Ein Gastblog von Stefan

Moin Moin,

mein Name ist Stefan, ich bin Anfang 40 und komme aus dem Herzen Schleswig-Holsteins. Ich lese hier schon einige Jahre mit und inzwischen kommentiere ich auch manchmal. Ich bin u.a. der, der 3 Monate auf die Aushändigung seiner Ehrung zur 25-jährigen Mitgliedschaft warten musste und diese auch erst, nach mehreren unbeantworteten Mails an den HSV und eines FB Kommentares, erhielt.  Gemäß der Aussage eines Mitarbeiters wurde das Paket selbstverständlich per Hermes pünktlich losgeschickt, kam jedoch nie an. Es gab dazu niemals eine Versandbenachrichtigung oder ähnliches. Dies sei nur mal so am Rande erwähnt, verstärkte aber den ohnehin schon wachsenden Wunsch, hier einmal einen Gastbeitrag zu veröffentlichen, insbesondere als ich auf Grund der Tatsache mit der Mitgliedschaft durch die Blog-Betreiber kontaktiert wurde. Ich wollte daher meine aktive Fan Karriere vom Anfang bis zum bitteren Ende aufschreiben, allerdings ist dies in der Realität dann gar nicht mal so einfach. Deswegen möchte ich hiermit auch meine außerordentliche Anerkennung für die heutigen Blog Betreiber und natürlich Grave himself kundtun, denn jeden Tag etwas MIT INHALT zu veröffentlichen, ist mehr als anspruchsvoll.

Als ehemals aktiver Fahrer zu Auswärtsspielen in einem Zeitraum von 20 Jahren sowie langjähriger Dauerkarteninhaber, möchte ich mich deshalb eher mit dem Beschaffen von Eintrittskarten, den Vorverkauf und insbesondere der aktuellen (realen) Zuschauersituation beschäftigen.

Mein erstes Spiel erlebte ich 1985 im Volksparkstadion. Die Karten konnten damals an seiner örtlichen Vorverkaufsstelle erwerben. Bargeld gegen Karte, so einfach war das damals. Außer bei Spielen des sogenannten Nord-Süd Klassikers (der Begriff ist nun endlich in der Versenkung verschwunden) war das Beschaffen von Karten in dieser Zeit auch immer ohne Probleme möglich, da die Betonschüssel über ausreichend Kapazität verfügte und die Nachfrage stets überschaubar war, so dass sich der Schnitt von Mitte der 80er bis Mitte der 90er zwischen 20000 und 30000 Zuschauern einpendelte.

1995 sollte dann mein erstes Auswärtsspiel erfolgen. Es war kein geringeres als das letzte Spiel der Saison, in dem Borussia Dortmund die erste Meisterschaft seit Jahrzehnten feiern konnte. Für dieses Spiel hatten wir 5 Karten, leider fiel ein Kollege aus, so dass wir damals unsere erste Erfahrung mit dem Schwarzmarkt machten. Wir überließen die Karte für knappe 80DM einem Dortmunder Fan, welcher sein Glück anschließend kaum fassen konnte.

Nach diesem Spiel gab es kein Halten mehr und es folgten unzählige weitere Spiele in allen Bundesligastadien der letzten 20 Jahre und selbstverständlich auch viele Europapokal -und Freundschaftsspiele im Ausland. In den 90er / Anfang 2000er war das Kaufen von Eintrittskarten für Auswärtsspiele selten und für Heimspiele auch nur in Ausnahmefälle problematisch. Besonders schön waren dabei die Zeiten, als man seine Karte und das Zugticket noch persönlich in der Wandelhalle durch den SC in Empfang nahm und bar bezahlte.

