Heute geht es um eine weitere interessante Personalie, die im Zusammenhang mit den Ereignissen während der Mitgliederversammlung am 07.08.2021 in den Fokus gerückt ist: Henrik Köncke, ehemaliger Vorsänger (Capo) der mittlerweile aufgelösten Ultragruppierung Poptown und mittlerweile aussichtsreicher Kandidat für einen Posten im Aufsichtsrat der Fußball AG.

Köncke wurde bereits Ende 2020 im Präsidium des e.V. als möglicher Kandidat gehandelt, um vor allem die Interessen der aktiven Fanszene zu vertreten, wurde dann aber Opfer des Streits zwischen Präsident Marcell „Le Coc Rock“ Jansen und seinen ehemaligen Vize-Präsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer über die Reform des Gremiums, was am Ende zum kollektiven Rücktritt und zu Neuwahlen führte.

Am Mittwoch traf sich nun das neu gewählte HSV-Präsidium im Volkspark zu einer ersten Sitzung und besprach die mittelfristigen Pläne. So soll der zuletzt fünfköpfige Aufsichtsrat zeitnah um zwei Kontrolleure erweitert werden: Michael Papenfuß, der neue Schatzmeister und eben Henrik Köncke, der ehemalige Capo.

Das Hamburger Abendblatt hat im Mai 2021 ein umfangreiches Interview mit Köncke veröffentlicht, welches ich ebenfalls (wie im Vorblog) in großen Teilen hier übernommen habe, teilweise mit aktualisierten Datumsangaben und inhaltlichen Ergänzungen. Es beginnt mit dem Hinweis, dass Ultras, die Treuesten der treuen Fußballfans, normalerweise nicht mit den Medien reden.

Köncke hat eine lange HSV-Fanbiografie hinter sich. Der Schifffahrtskaufmann, der mittlerweile als Manager in einem Hamburger Traditionsunternehmen arbeitet, ist Mitglied der aktiven Fanszene, war Vorsänger der Nordtribüne und überzeugter Ultra der 2019 aufgelösten HSV-Gruppierung Poptown. Er hat über den Abstieg getrauert, unzählige Trainerwechsel verfolgt und sich über Millionenflops geärgert. HSV-Anhänger ist der Fußballfan natürlich geblieben. Und auch mehrfach beteuert, dass er für den HSV sterben würde.

Überraschenderweise (nach diesen Bildern) fasst Köncke seinen Ansatz wie folgt zusammen: „Es geht darum, dass die HSV-Fans ein Gehör finden und an der Entwicklung des HSV partizipieren.“ Dann widmet er sich in aller Deutlichkeit dem drohenden Niedergang des Fußballs im allgemeinen und dem gescheiterten Projekt „Super League“ im besonderen:

„Für den Moment ist es sicherlich gut, dass die Super League so schnell wieder gestoppt wurde. Aber fast am gleichen Tag wurde still und heimlich die neue Champions-League-Reform durchgewinkt, was in meinen Augen fast genauso schlimm ist. Es gibt so viele Missstände im Fußball, sodass das Aussetzen der Super League, sofern es denn überhaupt dabei bleibt, nur ein Etappensieg war. Die Verhinderung der Super League darf nur der Anfang sein. Es gibt viel mehr Themen, die wir angehen müssen. Die Champions-League-Reform, eine unverschämte WM in Katar und ganz grundsätzlich ein Fußball, der trotz Corona immer nur ein höher, schneller, weiter kennt. Dieser Fußball entfremdet sich jeden Tag immer mehr von der Basis und dagegen müssen wir uns wehren.“

Angesprochen auf die fast zeitgleiche Gründung der kritischen Initiative „Unser HSV“ sagte Köncke:

„Es geht vor allem darum, den allgemeinen Wunsch nach Veränderung im Geschäft Fußball auf den HSV zu projizieren. Es gibt ja auch schon konkrete Konzepte der Faninitiative „Zukunft Profifußball“, die zum Beispiel in die 17 Handlungsempfehlungen der DFL Taskforce eingeflossen sind. Eine dieser Empfehlungen lautet, dass die Faninteressen in den Aufsichtsräten der Clubs stärker berücksichtigt werden sollen. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass diese Empfehlungen irgendwann nach der Corona-Krise in den Schubladen der Vereinsoffiziellen verschwinden. Das wollen wir beim HSV auf keinen Fall zulassen.“

Die Frage, was sich beim HSV außerhalb des Platzes ändern müsste, wird wie folgt beantwortet:

„Es geht darum, dass die HSV Fans ein Gehör finden und an der Entwicklung des HSV partizipieren. Der HSV muss die Chancen erkennen, die beispielsweise in Diversität, Transparenz, gesellschaftlicher Verantwortung, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt liegen. Auch der Umgang mit Investorenmodellen, der Rechtsform und vieles mehr ist wichtig. Der Nordtribünen e. V. hat ja gerade erst im Herbst vier sehr konkrete Briefe veröffentlicht, die derartige Themen aufgreifen. In erster Linie ist es wichtig, dass uns Fans zugehört wird, die Interessen wahrgenommen werden und ein Austausch stattfindet. Wir wollen eine gegenseitige Wertschätzung und einen Verein, der eine klare Haltung und eine Identität ausstrahlt.“

Unmittelbar vor der Saison hatten die HSV-Ultras erklärt, dass sie erst dann wieder geschlossen die Mannschaft im Stadion unterstützen werden, wenn es keine Corona-Auflagen mehr gibt. Diese Marschroute gilt weiterhin und so darf man als aktiver Ultra auch mal verbal die Muskeln spielen lassen:

„Die aktive Fanszene hat sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was man mit Solidarität auch in diesen Zeiten bewirken kann. Es gab unzählige Aktionen und Hilfsangebote. Fans sind ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachgekommen. Von allen Fußballfunktionären kann man das nicht behaupten.“

Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass sowohl Markus Frömming als auch Marcell Jansen, die wie wir seit gestern wissen, den „Strategieausschuss“ innerhalb des Aufsichtsrats bilden, Köncke bereits kennengelernt haben. Ihre gemeinsame Einschätzung: Der frühere Fanvorsänger könnte sehr viel mehr Input in das neue Kontrollgremium bringen als nur Fan-relevante Themen. Bleibt nur noch zu klären, ob der Kandidat der Überprüfung durch den Beirat standhält, aber bei solchen Entscheidungen haben die Gremien des Grauens bisher noch immer einen Weg gefunden.

Quelle: Hamburger Abendblatt vom 06.05.2021

https://www.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article232218423/hsv-ultras-exklusiv-interview-henrik-koencke-poptown-vorsaenger-50-1-dfb-dfl-super-league-aufsichtsrat-kuehne.html

Wer noch tiefer in die Welt der aktiven Fanszene einsteigen möchte, dem sei geholfen…

https://unserhsv.de/

http://nordtribüne-hamburg.de/