Dieser Verein macht mich Karussell in meine Kopf. Ein Abstieg, der auch im vierten Jahr Zweitliga-Zugehörigkeit nicht wiedergutgemacht ist. Ein Finanzvorstand, der auch mit dem achten Millionen-Minus in Folge unangefochten im Sattel sitzt. Ein Sportvorstand, der seine Konzepte, Säulenspieler und Trainer schneller wechselt, als Sylvie ihre Stecher. Ein Ex-Vorstandsvorsitzender, der von genau den Menschen aus dem Amt gemobbt wurde, die er vorher in selbiges gehievt hatte. Ein Präsidium, dass sich dank hinterfotzigster Presse+Präsi-Intrigen in freiem Fall selbst zerlegt. Eine Kandidatenauswahl, die keine war. Ein Beirat, der im Hinterzimmer kungelt. Eine Wahl mit einer Wahlbeteiligung von 0,47 Prozent. Ein Wahlsieger, gewählt mit 267 von 83.000 Stimmen. Aufsichtsratsreformen, Strategieausschüsse, Fanbeteiligung,… je länger man sich mit der Situation des HSV befasst, desto unschärfer wird das Bild.

– Bereiten Jansen und Wettstein den Aktienverkauf von mehr als 24,9% vor?

– Kauft Kühne die Anteile und vielleicht sogar den ganzen Verein?

– Oder steckt da noch ein ganz anderer Plan und ganz andere Personen dahinter?

Intrigen, Pläne, Namen, Posten, Zahlen, Gedanken, alles schwirrt umher und bildet eine total verquirlte Gesamtsituation, die sich jeder erkennbaren Logik entzieht. Vielleicht hilft es, sich ein paar der Hauptakteure genauer anzusehen. Starten wir heute mit zwei Personen, die den Verein geprägt haben wie kaum ein anderer, obwohl sie mit der sportlichen Seite gar nichts zu tun haben:

 

Klaus Michael Kühne

Der geriatrische Paradeschurke in seiner Rolle als Richelieuhafter Strippenzieher im Alpenhintergrund. Aber ist er das wirklich? Die zentrale Frage lautet doch wohl: Was will der 84jährige Weiße Riese eigentlich noch mit dem Verein? Geht es nur um ein fast kindisch anmutendes „Haben wollen“ oder steckt in Wahrheit ein strategisches Ziel dahinter? Und wenn ja, welches? Um Profit geht es jedenfalls nicht und das allein ist bei KMK schon mehr als verwunderlich. Investiert er all die Zeit und das Geld wirklich nur für sich? Eines ist sicher, für seine Kinder tut er das nicht. Und irgendwann wird auch die Frage nach dem Alter und dem werten Gesundheitszustand relevant. Also was hat der Schlips-Babo der Stutzhaldenstraße wirklich vor?

Hinzu kommt: Die HSV-Aktien gehören gar nicht Kühne persönlich, sondern der Kühne Holding. Die ist zwar im alleinigen Eigentum von Klaus Michael Kühne, aber der Executive Chairman heißt Karl Gernandt. Grund genug, sich auch den Herren mal genauer zu betrachten.

 

Karl Gernandt

Gernandts offizieller Werdegang lautet so:

Nach dem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen begann Karl Gernandt seine Karriere bei der Deutschen Bank. Weitere Stationen waren die Unternehmensberatung A.T. Kearney mit dem Schwerpunkt Strategieprojekte im Finanzbereich, die Alsen AG und Holcim, zuletzt als CEO der Region Western Europe. Von 2009 bis 2011 war Karl Gernandt Delegierter und von 2011 bis 2016 Exekutiver Präsident des Verwaltungsrats der Kühne + Nagel International AG, seit 2016 ist er Vizepräsident. Außerdem ist er Executive Chairman der Kühne Holding AG, Stv. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hapag-Lloyd AG sowie Mitglied des Aufsichtsrats der SIGNA Prime Selection AG.

Soweit der offizielle Text. Eins ist sicher, der gute Mann kann Multitasking: Executive Chairman der Kühne Holding AG, Vice Chairman im Board of Directors der Kühne & Nagel International AG und Sitz im Stiftungsrat der Kühne Stiftung, die das Erbe des irren Iwan dereinst verwalten wird. (Da findet man u.a. auch zwei Ex-Senatoren, Dräger und Peiner, aber das nur nebenbei.) Als Chef der Holding hat er das Sagen bei dem 20%-Anteil der HSV AG. Dazu ist er Vice-Chairman des Board of Directors Hapag Lloyd AG, an der Kühne 30 Prozent hält, Präsident des Verwaltungsrats der Hochgebirgsklinik Davos AG sowie der HELP AG, einer internationalen Organisation im Bereich der Humanitären Logistik und, seit 2009, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der deutschen Logistik.

Diesen Mann umtriebig zu nennen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Der KlauMiphile Karl ist die zentrale Figur im Kühniversum und einer der treuesten und engsten Vasallen des Logistik-Moguls. Soweit kommt man nur mit bedingungsloser Loyalität und dem uneingeschränkten Wohlwollen von Frau Christine Kühne.

Beim HSV ist Gernandt kein Unbekannter. Er war eines der Gesichter von HSV+ und einer der Hauptinitiatoren der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Aktiengesellschaft. Von Juli 2014 bis Februar 2018 war er Mitglied des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG, bis Dezember 2016 sogar dessen Vorsitzender. Von dem Vorsitz trat Gernandt im Dezember 2016 aufgrund von Indiskretionen (Maulwurf-Affäre) innerhalb des Rates zurück, blieb dem Gremium aber als ordentliches Mitglied treu, bis er dann am 6. Februar 2018 endgültig ausschied.

Tatsache ist, Karl Gernandt ist ein vielseitig talentierter Mann. Wovon er aber leider gar keine Ahnung hat, ist das Profifußball-Business, denn er war noch nie in irgendeiner operativen Vereinsfunktion tätig. Und damit reiht er sich nahtlos ein in den Gesamtdefekt HSV Fußball AG.

Denn Tatsache ist auch, dass der Verein von Losern geleitet wird. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn sich das Führungspersonal so zusammensetzt:

– Ein Präsident, der als Spieler bei Bayern München nach nur einem Jahr geschasst und von Kalle Rummenigge als Fehleinkauf bezeichnet wurde.

– Ein Sportvorstand, der, obwohl bei Leverkusen eigentlich als Völler-Nachfolger aufgebaut, dort vom Hof gejagt wurde.

– Ein Finanzvorstand, der seine vorherigen Vereine 1860 und Alemannia Aachen in die Insolvenz beraten hat.

Es ist schwer vorzustellen, dass diese Fliegengewichte wirklich die starken Männer im Verein sind. Wohl eher Strohmänner. Das Sagen haben Kühne und sein Adlatus Gernandt. Und da es nicht ganz weltfremd ist, davon auszugehen, dass die Zeit den Alten vom Berg irgendwann aus dem Spiel nimmt, drängt sich eine Frage geradezu auf:

Kann es sein, dass es gar nicht mehr um Kühne geht, sondern um das, was nach ihm kommt? Und wer wird dann der neue starke Mann im Hintergrund?

Ehrlich gesagt, ich bin nach diesem Blog kein bisschen schlauer. Sorry, liebe Leser. Aber vielleicht habt Ihr ja Ideen, dann Feuer frei in den Kommentaren.

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