Das Spiel gegen Sandhausen war dermaßen schlecht, dass es noch eines weiteren Blogs bedarf, um damit abzuschließen. Nachdem der Kader von Boldt am Deadline Day endlich komplettiert wurde und Walter in der Länderspielpause einige extra Trainingseinheiten spendiert hatte, wollten wir uns die Ergebnisse dieser Bemühungen mal aus der Nähe anschauen. Diesmal also rein in Block 18A, obere Reihe, dicht am Rasen, aber dennoch mit gutem Blick auf das gesamte Spielfeld. Was dann folgte, war ein wirklich unterirdischer Auftritt des HSV, der kaum noch zu ertragen war. Das Elend begann schon mit der Startelf: Schon wieder David in der Innenverteidigung, schon wieder Kinsombi auf der Acht, schon wieder Glatzel als zentralen Stürmer, schon wieder auf Reis verzichtet. Und dann bestätigte sich das, was sich schon in den letzten Spielen angedeutet hatte. Sämtliche Fertigkeiten, die im Trainingslager mühsam erarbeitet wurden, sind mittlerweile wieder weg: Die Abwehr ist nicht mehr stabilisiert, das Kurzpassspiel ist wieder schlechter geworden und die Pressingresistenz lässt zu wünschen übrig. Hinzugekommen sind unerklärliche Stockfehler, unnnötige Passfehler, katastrophale Flanken und unkontrollierte Schüsse ins Nirwana. Die insgesamt 15 Ecken blieben ohne jeglichen Wirkungsgrad und die Torabschlüsse waren unter aller Sau.

Da nützt es auch nix, dass der HSV 68% Ballbesitz hatte und angeblich drückend überlegen war. Dass der HSV wie entfesselt loslegte, ist wohl an mir vorbeigegangen. Wenn man zu Hause gegen eine der schlechtesten Mannschaften der zweiten Liga antritt, liegt es in der Natur der Sache, dass man versucht, das Spiel zu machen und sich dabei auch einige Chancen erarbeitet. Und wenn man wie vom Übungsleiter gefordert einen permanenten Angriffsfußball spielen will, mit ständigen Positionswechseln und direktem Gegenpressing, muss man zwar einen gewissen Aufwand betreiben, aber das Nonplusultra des Offensivfußballs hat man damit keineswegs erfunden. Im Übrigen entpuppt sich das so gern kritisierte Spielsystem von Tim Walter immer mehr als Luftschloss. Bisher habe ich noch keinen Spieler gesehen, der nach 60 Minuten vor Erschöpfung vom Spielfeld gekrochen ist und auch das angebliche Problem, dass der Kader nicht für Walters System geeignet ist, halte ich für nebensächlich.

Die Truppe offenbart einfach nur schlimme technische und taktische Defizite, die eindeutig auf mangelhaftes Training zurückzuführen sind. Offensichtlich hat der neue Übungsleiter „vergessen“, dass er weiter an taktischen Formationen feilen muss, dass Offensivspielzüge einstudiert werden müssen und dass Standards unbedingt trainiert werden müssen. Stattdessen bestehen die Trainingseinheiten mittlerweile hauptsächlich aus Übungen, bei denen ständig zusätzliche kleine Tore auf dem reduzierten Spielfeld stehen und Spielformen trainiert werden, die unter Wettkampfbedingungen kaum vorkommen. So gut Walter mit dem intensiven Trainingslager in die Sommervorbereitung gestartet ist, so schlecht hat er sich nach dem Saisonstart den verbliebenen Defiziten zugewendet. Wie bei allen anderen Trainern zuvor werden Spieler nicht verbessert und die Mannschaft nicht entwickelt, stattdessen ist man zum Standard-Modus für eine laufende Saison übergegangen und gut. Und das kurzzeitige Aufflackern einer höheren Intensität in der Länderspielpause wurde von Walter zwar zum Schleifen und Bestrafen genutzt, nicht aber, um die bekannten Probleme abzustellen. Offensichtlich steht der Übungsleiter nun ebenfalls unter dem unheilvollen Einfluss der Wohlfühloase.

Dazu passt auch, dass der HSV seine unsägliche Arroganz einfach nicht ablegen kann. Kaum hat man einen Vorsprung erzielt, stellt die Mannschaft sämtliche Bemühungen ein, weitere Tore zu schießen. Wie in schlimmsten Zeiten versucht man, das Ergebnis zu halten und den Vorsprung über die Zeit zu schaukeln. Und wie kann es sein, dass der neue Kapitän Schonlau, der gerade erstmal einige Wochen beim HSV spielt, nach dem Spiel berichtet, dass die Köpfe wieder angefangen haben, zu rattern. Sind die neuen Spieler wie Schonlau und Meffert auch schon vom HSV-Virus infiziert? Wenn Tim Walter wirklich so ein harter Hund ist und so viel Wert auf mutige Spieler legt, sollte er schleunigst daran arbeiten, diese HSV-typische Arroganz aus den Köpfen seiner Rumpelkicker zu bekommen.

In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung zu der Jubeltraube nach dem Siegtreffer: Ja, die Spieler haben sich zwar überschwänglich gefreut, genau wie das Publikum, aber diese Situation war nicht stimmig, nicht authentisch. Hätten sie gut gespielt und sich den Arsch aufgerissen und einen technisch akzeptablen Ball gespielt und den Gegner tatsächlich niedergekämpft, dann wäre dieser Jubel angemessen gewesen. Aber so wie sie gespielt haben, mit all ihren Defiziten, mit dem blinden Anrennen und dem Dusel, in der 6. Minute der Nachspielzeit noch den Siegtreffer gegen einen offensichtlich verletzten Keeper zu erzielen, hätten sie vor so viel Glück in Demut niederknien dürfen und vielleicht eine leise, dankbare Ehrenrunde machen können. Stattdessen wurde gejubelt und gehüpft, als ob sie gerade das Wunder von der Grotenburg wiederholt hätten. Arrogant und kein bischen selbstreflektiv, eben immer noch der große HSV. Im vierten Jahr in der zweiten Liga. Und das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht mehr ändern.

Was mir übrigens extrem auf den Sack geht, ist das Publikum, eine seltsame Mischung aus Eventfans und Dauerhüpfern. Die wollen um jeden Preis abfeiern, gröhlen Parolen wie Scheiß auf Schule und Arbeit, ignorieren den ganzen Leistungs-Beschiss und wollen am Ende nur jubeln und hüpfen. Diesmal gab es zwar keine Pfiffe, aber eine latente Genervtheit, dass für das teure Geld keine Tore und kein Sieg geliefert wurden. Am Ende wurden sie dann ja bedient und alles war tutti. Hätte der HSV das Spiel nicht noch regulär gewonnen, hätten sie alles für ihr „Recht auf Sieg“ gemacht. Und wenn Boldt auf die Anzeigetafel geklettert wäre und dort das Ergebnis manipuliert hätte, sie hätten es beklatscht und wären stolz nach Hause gegangen. Es bleibt dabei, das größte Kapital des HSV ist die Dummheit seiner Fans.

Zum Abschluss noch eine weitere Erfahrung zum Thema Einlasskontrolle. Dieses Mal musste ich nicht mal den Personalausweis vorzeigen. Die Kombination aus einem nicht personalisierten Online-Ticket und einem 3G-Nachweis, der aufgrund der fehlenden Identitätsüberprüfung nicht mal meiner Person zugeordnet werden konnte, reichten aus, um ins Stadion zu kommen. Weder gab es eine Leibesvisitation, noch wurde der prall gefüllte Rucksack überprüft. Alles im grünen Bereich…