außer, dass der HSV im Gegensatz zu den vergangenen Jahren nicht permanent gegen den Abstieg spielt?

Fehlende Schlüsselreize?

Vielleicht fehlt einfach der Schlüsselreiz? Das Besondere, um die europäischen Wettbewerbe mit zu spielen oder halt die blanke Existenzangst im Abstiegskampf ist etwas, was Emotionen schafft. Man bangt mit seinem Verein, so oder so? Der HSV im Oktober 2015 ist irgendwie fade geworden, man weiß nicht so richtig, was man von allem halten soll. Von mehreren Dauerkarten-Besitzern hörte ich vor dem Spiel gegen Leverkusen: „Ach, irgendwie habe ich überhaupt keinen Bock. Schweinekalt…und dann dieses Gebolze ohne Höhepunkte…“

Unspannende Spieler

Schaut man sich die Mannschaft der Saison 2015/16 an, so fällt irgendwie nur auf, dass irgendwie nichts mehr auffällt. Alles irgendwie brave Fußballer ohne Ausreißer nach oben oder unten. Hatte man in vergangenen Zeiten noch echte Stars wie van Nistelrooy, Boateng, Petric oder Yeboah oder zumindest Freaks wie Atouba, Präger oder Barbarez im Team, ist das heute alles irgendwie eine Einheitssuppe aus austauschbaren Kickern. Oder geht jemand ernsthaft für Holtby oder Diekmeier ins Stadion? Man hat niemandem mehr, der eventuell um die Torjägerkrone mitspielen könnten (obwohl das sogar Eintracht Frankfurt schafft), man hat keinen Spieler mehr für besondere Momente (Calhanoglu).

Keine Vision, keine Entwicklung

Fragt man irgendjemanden, was denn das Ziel des HSV nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den nächsten Jahren sei, so hört man irgendwie immer: „Nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben, langsam besser werden“. Wow, das sind Ambitionen. Problem ist nur, sie sind realistisch. Für andere Ziele oder größere Brötchen fehlt dem Verein nämlich mittlerweile nahezu alles. Nur – wie lange macht Fan das mit? Wie lange hält die Geduld mit einem Verein ohne höhere Ziele? Wie lange guckt man in Hamburg zu, wie die Bochumisierung zur grauesten Maus der Liga voran schreitet?

Konkurrenz oder Feindschaft?

Irgendwie lustig mutet dann schon an, wenn medial oder von Fan-Seite von einer Rivalität zwischen dem HSV und einem andere Bundesliga-Club geschrieben wird wie zuletzt zwischen dem HSV und Bayer Leverkusen. Mag ja durchaus sein, dass es HSVer gibt, die neidvoll ins Rheinland gucken und sich wünschen, dass es umgekehrt ebenso ist, aber ich denke, dass der Werksclub inzwischen in den Hamburger mehr einen Selbstbedienungsladen als einen Konkurrenten sieht. Neid kommt dort jedenfalls schon lange nicht mehr auf.

Der HSV ist auf dem Weg, langweilig und belanglos zu werden und lustigerweise war genau das das eigentliche Ziel. Naja, langweilig wollte man eigentlich nicht werden, höchstens weniger gefährdet, aber irgendwie scheint das miteinander verknüpft zu sein. Hinzu kommt noch, dass das Spiel der Hamburger ungefähr das genaue Gegenteil von Spektakel ist, es ist eher ein 90-Minuten-Gewürge ohne Höhepunkte. Torchancen sind Mangelware,  Tore eine Rarität.

Also? Wozu sollte man dort eigentlich noch hingehen, wenn man vielleicht besseres vorhat?