Ich hab’s tatsächlich getan, wahrscheinlich eine abgemilderte Form von Masochismus. Ich habe mir gestern Abend das Lei(d)tbild des Hamburger Sportvereins nochmal zu Gemüte geführt, welches unter der Oberaufsicht des Geldverbrenners Dietmar Beiersdorfer für mehrere Zig-Tausend Euro erstellt wurde. Bedenkt man, dass Beiersdorfer für dieses Leitbild bis zum Februar 2016 benötigte und bedenkt man darüber hinaus, wie vor dem Leitbild, aber besonders danach dessen Inhalte umgesetzt wurden, könnte man Tränen lachen. Es beginnt bereits in der Präambel:

Der sportliche Erfolg steht beim HSV im Zentrum aller Handlungen.

Nur mit interner Geschlossenheit und Verlässlichkeit nutzen wir die ganze Kraft des HSV.
Wir sind immer erstklassig. Wir sind klar wie die Raute. Wir sind der HSV.

Bereits zu diesem Zeitpunkt litt ich unter ersten Magenproblemen, so sehr wurde ich von Lachkrämpfen geschüttelt. „Sportlicher Erfolg“, „immer erstklassig“, „interne Geschlossenheit und besonders „Verlässlichkeit“ – wie käme auch nur ein normal-denkender Mensch auf die Idee, den HSV mit diesen Begriffen in Zusammenhang zu bringen? Allein der Begriff „Verlässlichkeit“ trifft auf den HSV so zu wie auf Bayern München der Begriff „Abstieg“, es ist einfach zum wegschmeißen.

Unser sportliches Ziel ist die Etablierung unter den fünf besten Mannschaften in Deutschland und eine ständige Teilnahme an internationalen Wettbewerben.

Na klar. Und die Erde ist eine Scheibe 😀

Wir folgen einer dynamisch von uns fortzuschreibenden Trainingskonzeption und Spielphilosophie

Ja, tatsächlich. Also immer so ca. zwischen 6 Wochen und 7 Monaten, bis dann der nächste Trainer kommt.

Wir sichern die finanzielle Solidität des HSV dauerhaft und unabhängig vom sportlichen Erfolg.

Kapitalgeber sind uns zur Erreichung der strategischen Ziele wichtig und willkommen. Unsere sportlichen und unternehmerischen Entscheidungen treffen wir unabhängig.

Wir steigern den Wert des HSV kontinuierlich.

Ehrlich, wenn jetzt jemand wie Dieter Nuhr dies im Zusammenhang mit dem HSV und mit todernster Miene vortragen würde, ihm wäre der nächste deutsche Fernsehpreis sicher. So weit weg von der Realität kann man gar nicht mehr sein.

Wir prägen die Identität unserer Bundesliga-Mannschaft durch eine weitsichtige Kaderplanung. Besonderen Wert legen wir dabei auf eine ausgewogene Altersstruktur sowie auf Persönlichkeiten, die den Anforderungen des Fußball- und Medienstandorts Hamburg gewachsen sind

Also solche Persönlichkeiten wie Walace, Papadopoulos, Mavraj und Co.? Verdammt, jetzt habe ich mir fast ins Hemd gemacht 😀

Spieler, die unseren Werte- und Leistungsanspruch in besonderem Maße erfüllen, binden wir langfristig in unserer Bundesliga-Mannschaft als identitätsstiftende und integrative Leistungsträger

Hahahahahahahahaha…ist das geil

Wir verschaffen uns umfassende Marktkenntnis und Expertise. Für unsere Bundesliga-Mannschaft fokussieren wir uns auf Spieler zwischen 18 und 23 Jahren, die ihren Leistungshöhepunkt noch vor sich haben und deren Wert während der Vertragslaufzeit zunimmt. Für unser Nachwuchsleistungszentrum rekrutieren wir regionale, nationale und internationale Top-Talente, die wir wertsteigernd ausbilden.

Wenn man das so liest, kann man wirklich auf den Gedanken kommen, die wollten damals Mitglieder und Fans vorsätzlich verarschen.

Wir verpflichten uns zum Erhalt und zur Pflege unserer Tradition.

Das stimmt. Wenn man als Tradition eine Fehlentscheidung nach der nächsten und beständigen Abstiegskampf sieht. Da haben die nicht gelogen.

Unsere Mannschaften sowie alle Mitarbeiter stehen in der Verantwortung, als Botschafter des HSV aufzutreten.

So ist es. Botschafter in Mailand beim Shopping, Botschafter bei den Medien, um sich über Verein, Trainer und Mannschaftskameraden auszukotzen.

Siegeswille – wir wollen immer gewinnen, in jeder Disziplin, für den HSV

Naja, wollen ist das Eine, können ist das Andere.

Bescheidenheit – wir als Einzelne nehmen uns selbst nie wichtiger als ­unser Team und den HSV.

Genau so ist es. Und weil Herr Papadopoulos dies so ausgiebig gelebt hat, wird er auch nach einer windelweichen Entschuldigung und einem müden Titz-Witz („Das nächste Essen geht auf Papa“) begnadigt. Die haben doch nicht alle Latten am Zaun.

WIR SIND HANSEATISCH.
• Wir halten Wort und sind verlässlich.
• Wir sind freundlich und respektvoll.
• Wir sind mutig, übernehmen Verantwortung und treffen Entscheidungen.
• Wir vertrauen in die eigenen Kompetenzen und in die unserer Kollegen.
• Wir nehmen Führung aktiv und verbindlich wahr.
• Bei kurzfristigen Entscheidungen behalten wir unsere langfristigen Ziele im Auge und
arbeiten kontinuierlich auf diese hin.
• Wir halten uns an definierte Prozesse und Kommunikationsstrukturen.
Was wir anpacken, bringen wir zu Ende.

Ne, einen Scheißdreck seid ihr. Genau das Gegenteil seid ihr, ihr seid eine Schande für diese Stadt. 

Wir informieren erst vertraulich nach innen und dann eindeutig nach außen.

Wir stärken und nutzen vornehmlich Eigenmedien

Wir legen Absender und Botschaften innerhalb einer klaren Kommunikationsstrategie fest.  Wir gehen sensibel und bewusst mit internen Informationen um.

Ach verdammt, diese Magenkrämpfe. Vertraulich 😀 😀 Klare Kommunikationsstrategie 😀 😀 Unfassbar.

Unser HSV verschafft vielen Menschen in Hamburg und in der ganzen Welt spannende, unvergessliche und lebenswerte Momente.

Allerdings. Und der unvergesslichste Moment wird 12.05.2018 sein, wenn ihr euer beschissenes Leitbild nehmen und es euch in der 2. Liga in die Kabine hängen könnt. Meine Fresse, was für eine Verarschung.

Wüsste man es nicht besser, so könnte man denken, da hat sich Anfang 2016 jemand hingesetzt und überlegt: Wie kann man diesen Verein am besten veraschen?

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