Um 2005 Jahre wurde es dann, begründet durch eher erfolgreiche Zeiten, den Fußball Hype im Allgemeinen und der Einführung des Online Verkaufes, immer schwierige Karten für Auswärtsspiele zu erhalten. Es war bereits im Vorfeld bekannt, wie viele Karten es gab, so dass man sich stellenweise mit mehreren Kollegen gleichzeitig einloggte, um dann umso enttäuschter zu sein, dass stellenweise weniger als ¼ der Karten im Onlineshop zur Verfügung standen. Um die Chancen auf Karten zu erhöhen, entschlossen sich daher vermutlich viele für eine Mitgliedschaft im Verein, denn wie wenig der Großteil der Mitglieder überhaupt Interesse am eigenen Stimmrecht hat, konnte man in der Vergangenheit zu Hauf gesehen. Als Höhepunkt kann dabei zweifelsohne die letzte „Wahl“ gesehen werden. Nichts desto trotz ist die Vergabepraxis bisher alles andere als transparent und hatte stellenweise Auswüchse, die ich mich wütend machten. Ich möchte dies an einem Beispiel aus der Vergangenheit verdeutlichen. Konkret geht es dabei um das Rückspiel im Europapokal bei Fulham. Es gab natürlich viel zu wenige Karten (es müssten zirka 1500 Stück gewesen sein), so dass Tausende leer ausgingen. Wir machten uns jedoch auch ohne Karten auf den Weg nach London und schlichen stundenlang um das Stadion, mit der Hoffnung, doch noch Karten auf dem Schwarzmarkt zu ergattern. Als wir wenige Minuten vor Spielbeginn aufgeben wollten, erhielten wir allerdings tatsächlich noch 3 Karten zu einem Stückpreis von 150 Euro angeboten und schlugen zu. Im Nachhinein konnte man jedoch durch die CFHH lesen, dass sie sich aufrichtig für die tolle Unterstützung ihrer Freunde aus Kopenhagen bedankten, die somit ganz offensichtlich mit Karten versorgt wurden, während unzählige HSV Fans leer ausgingen.

Als letzte Anekdote aus der Vergangenheit möchte ich alle beruhigen, die der Meinung sind, die 300 Angestellten der Geschäftsstelle drehen den ganzen Tag nur Däumchen (ich verweise nochmal auf den Anfang mit den 3 unbeantworteten Emails). Für ein Heimspiel gegen den ungeliebten Nachbarn hatte ich 2 zusätzliche Karten für Bekannte erworben, welche die Karten dann schlussendlich doch nicht mehr haben wollten. Ich entschied mich daher für den Verkauf bei eBay Kleinanzeigen ohne jegliche Gewinnabsicht. Es dauerte sage und schreibe 60min bis ich die Nachricht vom HSV erhielt, dass der Weiterverkauf von Karten verboten sei. Des Weiteren wurden die Karten unverzüglich gesperrt, genauso wie mein Online Zugang beim HSV. Erst auf Nachfrage und Verweis auf meine langjährige Mitgliedschaft mit unzähligen Kartenbestellungen, wurde der Zugang nach 2 Wochen wieder entsperrt. Nichts desto trotz ist es schön zu wissen, dass zumindest in diesem Bereich ein funktioniere Kontrolle stattfindet.

Ich möchte nun zum eigentlichen Anlass meines Beitrages kommen, denn mich hat interessiert, wie sich durch die Pandemie und das erneute sportliche Versagen, der Zuschauerzuspruch inzwischen entwickelt hat.  Durch das fast tägliche Gejammer der Verantwortlichen nach Erhöhung der Kapazitäten (nicht nur in HH), stieg das Interesse zudem weiter an. Da der frühere Indikator des Dauerkartenverkaufs ja inzwischen entfallen ist, begann ich zum Heimspiel gegen Darmstadt, die zur Verfügung stehenden Karten im Onlineshop zu kontrollieren. Es zeigte sich, dass der Verkauf sehr schleppend von statten ging. Im Nachhinein war ich dann mehr als erstaunt, dass das Spiel offiziell ausverkauft gewesen war. Mich bestärkten daher Zweifel, da auch in meiner aktiven DK Zeit die präsentierte Zuschauerzahl mit dem tatsächlichen, optischen Eindruck im Stadion oftmals nicht zusammenpasste. Vermutlich wurden immer alle verkauften Tickets inklusive der DK gezählt, egal ob das Ticket tatsächlich den Eingang passierte oder nicht. Ich vertiefte also das Projekt und begann seit dem letzten Montag, täglich einen Screenshot der aktuellen Stadionauslastung im Onlineshop für das Heimspiel gegen Sandhausen zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt waren übrigens 17950 Zuschauer zugelassen.

