Menschen, Ereignisse, Entwicklungen, ja sogar Geschichte werden von ganz bestimmten Momenten bestimmt. Wie oft hat man bei der Nachbetrachtung gedacht: „Das war es. Genau in diesem Moment hat es sich entschieden“. Oder eben nicht. Fast immer gibt es diesen einen Punkt, an dem sich der weitere Lauf der Historie nicht mehr umkehren lässt, man muss gar nicht bis Franz Ferdinand, dem Einmarsch in Polen oder 9/11 denken,  wir alle haben diese Momente in unserem Leben. Ob man nun aufgrund einer spontanen Entscheidung jemanden kennengelernt hat, der später das eigene Leben beeinflusst hat oder ob man sich für eine Sache, einen Job oder Ähnliches entschieden hat und damit einen bestimmten Weg begonnen hat, unser aller Leben ist bestimmt von diesen Momenten. Was den HSV betrifft, ist ein solcher Moment wieder einmal erreicht, der letzte wurde 2014 nach erfolgreicher Ausgliederung nicht erkannt und vorsätzlich verrissen. Nun aber steht der Verein erneut vor einem Scheideweg und es könnte einer der letzten sein. 

Schaue ich mir das Video von den sogenannten „Fans“ im Trainingslager an, so habe ich meine Zweifel, dass ein nicht geringer Teil der Mitglieder überhaupt versteht, worum es zur Zeit geht. Ein Teil von ihnen wird zur Mitgliedervesammlung gehen, wird bereits um 11 Uhr voll wie ein Eimer sein, sie werden in viel zu engen Trikots Selfies machen und sich Autogramme von Ex-Spielern und anderen Würdenträgern holen. Und dann werden sie für Marcell Jansen stimmen, denn „Cello“ ist ja einer von ihnen, er trägt bekanntlich die Raute in Party-Größe im Herzen. Was mit einer Wahl Jansens verbunden wäre, ignorieren sie bzw. begreifen sie gar nicht und sie wollen es auch nicht begreifen. Sie wollen am Sonntag ins Stadion, wollen Kumpels treffen, belämmerte Liedchen trällern und sich volllaufen lassen. Selbst das Spiel ist irgendwie nebensächlich, aber ganz nett, wenn „ihr“ HSV gewinnt. Besonders wichtig sind die anstehenden Derbys. Wird gegen St. Pauli und Werder Bremen gewonnen, dann kann ihr Verein auch gern Tabellen-14. am Ende der Saison werden, wen kratzt es, die Derbys wurden doch gewonnen. Dennoch dürfen (und werden) sie wählen und das ist auch gut so. 

Zurück zum Moment. Aus meiner Sicht ist der aktuelle Moment noch bedeutungsvoller als der Moment, an dem 86,9% der anwesenden Mitglieder für eine Ausgliederung der Profi-Abteilung stimmten, denn diesmal geht es um mehr als um Finanzen, strategische Partner oder höhere Etats. Diesmal geht es darum, wie weit ganz bestimmte Menschen und Kräfte innerhalb dieses Verein gehen dürfen und eines sollte allen Mitgliedern und Stimmberechtigten klar sein: Wenn man es diesmal durchgehen lässt, dass ein Beirat aus nicht gewählten Mitgliedern jede Form von demokratischen Grundsätzen aushebelt und einen Präsidentschaftskandidaten nicht etwa zur Wahl stellt, sondern ihn quasi bestimmt, dann ist der Zug für alle Zeiten abgefahren. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ohne die Zustimmung der Mitglieder ganz andere Entscheidungen getroffen werden, die mehr als einer Schießbudenfigur die Geldbörse füllt. Lässt man diese unfassbare Geschichte zu,  ist der Verein unrettbar und für alle Zeiten verloren und jeder, der seine Stimme nicht dafür nutzt, um diese Sauerei zu verhindern, macht sich maximal mitschuldig. 

