Am Dienstag war folgende Merkwürdigkeit im Elbe Wochenblatt zu lesen:

„Geimpft, getestet, genesen? Beim Heimspiel gegen Dresden wurde bei über 2.500 Zuschauern nicht kontrolliert

Beim Saisonauftakt des HSV vor heimischer Kulisse gegen Dynamo Dresden wurde massiv gegen Corona-Auflagen verstoßen. Mindestens 2.500 der zugelassenen 17.100 Fans konnten die Zweitligapartie verfolgen, ohne zuvor nach Impfausweis, Genesenennachweis oder Schnelltest gefragt worden zu sein. Nach Angaben des Vereins wurden nur 80 bis 85 Prozent der Zuschauer kontrolliert.“

Was für eine Riesensaurei!

Laut der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 28. Juli 2021 gelten Abstandsgebot und Kontaktbeschränkungen und vor allem die Nachweispflicht für Erleichterungen und Ausnahmen. Eine Frau Meier von der Pressestelle des Bezirksamts Altona bestätigte dem Blatt auf Nachfrage, dass eine vollständige Kontrolle erreicht werden soll. Aber selbst nach Angaben des Vereins wurden lediglich 80 bis 85 Prozent der Zuschauer kontrolliert. Das macht bei etwas über 17.000 nicht 2.500, sondern zwischen 2.600 und 3.400 Menschen, die völlig unkontrolliert an einer Massenveranstaltung teilnehmen konnten. Und das bei steigenden Inzidenzzahlen.

Wie konnte es zu diesem Skandal kommen und wer ist dafür verantwortlich? Und warum hat beim Heimspiel von St. Pauli gegen Kiel die Kontrolle zu 100 Prozent funktioniert, aber nicht beim HSV? 

Das Elbe Wochenblatt gibt zwei Haupt-Gründe an:

  1. Es gab zu wenig Mitarbeiter, die die Kontrollen durchführten. Die Unterstützung durch 25 mobile Teams, die bereits vor dem Stadion Kontrollen durchführten, reichte nicht.
  2. Der Versuch, den Besucherstrom mit Hilfe unterschiedlicher Einlasszeiten aufzuteilen, scheiterte. Viele Fans verstanden den auf den Tickets angegebenen Einlass-Slot offenbar als unverbindlichen Hinweis. Vor allen Eingängen bildeten sich lange Schlangen. Die Fans standen dicht an dicht, meist ohne Maske. Als der Anpfiff immer näher rückte, wurden, um Zeit zu sparen, nur noch die personalisierten Eintrittskarten kontrolliert.

Das deckt sich mit dem, was ich von Menschen gehört habe, die selbst im Stadion waren. Überforderte Ordner, chaotische Verhältnisse, aber auch systemisches Versagen. Tickets und Nachweise waren nicht personalisiert. Im Prinzip konnte jeder alles vorzeigen, was auch nur irgendwie nach Impfung oder Test aussah: den Test der Ehefrau, der Freundin, des Bruders oder Kumpels oder sich sogar mit mehreren Leuten ein und denselben Test teilen. Da liegt die Vermutung nah, dass noch viel mehr Fans unkontrolliert ins Stadion kamen.

Wie konnte das passieren. Die Antwort ist einfach: Weil der HSV ein durch und durch abgewirtschafteter Verein ist. 300 Leute auf der Geschäftsstelle und ein Heer von Direktoren, aber niemand dort kümmert sich um die elementarsten Dinge und Kontrollen. Ein Vieraugenprinzip scheint es nicht mehr zu geben. Ich darf erinnern an

– Die fehlenden Auswärtstrikots gegen Schalke, weil sie mit „Emirates“ statt „Orthomol“ beflockt wurden

– Die zehn (!) falschen Jahreszahlen (Saison 2019/2020 statt 2020/2021) in der Einberufung zur Mitgliederversammlung

– Der falsch geschriebene Name eines der Bewerber um den Rechnungsprüferposten (Blörn statt Björn: https://www.hsv-ev.de/news/wahl-der-rechnungspruefer-kandidaten-stellen-sich-vor)

Und jetzt diese peinlichen und skandalösen Pannen beim Einlass. Ist denen eigentlich alles scheißegal? Scheint so. Und sie kommen damit ja auch durch. Statt Strafen auszusprechen kommt vom Bezirksamt lediglich die Auflage, beim nächsten Heimspiel mehr Personal einzusetzen. Ja, super, und wer kontrolliert das? Etwa dieselben Versager, die den Mist auch beim ersten Mal verzapft haben? Außerdem sollen vorgegebene Einlasszeiten besser kommuniziert und „konsequent gehandhabt werden“. Na, dann sind die von der Innenbehörde für die Heimspiele des HSV erteilten Ausnahmegenehmigungen ja voll gerechtfertigt.

Bei der Mopo rudert man einen Tag später übrigens mit aller Kraft zurück:

„Auf MOPO-Nachfrage wies der HSV die Vorwürfe allerdings zurück. Und auch das zuständige Gesundheitsamt Hamburg-Altona konnte kein Fehlverhalten des Vereins feststellen. „Es waren mehrere Mitarbeitende des Gesundheitsamtes und der Sozialbehörde vor Ort“, bestätigte ein Sprecher des Bezirksamts Hamburg-Altona der MOPO. Diese hätten die Fan-Kontrollen des HSV überwacht – und „über eine Einstellung der Kontrollen am 1. 8. keine Kenntnis“.“

Komisch, warum überrascht mich das nicht? Das Ganze ist ein einziger Offenbarungseid für den Verein. Beim kleinen Stadtrivalen kriegen sie es gleich richtig hin. Beim großen HSV hingegen teilt ein Sprecher lediglich mit, dass dies das erste Spiel unter solchen Rahmenbedingungen gewesen sei und die Abläufe ständig weiter verbessert würden. Ohne Worte.

Ein Riesenskandal, der überraschenderweise von den anderen Hamburger Medien eher klein gehalten wird. Warum eigentlich?