Dies war also der Stand am Montag, den 06.09.2021:

Am Mittwoch sah es inzwischen so aus:

Man kann erkennen, dass inzwischen nur wenige Karten zusätzlich verkauft wurden sind. Am Donnerstag erfolgte dann durch die Stadt HH eine weitere Erhöhung der Kapazität auf nun 19950 Zuschauer. Die Erhöhung wurde dann auch im Laufe des Tages eingepflegt, dies ist u.a. deutlich im Block 8 und Block 11 zu erkennen:

Am Freitag erfolgte dazu der passende Bericht in der BILD. Die Vergrößerung der Kapazität wurde als „Der nächste Zuschauer-Witz der Stadt Hamburg“ überschrieben. Die Erhöhung war scheinbar auf Grund eines Widerspruches des HSV vom Wochenanfang verfügt worden.  Am Spieltag beobachtete ich die Lage im Onlineshop dann nahezu stündlich.

So sah es am Samstagnachmittag aus:

Man kann zwar erkennen, dass noch einige Karten verkauft worden sind, allerdings war für mich zu diesem Zeitpunkt klar, dass das Stadion nicht ausverkauft sein wird. Es waren schließlich nur noch 5 Stunden bis zum Spielbeginn.

Gegen 18:30 Uhr machte ich dann folgende, überraschende Beobachtung:

Man wird nun feststellen, dass plötzlich und unmittelbar vor Spielbeginn neue Plätze, insbesondere auf der Südtribüne zur Verfügung stehen. Ich stelle mir daher die Frage, ob nicht grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Plätze zum VVK Start angezeigt werden oder ob eine manuelle / automatische Steuerung erfolgt. Vielleicht möchte man so den Eindruck erwecken, dass nur noch wenige Tickets vorhanden sind, um dadurch einen gewissen Druck auf mögliche Zuschauer auszuüben.

Es folgt der letzte Screenshot 10 Minuten vor Spielbeginn:

Zu diesem Zeitpunkt konnte man letztendlich nur davon ausgehen, dass das Spiel nicht ausverkauft ist. Es geht daher nun zum spannenden Teil, denn was wird der HSV verkünden? Zwangsläufig musste ich mich also vor den TV setzen, wartete auf den entscheidenden Moment, der gegen 22:05 Uhr eintrat und sollte nicht enttäuscht werden. Wie ich nicht anders erwartet hatte, wurde meine Vermutung offiziell bestätigt. Viel besser war jedoch die anschließende Steilvorlage von Reporter und Peter Neururer, die das Thema Zuschauerauslastung sofort aufgriffen und dementsprechend euphorisch kommentierten, in dem man sagte, dass es nicht jeder Mannschaft gelinge, das volle Kontingent zu verkaufen. Neururer verglich den Zustand mit Hannover, wo die aktuelle Kapazität wiederholt nicht voll ausgeschöpft war und zeigte sich von der Hamburger Interessenslage begeistert.

Das Stadion war also gemäß der offiziellen HSV Meldung erneut ausverkauft. In wie weit diese Meldung zu den oben beschriebenen Beobachtungen und Screenshots in Einklang zu bringen ist, überlasse ich jedem selbst. Ein ausverkauftes Haus ist für die Sponsoren jedoch ein positives Zeichen und hört sich ganz anders an, als wenn der HSV am Samstagabend das ohnehin schon kleine Kontingent nicht komplett absetzen konnte. Ich glaube dabei nicht, dass dies ausschließlich mit den aktuellen Corona Auflagen zusammenhängt, sondern zu einem erheblichen Teil am jahrelangen Rumgestümper auf und neben dem Platz.

Man kann nur gespannt sein, wie sich zukünftig das Interesse entwickelt und welche weiteren Forderungen der HSV an die Stadt zur Kapazitätserhöhung stellen wird.