Was für ein sinnbefreiter Ausdruck für ein Spiel zwischen zwei Hamburger Fußball-Klubs, die zufällig in der gleichen Liga spielen und den Regularien entsprechend zweimal pro Saison aufeinander treffen. Und nach jedem dieser Spiele ist der Sieger dann erstmal Hamburger Stadtmeister. Irgendwie so. Aufgrund eines Spiels. Ja gut äh. Wäre es nicht sinnvoller, beide Spiele abzuwarten, also Hin- und Rückspiel auszuwerten, inkl. Tordifferenz und Auswärtstorregelung? Oder alternativ die Platzierung in der Abschlusstabelle heranzuziehen? Ach, vergiss‘ es. Jedem das Seine! Obwohl…

„Wir gewinnen 8:0“, kündigte Peter Nogly in Hamburger Zeitungen an. Doch St. Pauli ließ sich von den HSV-Stars und der großen Kulisse von 48.000 Zuschauern im Volksparkstadion nicht beeindrucken. Franz Gerber (30.) und Wolfgang Kulka (87.) erzielten die Treffer zum 2:0-Sieg des Aufsteigers.

Wer erinnert sich nicht an die Schande aus dem Jahr 1977? Die Stichworte „0:2“ und „Gerber“ reichen zum Antriggern, um sich an dieses Spiel zu erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Da steht man als Fünfzehnjähriger „proud like a god“ in der Westkurve Block E, hat sich irgendwie im Dunstkreis der Löwen mit reinschmuggeln können, freut sich darauf, die unglaublichen Sturmläufe der Mighty Mouse Kevin Keegan mitzuverfolgen und dann gibt es zu Hause diese Klatsche.

Aber bevor ich erneut an diesem bis heute unverarbeiteten Trauma abkacke, komme ich zurück auf die Frage, wer denn in der Saison 1977/78 „Hamburger Stadtmeister“ geworden wäre. Kaum einer erinnert sich daran, dass der damals noch große HSV den Stadtteilclub im „Rückspiel“ mit 3:2 besiegen konnte. Also Unentschieden nach Punkten. Nach Toren allerdings… 3:4 verloren, da nützt auch die Auswärtstorregel nix, denn die greift ja nur bei gleicher Anzahl der Tore. Also aus und vorbei. Demnach wäre Pauli in der damaligen Saison tatsächlich Hamburger Stadtmeister gewesen. Was für eine Scheiß-Regel. Ok, dann eben doch: Wer das Spiel gewinnt, ist Stadtmeister. Hüpf hüpf.

Was in dem Artikel des NDR auch noch stand:

Danach musste St. Pauli 34 Jahre auf den nächsten Pflichtspiel-Erfolg gegen den großen Nachbarn warten. Am 16. Februar 2011 schießt schließlich Gerald Asamoah die Kiezkicker zum überraschenden 1:0-Erfolg beim HSV.

34 Jahre. Eine ganz üble Zeitspanne für den ewigen Zweitligaclub FC St. Pauli (extra einmal richtig geschrieben für Podcast-Schlaftablette HeLuecht). Liegt es gar an dieser traumatischen Erfahrung der Zecken? Haben die sich den Unfug mit der Stadtmeisterschaft ausgedacht, weil es nach den 34 Jahren in den Stadtderbys deutlich besser lief? Wobei mich diese Zahl direkt an eine andere Durststrecke erinnert. 34 Jahre ist genau die Zeit, die der HSV mittlerweile auf einen Titel wartet. Lassen wir das Thema…

Siege im Stadt-Derby gegen Pauli und im Nord-Derby gegen Werder, das sind neuerdings die Erfolge, die man zukünftig anstrebt, wie man es den aktuellen Äußerungen der aktiven Fanszene entnehmen darf. Kein Wort mehr von der Rückkehr in die erste Bundesliga, man setzt jetzt auf Kontinuität und Nachhaltigkeit in Form eines dauerhaften Verbleibs in der zweiten Liga. Man ist ja jetzt fein mit der zweiten Liga, wie uns der ehemalige Supporters-Chef Timo Horn zum Abschluss seiner Regentschaft von über 60.000 Supporters wissen ließ. Und auch die Nachfolger um Sven Freese sind seit der Mitgliederversammlung plötzlich lammfromm, kein Druck mehr von den Ultras mit öffentlichen Briefen aus den aktiven Gruppierungen der Nordtribüne Hamburg. Diese bemerkenswerte Wandlung wurde von der Vereinsführung mal ganz frech mit der Aussicht auf einen Platz im Aufsichtsrat erkauft. Demnächst darf sich also ein „Fan-Vertreter“ in dem Gremium einbringen, wo schon Tagesschau-Sprecherin Dagmar Berghoff und Totengräber Marek „Ephialtes“ Erhardt Teil eines nutzlosen Kontrollorgans waren, das sich in den letzten Jahrzehnten vornehmlich durch Inkompetenz, Handlungsunfähigkeit und Maulwurfstätigkeiten ausgezeichnet hat.

Nun gut, heute Abend steigt also das erste von zwei Stadtderbys in dieser Saison, der vierten Zweitligasaison nacheinander für den Hamburger SV. Meine Empfindungen unterscheiden sich diametral von denen, die schon ganz heiß auf die Stadtmeisterschaft sind. Jeder weiß, welche fatalen Auswirkungen der damalige 4:0 Sieg in der Saison 2018/2019 auf die Mannschaft des HSV hatte und wie der ganze Bums dann ausgegangen ist. Sollen sie doch irgendwelche Derbys verlieren, wenn sie dann am Saisonende endlich wieder aufsteigen, dann mit Horst Hrubesch als Trainer, der den aktuellen Übungsleiter diesmal rechtzeitig ersetzen wird, weil der in die Geschichte eingehen wird als der einzige Trainer des HSV, der zu hart trainieren ließ.

Und um nochmal kurz auf Colonel Kurtz und das Grauen zurückzukommen: Nachdem sich zwei der drei Top-„Kult“-Fans bereits in dieser befremdlichen Ansammlung von HSV-Anhängern präsentiert haben,

https://www.youtube.com/watch?v=ISB03Ne9PjQ

komplettiert die folgende verstörende Darbietung die Vorbereitung des gemeinen Hüpfers auf das Stadt-Derby.

https://www.youtube.com/watch?v=KXsNanK-U9E

In diesem Sinne… Auf ein gutes Fußball-Spiel!