Von den Medien ist dabei keine Unterstützung oder Hilfe zu erwarten, denn denen ist ein Präsident Pinselreiniger gar nicht so unlieb. Immerhin ist man immer auf den aktuellsten Stand der Dinge, sollte der Eiercremer eine zweite Amtszeit antreten und Kühne dienen dürfen. Insofern sollte sich niemand vom aktuellen Pseudo-Shitstorm in BILD und Abendblatt blenden lassen, das hält nicht lange an. Herr Laux vom Hamburger Auftragsblatt hat einmal die Moralkeule geschwungen und damit seinen Teil geleistet, ab morgen wird wieder zur Tagesordnung übergegangen.  Die Frage wird also sein, ob sich der Grad der Empörung über die nächsten 4 Wochen halten lässt oder ob man ab morgen doch lieber wieder den nächsten Juwelen-Transfer abfeiert und darüber vergisst, dass der Verein auf der Schwelle zum Tod steht. 

Zum Schluss…

….das Letzte.

Wäre ich Marcell Jansen, so würde ich folgendermaßen reagieren:

Lieber HSVer und HSVerinnen,

mit großem Erstaunen und noch größerer Verwunderung habe ich zur Kenntnis genommen, dass der Beirat entschieden hat, nur mich als einzigen Kandidaten zur Wahl des Präsidenten des HSV e.V. zuzulassen. Um es ganz deutlich zu sagen, dies entspricht nicht meinem Verständnis von Demokratie und passt auch nicht zu unserem Verein. Ich habe mich zusammen mit meinen Mitstreitern gern einer im Sinne des Vereins fairen und offenen Wahl gestellt, aber vor diesem Hintergrund kann und möchte ich meine Kadidatur nicht aufrechterhalten. Nach meinem Demokratieverständnis muss dem Wähler immer die Wahl gelassen werden und dies ist in diesem Fall nicht gegeben. Es wäre mir eine Ehre gewesen, dem Gesamt-Verein erneut als Präsident zu dienen und die notwendigen Kurskorrekturen mit einzuleiten, das ist unter diesen Umständen leider nicht möglich. Sollte der Beirat entscheiden, doch mindestens zwei weitere Kandidaten zu berücksichtigen, werfe ich gern erneut meinen Hut in den Ring, aber nicht unter diesen Umständen. Mein Ziel war es, von den meisten Mitgliedern gewählt und nicht, von den wenigsten nicht gewählt zu werden. In der Erklärung des Beirats heißt es, dass man bestimmte Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen habe, weil sie ihre Kandidatur an bestimmte Bedingungen geknüpft hätten. Dies sind meine Bedingungen und es obliegt nun dem Beirat, darüber zu befinden. 

Zum endgültigen Schluss…

….das Allerletzte. 

Wer daran interessiert ist zu lesen, was Herr Patrick Ehlers, Vorsitzender des Beirats, so an Weisheiten absondern, dem wird hier geholfen. 

„Gnifty“ ist Ehlers! 

„Gnifty“ weiter: 

Das würde ich gerne machen! Allerdings ist es hier momentan etwas unübersichtlich. Ich lese hier Kritikpunkte, die mich etwas ratlos zurücklassen, weil sie auf bloßen Unterstellungen beruhen – gefördert auch durch Veröffentlichungen interessierter Kreise. Beispielsweise hat mich die Veröffentlichung des Videos und der Erklärung des Teams Bester gestern rasend vor Wut gemacht. Nicht, weil Teile der Kritik berechtigt, waren, sondern weil da ein Zungenschlag reingebracht wird, der auf einer dreisten Lüge beruht. Lüge deshalb, weil es z.B. Philipp besser wissen müsste. Hier sei die Frage gestattet, warum dann konsequenterweise nicht auch das recht ausführliche Schreiben des Beirats an das Team bzgl. der Nicht-Zulassung veröffentlicht wird. Ganz offensichtlich passen die genannten rationalen Gründe nicht in die gewünschte Diktion, die man sich öffentlich gerne wünscht.

Dieser Verein ist ein Irrenhaus!