Auch nach einer Nacht mit reichlich Schlaf kann ich nicht aufhören, mit dem Kopf zu schütteln, tut mir leid. Ich hatte in meiner Verwirrung selbst diese sogenannten HSV-Fans für schlauer gehalten, ich habe sie maßlos überschätzt. Die Vögel auf der Nordtribüne hätten gestern die Chance gehabt, ihrem Verein zu helfen, aber dazu fehlt schlicht und ergreifend das Gehirn. Nach dem Spiel traf ich auf dem Parkplatz einen alten HSVPlus-Weggefährten, mit dem ich über die Saison sprach. Als ich mein Unverständnis über das gestrige Verhalten zum Ausdruck brachte, meinte er: „Guck dir doch einfach an, was da gerade (vom Stadion) runterkommt“. Und dann wunderst du dich noch?“

Er hat Recht. Das, was dort in Scharen runterströmt, ist gesellschaftlich tatsächlich der Bodensatz. Hört man sich die Gespräche der Leute an, die sie untereinander führen (und das habe ich gemacht), kann man mit dem Fremdschämen nicht mehr aufhören. Selbstverständlich muss es auch sowas geben, ein Land kann schließlich nicht nur aus Chirurgen und Ingenieuren bestehen, aber es nun mal Tatsache, dass diese Art von Mensch während eines Fußballspiels, besonders eines HSV-Spiels, überproportional häufig und gebündelt auftaucht. Anders ausgedrückt: Live-Fußball ist ein Sport für Kern-Proleten. Ich will das gar nicht verurteilen, man muss es nur wissen. Und entsprechend muss man auch die Reaktionen einordnen. (Wie sich sowas im Internet gestaltet, sieht man übrigens besonders deutlich in Münchhausens Vollpfosten-Blog)

Denn Tatsache ist: Dies sind keine Fans eines Vereins, die sind Fanatiker, teilweise zutiefst kranke Fanatiker. Ein Fan supportet seinen Verein, er feuert an und er schützt ihn. Manchmal auch vor sich selbst. Ein Fan interessiert sich, ein Fan denkt ab und zu. Dies alles passiert dort nicht (mehr). Diese Menschen dort würden auch einem kranken Führer in irgendeinen sinnlosen Krieg folgen, wenn er sie dazu auffordern würde. Sie würden auch einen Bremer Fan an einem Kreuz verbrennen, wenn ihnen irgendeiner eine schlüssige Begründung dafür liefern würde. Das alles hat mit Fan-Sein nichts zu tun, das ist primitiv und krank. Ein echter Fan hinterfragt, ein echter Fan will wissen, warum. Insofern komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass echte Fans, zumindest beim HSV, nicht mehr ins Stadion gehen.

Wenn jemand den Podcast von Daniel Jovanov mit Horst Hrubesch und Holger Hieronymus gehört hat, hat er bemerkt, was Hrubesch über die Fans in den 70er und 80er-Jahren gesagt hat. Er meinte: „Wir spielten vor 14.000 Zuschauern im Schneetreiben gegen Uerdingen und wenn es nach 20 Minuten noch 0:0 stand, fingen die an, uns auszupfeifen“.  Dies ist nun das krasse Gegenteil zu heute, aber es brachte eine Mannschaft dazu, sich den Arsch aufzureißen. Heute wird bei jeder Gelegenheit von „Druck“ gequatscht, aber niemand dort unten weiß überhaupt, was Druck bedeutet. Heute verdient ein angeblicher Flüchtling und Anti-Fußballer wie Bäckerei Jutta € 450.000 pro Jahr und wenn der irgendwann mal in sein Land zurückkehren sollte, kann er für die Präsidentschaft kandidieren. Das soll Druck sein? Einfach nur lächerlich.

Wenn man sich diese Reaktion dort gestern anguckt, warum sollte sich in Hamburg jemals etwas ändern? Die Stadiongänger (ich nenne sie nicht mehr Fans) sind von Vereinsspitze und Hofberichterstatter-Presse über Jahre derart sediert worden, dass sie überhaupt nicht mehr wissen, wofür die Vögel da unten auf dem Rasen Millionen und Aber-Millionen kassieren. Hamburgs Wohlfühloase lebt, nirgendwo auf der Welt kannst du so leicht und mit so wenig Aufwand und so wenig Druck zum reichen Mann werden. Das ist die Message, die diese Leute auf den Tribünen gestern vermittelt haben und sie haben damit den Verein noch weiter über den Abgrund gestoßen.

Guter Auftritt von Holger Hieronymus gestern im NDR-Sportclub übrigens:

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/sportclub/Hieronymus-zum-HSV-Keine-Strategie-erkannt,sportclub10442.html

In eigener Sache: Ich werde in den nächsten Wochen deutlich weniger in diesem Blog schreiben, weil ich dabei bin, etwas anderes zu schreiben. Mein Vorschlag: Wenn jemand Lust hat und seine Sichtweise auf die abgelaufene Saison aufschreiben möchte, würde ich den Blog für ein paar ausgewählte Gastbeiträge zur Verfügung stellen.

Try or die.

Die Holtby/Ito-Nummer war übrigens ein recht gut gemachter Gag, aber wer möchte ausschließen, dass es genau so kommen wird?