Der gespielte Witz

In den 70ern gab es eine Sendung namens Nonstop Nonsens mit dem einzigartigen Dieter Hallervorden. Jede Folge endete mit einem kurz gehaltenen Sketch, dem „gespielten Witz“. Genau daran fühlte ich mich beim Training am Mittwochnachmittag erinnert, aber eins nach dem anderen…

Nach den anhaltend schlechten Leistungen bei Flanken und Torabschlüssen (Tim Walter: “Wir müssen uns konsequenter belohnen.”), fühlte sich der HSV offensichtlich genötigt, auf der vereinsinternen Website ein bischen aus dem Nähkästchen zu plaudern und dem geneigten Zuschauer das Trainingskonzept einer typischen Trainingswoche etwas genauer zu erläutern:

Im Sinne der optimalen Trainingssteuerung sieht die Mitte einer Woche, solange diese von zwei Spielen am Sonnabend eingerahmt wird, für gewöhnlich die höchste Belastungsspitze im Training der HSV-Profis vor. Häufig wird dann zweimal am Tag trainiert, so auch am heutigen Mittwoch: Nach den Strapazen der Vorwoche (Atom-Gähn 🥱, der Autor) mit drei Spielen, darunter der 120-minütige Pokal-Krimi in Nürnberg und das jüngste Ligaspiel gegen Kiel (1:1), kehrten die Rothosen nach einer regenerativen Einheit am Sonntag und einem freien Tag am Montag am gestrigen Dienstagnachmittag zurück in den Trainingsalltag. Heute folgte dann die besagte Belastungsspitze mit ordentlich Feuer im Training. Auch wenn HSV-Cheftrainer Tim Walter dabei auf einige Akteure verzichten musste, präsentierten sich die Rothosen in verschiedenen Spielformen spritzig und engagiert. Am Vormittag stand unter anderem im Gruppentraining für die Offensive und Defensive das schnelle Umschalten auf kleinem Raum auf dem Plan, am Nachmittag wurde dann verstärkt im Vier-gegen-vier trainiert. 

Quelle:  https://www.hsv.de/news/mittwochs-doppelpack-am-volkspark

Ich habe mir den ganzen Bums dann vor Ort angeschaut und kann die Inhalte der beiden Einheiten grundsätzlich bestätigen und es war auch ordentlich Zug im Training 🤭 und die Spielformen wurden auch bis zum Torabschluss ausgespielt, allerdings wie meistens auf verkürzten Spielfeldern, was immer wieder dazu führt, dass die geübten Inhalte in den Spielsituationen auf dem Großfeld unter Wettkampfbedingungen nicht abgerufen werden können. Spezielle Torschussübungen, Flanken oder Standards kamen dabei nicht vor, schließlich wurde “sowas” bereits letzte Woche trainiert, aber dazu später mehr. Nach Abschluss der zweiten Einheit und nachdem sich die beiden anwesenden Medienvertreter vom Acker gemacht hatten, konnte man auf dem hinteren Trainingsplatz plötzlich ungewöhnliche Aktivitäten in der langsam einsetzenden Abenddämmerung erkennen. Dort hatten sich tatsächlich einige Spieler eingefunden, um sowas wie eine Extraschicht ranzuhängen. Was man dabei jedoch zu Gesicht bekam, spottete mal wieder jeder Beschreibung. Das lahme Rumgekicke dauerte gerade mal zehn Minuten 🙈 und war eine erneute Bankrotterklärung an alles, was mit Profifußball und Leistungskultur zu tun haben soll. Leider wurden erst kürzlich zusätzliche Sichtbarrieren um den Platz herum aufgebaut, sodass das Filmen für die Trainingskiebitze deutlich erschwert wurde, dementsprechend schlecht ist die Bildqualität des folgenden Ausschnitts.

Zur besseren Identifikation: Dort sind die Spieler Glatzel und Wintzheimer bei ihren devitalen Schussübungen zu sehen, unterstützt durch einen echten Keeper im Tor und unter professioneller Anleitung von Co-Trainer Merlin Polzin. Seitlich im Hintergrund kann man Kittel erkennen, der dazu verdonnert wurde, den Antifußballer Jatta mit Vorlagen zu bedienen, der seinerseits wiederum sowas wie Flanken reinschlagen sollte.

