Irgendwie haben sich in Hamburg alle lieb und eigentlich war das schon immer so. „Der HSV ist ein großer Verein“ hieß es oft und natürlich hat dieser große HSV „ein tolles Stadion“ und „die besten Fans der Welt„. Diese besten Fans der Welt sind in Hamburg sogar so gut, die pfeifen nicht mal dann, wenn ihre Lieblinge über Jahre den Welt-größten Käse zusammenbolzen. Viel zu cool ist das Happening im geilen Volksparkstadion, viel zu wertvoll die Begegnungen mit den Kumpels und viel zu wichtig ist es, sich vor und während des Spiels den Hals bis zum Pupillenstillstand vollzuknallen. Der Fußball als solcher ist dabei im Grunde nur noch eine Randerscheinung, eigentlich der Anlass, aber nicht der Grund.

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Das Fatale an der Situation ist aber: So wie die besten Fans der Welt, sehen es die Akteure in den kurzen und die in den langen Hosen auch. Bist du beim HSV gelandet und hast eigentlich keine höheren sportlichen Ansprüche mehr, willst aber verdienen wie bei einem Verein, der grundsätzlich um die ersten fünf Plätze mitspielt, dann bist du in Hamburg genau richtig. Hier ist der Begriff Leistungsdruck eine Art Fremdwort geworden, für ein ruhiges und luxuriöses Leben in der vermeintlich schönsten Stadt der Welt reicht es, wenn man nicht absteigt und einmal im Jahr gegen Werder gewinnt. Dann wird man in den städtischen Gazetten beharrlich als der „HSV-Star“ betitelt, man bekommt eigene Doku-Soaps und Freiminuten beim Tätowierer.

Wenn man dann noch in der Lage ist, nach der nächsten Katastrophen-Saison im entscheidenden Relegationsspiel einen Treffer zu markieren, macht man sich ungefähr genau so unsterblich wie die Herren Rahn, Müller, Brehme und Götze, die Deutschland zum Weltmeister-Titel schossen. Vergessen sind die Klatschen der Saison, vergessen sind die Demütigungen, vergessen sie die grausamen Vorstellungen einer Mannschaft, die zwar kassiert, als würde sie jeden Mittwoch gegen Real oder Juve kicken, die aber doch wieder nur in der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals gegen einen Drittligisten abgeschmiert ist.

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Warum, fragt sich der geneigte HSV-Profi mit Fünfjahres-Vertrag und der Vorstand mit Arbeitspapier bis 2018, sollte ich mich eigentlich lang machen? Für mehr als Bundesliga reicht es eh nicht, aber hier in Hamburg kann man garantiert besser leben als in Gelsenkirchen, Mainz oder Wolfsburg. Und verdienen kann man hier auch wie ein Großer, man muss nicht einmal regelmäßig zum Einsatz kommen. Bezeichnendes Beispiel dafür, der Spieler Ashton Götz. Der gelernte Rechtsverteidiger wurde durch den komplett irren Aktionsmus von Eintagsfliege Manic-Joe Zinnbauer an die Oberfläche gespült und erhielt flugs einen Profivertrag. Da sitzt er nun, der 23-Jährige und hat in der Bundesliga-Mannschaft des HSV nicht den Hauch von Aussicht auf einen Einsatz, von einem Stammplatz ganz zu schweigen. Rechts hinten spielt Sakai und wenn der verhindert ist, wird er durch Herrn Dick Meyer ersetzt. Bevor Götz auf der rechten Abwehrseite auftaucht, wird der Trainer mit größter Wahrscheinlichkeit Douglas Santos von links nach rechts beordern.

Aber Götz hatte vor dieser Saison die Möglichkeit, nach Darmstadt zu wechseln. Bundesliga. Zwar garantiert ihm dort auch niemand einen Stammplatz, aber die Chancen auf Einsätze in der Bundesliga wären ungleich größer gewesen. Aber – nö, lieber nicht. Lieber nicht im tristen Darmstadt um einen Stammplatz für die Bundesliga kämpfen, dann doch lieber im schönen Hamburg wohnen und ohne Stress Regionalliga bolzen. Leistungsgedanke? Ambition? Fehlanzeige. In Hamburg ist es doch so schön und so schön bequem. Man kriegt pünktlich seine Kohle (so lange Kühne noch abdrückt) und Druck kennt man nicht.

Ashton Götz ist nur einer, aber denken tun sie alle so. All die Diekmeiers, Lasoggas und Adlers, die hier den besten Vertrag ihres Lebens unterzeichnet haben, weder von der Presse noch von der Öffentlichkeit heimgesucht werden und hübsch in Winterhude, Pöseldorf oder Hafencity hausen. Warum sollte sich Peter-Michael denn auf einen Trip nach Newcastle oder West Ham einlassen, wenn man dort auch nicht mehr verdient, aber plötzlich Leistung bringen sollte? Warum sollte „Dickie“ denn an einen Vereinswechsel denken, wenn er doch in Hamburg lebt wie die Made im Speck, selbst dann, wenn er nur noch auf 6 Einsätze pro Saison kommen sollte?

Das Problem des HSV ist das gesamte Umfeld. Die schöne Stadt, die genügsamen Fans, die maue Presselandschaft, die überdotierten Verträge und der nicht vorhandene und vor allen Dinge nicht vorgelebte Leistungsgedanke. Konnte ein Bernd Hoffmann noch mit seiner Gier nach Erfolg diesen Luxus-Tiefschlaf aufbrechen und sowas wie Druck erzeugen, so hat Deadline-Didi für sich und die Seinen die Wohlfühloase neu entdeckt. Vielleicht würde es etwas nützen, würde man den Verein von Hamburg nach Gütersloh verschiffen, dann wäre zumindest das Argument des Lebens in der schönsten Stadt eliminiert. Aber das geht nicht und deshalb muss man dringend einen anderen Ansatz finden.

Spieler, die nach Hamburg kommen, müssen den Verein wieder als Sprungbrett zu einer internationalen Karriere empfinden. Spieler, die nicht leistungsbereit sind, müssen die Konsequenzen spüren. Dies ist aber etwas, was von oben vorgelebt werden muss und mit Schlafpillen-Düdü ist das nicht möglich. Das „Projekt Beiersdorfer“ ist gescheitert und sollte das nicht dringend jemand begreifen, der etwas zu melden hat, dann hilft wirklich nur noch die Schock-Therapie. Abstieg, Ausmisten und den Verein tatsächlich (wie 2014 geplant) komplett neu aufbauen.