Nachdem der erste größere Katzenjammer überstanden ist, kommt der aha-Effekt. Im Falle des HSV bedeutet dies unglaublicherweise, dass man scheinbar aus den zurückliegenden Monaten weniger als nichts gelernt hat, jedenfalls, was eine Vielzahl von Anhängern und Herrn Wettstein betrifft. Viele haben offenbar den Eindruck, als wäre der erste Abstieg der Vereinsgeschichte nur so eine Art Betriebsunfall gewesen und wenn man morgen die Augen aufmacht, ist wieder alles gut. Das Gleiche gilt für den Mann ohne Gedächtnis, denn der verkündet fröhlich, dass er am liebsten mit einem Großteil der Abstiegs-Versager weitermachen würde. Eine unfassbare Ansicht, mit der dieser Vogel seine Untauglichkeit für einen Sitz im Vorstand dieses Vereins erneut unter Beweis stellt.

Wenn ich dieser Tage so quer lese, überkommt mich mehr und mehr eine Mischung aus Ungläubigkeit und Verzweiflung, weil ich einfach nicht verstehen kann, wie man selbst jetzt die Realität noch so vollumfänglich verleugnen möchte. Der Einzige, der offensiv gegen diese Tendenz steuert, ist Aufsichtsrats-Boss Bernd Hoffmann, denn dieser benennt die Dinge so, wie sie sind. Anstatt freudestrahlend das Ziel „unbedingter Wiederaufstieg“ rauszuposauen, erklärt Hoffmann gebetsmühlenartig, dass man in allen Bereichen besser werden müsse. Nicht Kühne kann die Dauerlösung sein, sondern eine bessere Struktur und der unbedingte Wille, endlich einmal mit dem Geld auszukommen, welches man einnimmt.

Auch weist Hoffmann auf die inhaltlichen Verfehlungen der Vergangenheit hin und verteilt dabei die notwendigen Ohrfeigen an Selbstoptimierer wie Peters und Wettstein. Diese sind leider mehr damit beschäftigt, sich selbst und ihr Werk zu loben (nur mal zur Erinnerung: Der HSV ist abgestiegen!!!) und den Leuten das zu sagen, was diese hören wollen, aber mit der Wahrheit und der Realität stehen sie eher auf Kriegsfuß. Zur Folge hat das natürlich das übliche Phänomen: Hoffmann gilt bereits jetzt bei einigen als Verhinderer und Mahner, während die Absteiger Peters und Wettstein für den neuen Aufbruch und die Flucht nach vorn stehen, es ist zum Zusammenbrechen.

Es sind immer wieder solche Momente, in denen ich mir denke: Was muss eigentlich noch passieren, bis sie es begreifen? Wie kann man nach einer solchen Saison ernsthaft meinen, man könnte mit Spielern wie Holtby (€ 4 Mio.), Hunt (€ 2,8 Mio.), Wood (€ 3,8 Mio.), Müller (Angebot über € 2,8 Mio. abgelehnt) oder Papadopoulos (€ 4 Mio.) weitermachen? Wie kann man ernsthaft meinen, man könne sich bei der Auswahl der Sportchefs und Spieler weiterhin im höchsten Regal bedienen?  Leute, wacht doch endlich mal auf. Der HSV spielt in der nächsten Saison gegen Heidenheim und nicht gegen den BVB. Der HSV wird nach Bielefeld reisen und sich nicht mehr in München die gewohnte Klatsche abholen, diese Zeiten sind erstmal vorbei. Dafür sind andere Zeiten realer denn je.

Der HSV wird in der nächsten Saison € 15 – € 20 Mio. weniger an TV-Einnahmen generieren

Der HSV wird seine Ticketpreise senken, Sitz- und Stehplätze kosten in der Saison 2018/19 zwischen 9% und 19% weniger.

Der HSV wird seine Preise für Logen und Business-Seats drastisch reduzieren müssen und selbst dann werden nicht annähernd so viele verkauft wie in der abgelaufenen Saison. Wer will denn unbedingt Fürth, Darmstadt und Regensburg sehen, wenn man sich im Dezember den Arsch abfriert? Angeblich sind unmittelbar nach der Saison 70% der VIP-Logen gekündigt worden.

Der HSV muss noch reichlich Gelder für Transfers der Vergangenheit aufwenden, denn man selbst hat in Raten bezahlt, während man bei Verkäufen immer sofort kassiert hat.

Der HSV kann auf nahezu keinerlei Einnahmen aus Ausrüster-Vertrag (adidas), Stadionnamen (Kühne) und anderen Verträgen zurückgreifen, denn diese Einnahmen sind bereits kassiert und ausgegeben worden.

Der HSV muss reichlich Kredite bedienen und Ende 2019 die € 17,5 Mio. Fan-Anleihe zurückzahlen.

Der HSV hat nach Aussage von Bernd Hoffmann mehr als 290 fest-angestellte Mitarbeiter, die den Verein pro Jahr ca. € 15 Mio. kosten.

Wie wäre es also, endlich einmal die Wahrheiten zu akzeptieren und nicht von Dingen zu träumen, die unrealistisch sind? Fakt ist: Der HSV muss Gelder aus Transfers wie Kostic, Arp, Ekdal, Papadopoulos, Lasogga, Halilovic, Pollersbeck und Waldschmidt generieren, um überhaupt die eigenen Kosten zu decken. Anschließend muss man schauen, was übrig bleibt und  dann muss ein cleverer Sportvorstand schlau einkaufen, ohne die Schraube zu überdrehen. Die Zeiten der Klopps und Tuchels sind jedenfalls für Jahre vorbei und es wäre schlau, dies endlich einmal zu akzeptieren und nicht zu glauben, es würde immer so weitergehen.

Im Moment frage ich mich, was wohl passiert, wenn nach den medial künstlich befruchteten Jubelwochen (was für ein Wahnsinn) der Saisonauftakt gegen Sandhausen, Fürth und Union Berlin in die Hose geht, weil das ach so sensationelle „Titz-System“ in der 2. Liga nicht funktioniert. Den HSV erwarten ab dem 3. August exakt 34 Pokalspiele in Serie, denn jeder Zweitliga-Verein mit einem Etat von vielleicht € 16 Mio. ist außerordentlich scharf darauf, es den arroganten Hamburger zu zeigen, jedes Unentschieden gegen den Ex-Dino wird wie ein Aufstieg gefeiert werden.