Es war 1974 und ich war 10 Jahre alt. In diesem Jahr wechselte ein gewisser Willi Reimann für unfassbare 700.000 Mark von Hannover 96 zum Hamburger Sportverein und sogar heute kann ich mich noch an die damalige Stimmung erinnern. „Ist ein Fußballspieler soviel Geld wert?“. Reimann wird damals wohl so um die 100.000 Mark im Jahr verdient haben, damals unglaublich viel Geld. Heute, 2017, verdient ein Neymar fast das Doppelte pro Woche, was Reimann damals an Ablöse gekostet hat. Angeblich mehr als € 500.0000 netto pro Woche, unsere Bundeskanzlerin bekommt die Hälfte davon als Jahresgehalt.

In Hamburg wird einem 17-jährigen Fiete Arp ein Jahresgehalt von € 500.000 bezahlt, der Junge hat noch nicht eine Minute Bundesliga gespielt. € 500.000, das sind zehn Jahresgehälter eines gut verdienenden Menschen und wofür? Für ein Versprechen. Und „Fans“, die selbst für € 1.500 brutto im Monat zur Arbeit gehen, finden das normal!

Ob dies nun gesund ist oder nicht, das muss man sich nicht mehr fragen. In Zeiten, wo immer noch Tausende Menschen am Tag verhungern und verdursten, könnte ich als Mensch dieses Gehalt nicht annehmen, ganz ehrlich. Aber es ist nicht nur die pure Ablösesumme von festgeschriebenen € 222 Mio., es ist auch ein Berater/Vater des Spielers, der an diesem Deal knapp € 50 Mio. verdient bzw. verdienen möchte. Warum? Weil er zufällig mit dem Kicker verwandt ist oder weil er einen kennt, der einen kennt. Bei Neymar selbst könnte man noch argumentieren, dass er eben einer der wenigen Auserwählten ist, aber sein Berater/Vater? Was kann der, außer, dass er der Vater ist?

Natürlich könnte man sagen, diese Summen, diese Ablösen und Gehälter werden bezahlt, weil das Geld eben da ist, aber eigentlich ist das Geld nicht da. Das Geld, was russische Oligarchen und arabische Scheichs in den Kreislauf Fußball werfen, ist nicht da, es kommt von anderswo. Aus Öl-Quellen, aus Erzminen oder aus mafia-artigen Geschäftsmodellen, aber nicht aus dem Fußball. Ein Willi Reimann musste noch aus Zuschauer-Einnahmen oder TV-Erlösen bezahlt werden, dies sind heute nur noch kleinliche Nebengeräusche. Heute machen sich einige wenige, die es sich leisten können, den Fußball zum Kinderspielplatz und dies nur deshalb, weil der Fußball immer noch eine riesige Strahlkraft hat. Aber wie lange noch? Weltmeisterschaften werden noch dahin vergeben, wo das Geld ist. Russland, Katar…

Christian Streich sagte: „Es löst bei mir nichts mehr aus..“ und genauso geht es mir auch. € 40 Mio., € 70 Mio., € 127 Mio., € 222 Mio., es ist doch nur Spielgeld. In zwei Jahren wird irgendein kranker Scheich für Kylian Mbappè € 300 Mio. auf den Tisch legen und das wird dann noch weniger auslösen. Das Ganze ist derart surreal geworden, bei einem einfachen Sport, doch wie lange wird das gut gehen? Bis jetzt wird immer mehr (fremdes) Geld in den Fußball gepumpt, weil der Sport eben „zieht“, aber wie lange „zieht“ er noch? Was passiert, wenn sich eine Bewegung findet, die sich angeekelt abwendet? Dann ziehen sich die „Gönner“ zurück und die Blase platzt. Mit ihr platzt dann allerdings dieser wundervolle Sport.

Damit man mich nicht falsch versteht, ich bin weder weltfremd noch Kommunist und ich finde Projekte wie ehemals Hoffenheim und aktuell Leipzig spannend und ich empfinde dies nicht als Widerspruch. Denn dort wird etwas geschaffen, es soll etwas aufgebaut und entwickelt werden. In Paris oder in London wird nichts entwickelt, dort wird unterhalten. Aber wie lange? Zieht sich der Pariser Scheich zurück, wenn die WM in Katar gelaufen ist? Was dann?

Mein Fußball ist das alles nicht mehr, dieses Paris und Chelsea und Hamburg. Dort, wo sich reiche Geldsäcke einen Spaß machen und bei Bedarf den Stecker ziehen. Aber vielleicht kann ich das ja noch erleben. Hoffentlich.