8 Jahre. Und mehr als einmal kommentierte einer meiner treuen Leser mit den Worten: „Du sprichst mir aus der Seele“. Ich habe mich dann immer sehr gefreut, denn natürlich ist es schön, den Nerv seiner Leser zu treffen. Heute jedoch bin ich es, dem jemand „aus der Seele schreibt“ und zwar der Journalist Alexander Steudel. Steudel schrieb diesen Beitrag und ich konnte mich selten so in eine Gefühlswelt versetzen wie hier. Bitte lest. 

NIE MEHR ZWEITE LIGA!

Ich bin sehr froh, dass diese Zweitliga-Saison bald vorbei ist. Denn das war’s dann für mich, also zweitligatechnisch. Eine dritte Saison tue ich mir nicht an.

Seit der HSV 2018 abgestiegen ist, verfolge ich das Geschehen im sogenannten Unterhaus mit größtmöglicher Geduld. 65 Spieltage habe ich inzwischen auf dem geschundenen Buckel. Und ich wurde nie belohnt. Zweite Liga kann man einfach nicht gucken. Das ist wie 100-Meter-Sprintfinale bei Olympia – auf Treibsand.

Wenn ich in dieser lähmend langen Zeit eines gelernt habe, dann das: Wer behauptet, dass die zweite Liga nur eine Liga unter der ersten Liga angesiedelt ist, lügt. Ich bin da Verschwörungstheoretiker. Es muss dazwischen noch ein paar weitere Ligen geben.

Anders lässt sich nicht erklären, warum die zweite Liga so viel schlechter ist. Warum hier kaum einer mit den berühmten technischen Fertigkeiten dienen kann, warum ein Zweitligaspiel im Wesentlichen das Aneinanderreihen von Kämpfen, Krämpfen und Abspielfehlern ist. Vielleicht liegt es ja daran, dass so viele Spieler aussehen wie Gladiatoren mit Gewichtheberausbildung – und entsprechend beweglich und ballfertig sind.

Zweitligafußball ist ein einfaches Spiel – 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende verlieren immer die Zuschauer.

Ich frage mich oft, wie das sein kann. Am Wochenende sah ich beim Spiel Dresden gegen HSV zum 1000sten Mal in dieser Saison die gleiche Szene. Spieler A, Ball am Fuß, guckt. Er sieht Mitspieler B. Der steht fünf Meter entfernt an der Seitenlinie. Was macht Spieler A? Klar: Passt den Ball ins Aus. Aber nicht knapp ins Aus, nein: Er spielt ihn glatt und klar und kompromisslos ins Aus – vier Meter entfernt von Spieler B überquert der Ball die Linie.

Warum ist das so? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Kann es wirklich sein, dass für all das in Deutschland verfügbare fußballerische Talent eine einzige Liga mit 18 Mannschaften ausreicht, nämlich die erste? Warum spielen die darunter gleich alle so schlecht?

Ihr seht, ich bin wütend. Viel Lebenszeit wurde verschwendet.

Heute gegen Dresden macht Arminia Bielefeld, dass diese Saison zumindest ein paar mal den Anschein erweckte, Fußball zu spielen, vermutlich den Aufstieg klar. Der Hamburger SV könnte dann folgen. Aber bestimmt folgt der HSV nicht, weil er die zweitbeste Mannschaft der zweiten Liga ist – der HSV hat einfach das Glück, die lediglich siebzehntschlechteste Mannschaft der Liga zu haben.

Falls Bielefeld, der HSV und der optische Drittligist VfB Stuttgart, der unter Trainer Pellegrino Matarazzo ganz besonders schlechten Fußball erlernt hat, falls die alle aufsteigen und die Fehlpassliga verlassen sollten, habe ich da unten jedenfalls nichts mehr zu suchen. Dann beende ich meine Karriere als Zweitligabeobachter. Ich brauche keine Fehlpässe mehr und auch keine Torschüsse, die die Eckfahne zerstückeln.

Es wird keine Tränen geben. Ich werde zum Abschied singen: Nie mehr zweite Liga!

Ich kann zu 100% verstehen, was Steudel fühlt, auch wenn ich selbst schon einen Schritt weiter bin. Denn ich gucke mir die Spiele nach der Corona-Pause überhaupt nicht mehr an, Augenkrebs kann ich mir auch woanders holen. Sollte ich trotzdem einmal das Pech haben und beim Zappen auf Sky auf einer Zusammenfassung eines Spiels oder eines Spieltags landen, weiß ich nach spätestens 2 Minuten, dass ich alles richtig gemacht habe, weil ich während der Live-Übertragung mit dem Rad um die Alster oder durch den Wald gefahren bin. Ich kann das nicht mehr sehen und ich will das nicht mehr sehen und ich weiß, es gibt viele, die genauso denken. Der Fußball hat sie verloren und auch der KSV hat sie verloren. Mainz gegen Augsburg ist schon schlimm genug, aber das ist nichts gegen St. Pauli gegen Regensburg oder KSV gegen Dresden. Mit Fußball, wie ich ihn kenne, hat das nichts mehr zu tun, es ist die reine Folter. Folter, die allerdings beim KSV immer noch ausgezeichnet bezahlt wird. Sportvorstand (Witz)-Boldt erhält € 500.000 im Jahr, plus € 400.000, wenn die Blindfische tatsächlich aufsteigen sollten. Wofür? Für Transfers wie Harnik, Ewerton, Amaechi etc. Einen Leihspieler wie Pohjanpalo findet jeder, der weiß, wie man t-r-a-n-s-f-e-r-m-a-r-k-t.de buchstabieren kann. Ein demnächst 34-jähriger Belastungsteuerungs-Experte Aaron Hunt bekommt sogar in der 2. Liga knapp € 2 Mio. Wahnsinn. 

Aber schon lange nicht mehr mit mir.