 

Die folgende Auschnitte stammen von letzter Woche und sind vom Twitter-Accout des HSV übernommen und werden dort als “Flanken und Abschlüsse stehen im Fokus” bezeichnet. Ich frage mich jedesmal: Soll das ein Witz sein? Ist das hier der gespielte Witz?

 

 

Ich werde nie begreifen, was solche Vorstellungen mit Profifußball zu tun haben und warum sowas von der sportlichen Leitung geduldet wird. Was für eine grausame Dokumentation der Wohlfühloase. Wirkungsgrad gleich Null. Niemand sollte sich also wundern, warum Flanken und Torabschlüsse weiterhin unterirdisch sind. So wie man trainiert, so spielt man auch.

Und HSV-Coach Tim Walter hat nichts besseres zu tun, als darüber zu fabulieren, warum es für den HSV auswärts besser als zu Hause läuft:

Elf Punkte holte der HSV in den bisherigen sechs Auswärtsspielen in dieser Saison. Demgegenüber stehen lediglich acht Zähler in den sechs Spielen im Volkspark. HSV-Trainer Tim Walter sieht dies vor allem in der Leistung seiner Mannschaft begründet: „Es liegt an uns, dass wir in unseren Aktionen konsequenter sind, vielleicht auswärts auch mal bessere Plätze vorfinden. Das kann ein Vorteil sein, wenn man so oft den Ball hat wie wir. Unser Rasen ist schon sehr frequentiert, auch dadurch, dass vor kurzem die Nationalmannschaft hier war. Von den Herangehensweise ist es aber vergleichbar, nur müssen wir einfach konsequenter sein. Sowohl zu Hause als auch auswärts.“

Wot? Der Mann redet zunehmend wirres Zeug. Hier die Pressekonferenz vom Donnerstag ohne 12 Minuten Leerlauf zu Beginn der “Sendung”:

Nachtrag: Beim 45-minütigen Abschlusstraining am Freitag wurden spontan noch einige Schussübungen eingebaut, “damit die Dinger morgen auch sitzen.” 🥳 Na denn…

Von | 2021-11-07T22:04:31+01:00 6. November 2021|Allgemein|22 Kommentare

22 Comments

  1. Freundchen 6. November 2021 um 10:12 Uhr

    Das ist vom Tempo her wie bei meinem Sohn in der E-Jugend😀

    Ich kann mir aber kein Urteil im Vergleich zu anderen Profimannschaften erlauben. Habt Ihr dazu Informationen?

    • UliStein 6. November 2021 um 13:08 Uhr

      Also ich habe diverse Einheiten bei der Eintracht aus Frankfurt gesehen, sowohl unter dem ehemaligen Übungsleiter als auch unter Glasner. Da geht es deutlich intensiver zur Sache.

  2. Maddin 6. November 2021 um 10:47 Uhr

    wir sind Dritter in der Statistik der zugelassenen Torchancen“, erklärt Walter. „Da sind wir im Vergleich sehr weit vorne. Deswegen ist die Entwicklung auf dem richtigen Weg.
    ?????????? Verstehe ich da was falsch ?😒

  3. Demosthenes 6. November 2021 um 10:55 Uhr

    Der Rasen ist schlecht?

    Ich dachte, bei der Future AG HSV wird die Rasenqualität mit Drohnen gemessen und überwacht. So hat es uns jedenfalls der Vereinsspezialist für anthropologische Vegetationsdecken und Direktor für Technologie und IT, Dr. Karsten Zimmermann weis gemacht.

  4. St. Patrick 6. November 2021 um 13:56 Uhr

    Erschreckend! Selbst im Zusatztraining werden die Flanken reingezittert…
    Umso wichtiger: Danke Alex für die unermüdliche Dokumentation dieser Zustände!

