Ich gucke nun seit mehr als 45 Jahren Fußball, aber etwas wie gestern habe ich noch nie gesehen bzw. sehen müssen. Ohne Fremdeinwirkung bricht Christian Eriksen von Inter Mailand auf dem Spielfeld zusammen. Als ich die Bilder live sah, war ich mir sicher, dass der Mann tot ist. Offene Augen, keinerlei Reaktion. Dann all die Aktionen. Die Ersthelfer, die Ärzte, die Mitspieler, die sich schützend vor ihren Freund stellten. Herzdruckmassagen, keine Reaktion. Elektroschocks, keine Reaktion. Für mich war das Unmögliche passiert, ein scheinbar kerngesunder Athlet war einfach so aus dem Nichts gestorben. Ich bekam WhatsApp-Nachrichten, ich verschickte welche. Nach Australien, nach Dänemark, nach Rumänien. Bestürzung und Schock auf der ganzen Welt. Ich muss gestehen, ich habe selten so paralysiert auf dem Sofa gesessen wie gestern, irgendwie schien die ganze Situation mit Corona und Lockdown und allem ihren endgültigen Höhepunkt zu finden, live im TV stirbt ein Fußballer. Dann ein Tweet von der dänischen Politikerin Ida Auken, der ich auf Twitter folge. Er lebt. Er ist stabil. Tak. 

Eines habe ich gestern gesehen, Fußball ist mehr, als die Herren von UEFA, FIFA, DFB, DFL und den Vorständen und Eigentümer der Vereine daraus machen wollen. Fußball ist Leben, Familie, Gemeinschaft. Auch wenn wir für unterschiedliche Vereine und Länder feiern und fiebern, uns eint die Liebe zu diesem Spiel. Das Ergebnis des Spiels Dänemark gegen Finnland war nebensächlich, aber wahrscheinlich war es gut, das Spiel zu Ende zu spielen. Gut für den Fußball, gut für die dänischen und finnischen Spieler und gut für Christian Eriksen. Ich bin in meinem Leben mehr als 40 Mal in Dänemark gewesen und würde ich nicht nach Australien gehen, wäre ich nach Dänemark gezogen. Insofern bin ich ein wenig vorbelastet. Ich weiß, dass Dänemark diese EM für sich als Fußball-Nation abgeschrieben hat, weil für sie die Tatsache, dass Christian Eriksen leben wird, wichtiger ist als ein Gruppensieg. 

Ich weiß auch, dass uns das Tagesgeschehen wieder einholen wird, schneller als wir denken. Wir werden wieder über Transfers und Geldverbrennung streiten und natürlich dürfen wir die Nicht-Performern nicht davonkommen lassen. Aber ich jedenfalls werde den gestrigen Tag nicht vergessen, den Tag, an dem Christian Eriksen einen zweiten Geburtstag feiern wird. Ein Riesendank und unendlichen Respekt vor den Sanitätern und Ärzten, die das Unmögliche möglich gemacht haben. Für mich sind sie die Sieger dieser EM und hätten bereits jetzt den Pokal verdient.