Mit dem gestrigen Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg war Tim Walter genau 100 Tage seit dem Trainingsauftakt am 18.06.2021 im Amt. Zeit für eine Bewertung seiner bisherigen Schaffensphase beim HSV? Nö! Das haben andere schon seit Wochen fleißig analysiert und vor einigen Tagen wurde beim NDR eine sogenannte Datenanalyse des Global Soccer Network veröffentlicht, in der Walters Stil als Hochrisiko-Fußball bezeichnet wird, während der leicht durchgeknallte Übungsleiter nicht müde wird, zu betonen, dass es bei seinem Stil vor allem um Mut geht. Ich halte von diesen mit technischen Werten überfrachteten Modellen nicht sehr viel und bevorzuge bei der Einschätzung lieber den gesunden Menschenverstand. Und der sagt mir vor allem zwei Dinge: Erstens: Die Chancenauswertung des HSV ist dringend verbesserungswürdig und im Verhältnis zum Aufwand schon fast als katastrophal zu bezeichnen. Zweitens: Walters aufwendigem Spielsystem fehlt die nötige Flexibilität, um in bestimmten Spielsituationen sinnvoll auf einen veränderten Spielverlauf oder auf die eigene schwindende Kraft zu reagieren. Wer sich für die genauen Werte der „expected goals“ und andere Statistiken interessiert, dem sei der folgende Artikel empfohlen, der übrigens frei zugänglich ist und nicht irgendwelchen „Blogfreunden“ zur Verfügung gestellt wurde…

https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga2/ndr-datenanalyse-trainer-walter-und-sein-hochrisiko-fussball-mit-dem-hsv-story100.html

Der Hauptkritikpunkt an Tim Walters Arbeit war und ist der Vorwurf, dass er sich nicht weiter entwickeln würde und aus seinen Fehlern beim VfB Stuttgart nicht gelernt haben soll. Wenn man den neuen Trainer des HSV länger beobachtet, tun sich erhebliche Zweifel auf, ob Walter tatsächlich dazu in der Lage ist,  allerdings gibt es auch andere Stimmen:

Walter lässt beim HSV mehr mit sich reden

Mit der medizinischen Abteilung, den Physios und seinem Trainerteam trifft sich Walter an jedem Trainingstag morgens zur Besprechung im Kabinentrakt. Im Gegensatz zu einigen Vorgängern beansprucht der Chefcoach für sich kein Einzelbüro. In der Regel sitzen alle zusammen in einem Raum und diskutieren an der Taktiktafel. Und Walter, so sagen es Beobachter, diskutiert gerne. Aber er lässt, anders als früher, auch mehr mit sich reden. Zu den Mitarbeitern des Staffs hat er in jedem Fall schnell Vertrauen gefunden. Bis auf seine Co-Trainer Julian Hübner und Filip Tapalovic kannte Walter zuvor keinen. Mittlerweile unternimmt die Gruppe auch privat viel zusammen. Walter lud bereits alle Kollegen zum Staffabend.

Im Umgang mit seinen Spielern wandert Walter dagegen stets auf einem schmalen Grat. Er kann sie verärgern, indem er ihnen gerne deutlich und direkt sagt, was sie in seinen Augen falsch machen. Im nächsten Moment nimmt er sie aber auch in den Arm und spricht mit ihnen. Die Gefahr, einen Spieler auf seinem Weg zu verlieren, ist bei Walter trotzdem immer auch gegeben. Der Trainer selbst klagte kürzlich darüber, dass die heutige Spielergeneration sensibler sei als früher und mit offener Kritik nicht gut umgehen könne.

Wie kritikfähig Walter selbst ist, war ein großes Thema in seiner Zeit beim VfB Stuttgart, als er nicht selten gereizt auf kritische Fragen reagierte. Einen Medienberater, wie viele andere Trainer im Geschäft, hat er nicht. „Ich bin so, wie ich bin“, sagt Walter. Seine Zeit in Stuttgart hat er reflektiert, sagt er selbst. Und sagen auch andere. Er passt jetzt ein bisschen besser auf, was er öffentlich sagt. Trotzdem, so heißt es, wirke er dabei noch immer authentisch.

Quelle:  https://www.abendblatt.de/sport/fussball/hsv/article233420341/hsv-news-walter-wandlung-sammer.html

Vor einigen Wochen wurde in den sozialen Medien und am Stammtisch nebenan noch vehement die Demission von Tim Walter gefordert, nun hat man sich an den kauzigen Fußball-Lehrer gewöhnt und es herrscht wieder mal Friede, Freude, Eierkuchen beim HSV: Man setzt auf die Jugend, man will was entwickeln, man braucht Geduld. Ja genau. Dringend benötigter Zweckoptimismus, denn der Saisonstart ist der schlechteste in den mittlerweile 4 Jahren der Zweitligazugehörigkeit. Nach 8 Spieltagen sah die Tabelle wie folgt aus:

  • Saison 2018/19: 4. Platz 14 Punkte 10:10 Tore
  • Saison 2019/20: 2. Platz 17 Punkte 19:7 Tore
  • Saison 2020/21: 1. Platz 17 Punkte 17:11 Tore
  • Saison 2021/22: 7. Platz 13 Punkte 14:10 Tore

Und natürlich leistet man sich weiterhin den mit Abstand teuersten Kader:

  1. Regensburg € 13,13 Mio.
  2. St. Pauli € 21,25 Mio.
  3. Heidenheim € 19,00 Mio.
  4. Paderborn € 16,65 Mio.
  5. Nürnberg € 22,73 Mio.
  6. Dresden € 11,60 Mio.
  7. HSV € 39,08 Mio. 

Tim Walter scheint fester denn je im Sattel zu sitzen und demententsprechend selbstbewusst trat er gestern Abend im Sportclub auf, siehe Link unter dem Screenshot.

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/sportclub/HSV-Trainer-Walter-Wollen-uns-belohnen-in-dem-wir-Spiele-gewinnen,sportclub12180.html

Noch ein Informations-Update zur Einlass-Kontrolle: Diesmal musste der Ausweis nicht vorgezeigt werden, sondern nur das weiterhin unpersonalisierte Online Ticket sowie der 3G-Nachweis, ohne dass der Order sich den genauer angeschaut hätte. Auf Leibesvisite und Rucksackkontrolle wurde erneut verzichtet.

Und sie können es nicht sein lassen: Auf HSV.tv wird bezüglich der Zuschauerzahl weiterhin vollkommen schmerzbefreit gelogen… 25.000 statt 21.337)