  5. Gravesen 6. November 2021 um 15:08 Uhr

    In keinem anderen Blog auf diesem Planeten tummeln sich derart viele professionelle Arschlöcher wie in Münchhausens Insolvenzblog. Angefangen beim Blogbetreiber über Wichser wie AlwaysUltra, Riesumm etc. Die meisten dieser Penner würden in der freien Wildbahn 10 mal auf Tag was auf die Fresse kriegen, wenn sie sich so artikulieren würden wie bei TschüsVollspack, aber draußen kriechen die hohlen Frührentner nur verschlagen rum. Die große Fresse rei0en sie nur im Arschloch-Blog auf.

  6. Mofafahrer 6. November 2021 um 15:52 Uhr

    Happy Birthday Bakary Daffeh.

    • Gravesen 6. November 2021 um 15:59 Uhr

      Zum 31. ?

  7. Knäbels Rucksack 6. November 2021 um 16:35 Uhr

    Denen ist nicht mehr zu helfen. Aber sicher ist zum Jahresende auch Schluss bei diesem “Bolg”. 🙂

    • atari 6. November 2021 um 17:04 Uhr

      der Blog rennt und spült Unmengen Geld in die Kasse weil Buffy immer diese Gelenkkapseln kauft.

  8. Goldfather 6. November 2021 um 18:14 Uhr

    Dokumente des Grauens. Danke Alex !
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    Wenn ich mir die Ballannahmen anschaue, weiß ich warum die Mannschaft in der gegnerischen Hälfte nichts gebacken bekommt. Die Bälle springen bei 30 bis 40% der Annahmen. Doch wenn der Ball auf engstem Raum springt ist der Gegner bereits da und es ist zu spät für eine kontrollierte Flanke oder einen kontrollierten Torschuss. Das ist Basistechnik.
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    Bei Ajax scoutet man auf Charakter, Siegeswille, Schnelligkeit, Intelligenz (Spielintelligenz) und Technik. Technik ist von all diesen Eigenschaften jedoch die unwichtigste, weil man sie erlernen kann. Kein Trainer wird es schaffen den Charakter eines Spielers wesentlich zu verändern, genauso wenig wird er etwas an der Spielintelligenz verändern können und an der angeborenen Laufgeschwindigkeit. Wobei ich das mittlerweile etwas anders sehe und glaube, dass dort im Bereich der Athletik ebenfalls eine Menge bewegt werden kann im Training.
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    Die Technik jedoch ist nichts anderes als harte Arbeit. Tag für Tag. Und wenn eine Profitruppe, wie die des HSV, seit Jahren technisch unsauberen Fußball spielt, dann bedeutet das nichts anderes, als dass die verantwortlichen Trainer und Sportvorstände ihren Pflichten nicht nachgekommen sind, weil es ihnen grundsätzlich am Arsch vorbei geht.
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    Und wenn ich dann den HSV-Wochenendspruch höre “wir haben uns leider nicht belohnt” dann kotze ich im Strahl. Denn, wie sollten sie sich belohnen können, wenn sie technisch überhaupt nicht in der Lage sind sich in engen Räumen einen sauberen Abschluss erarbeiten zu können? Schließlich verlange ich von einem Kind am Klavier auch keine abendfüllende Unterhaltung auf hohem Niveau.
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    Am traurigsten ist das selbstgebastelte Zusatztraining anzuschauen, da dort immerhin Spieler auf dem Platz stehen die wissen das sie Probleme haben und das sie etwas tun müssen. Allerdings ist die Unterstützung des Clubs jämmerlich. Für so ein Zusatztraining sollte ein Proficlub, der sich als Konzern begreift, qualifizierte Trainer, Ballmaschinen und Videoanalysen zur Verfügung haben. Zumindest drei bis vier Co-Trainer die Zug und Struktur in die Geschichte bringen. Normalerweise sollte jedem einzelnen Profi für Ballarbeit und Schusstraining die Anlage 24/7 zur Verfügung stehen und zwar mitsamt eines Stabes an Trainern und Analysten.
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    • Gravesen 6. November 2021 um 18:16 Uhr

      Hast du schon mal selbst gespielt und ich meine nicht mit ner Cola-Dose auf dem Schulhof?

      • Goldfather 6. November 2021 um 18:22 Uhr

        Klar, habe ich selbst gespielt und ich sehe es ähnlich wie die Scoutingabteilung von Ajax. Natürlich wird aus einem Winzheimer kein Diego Maradona, aber doch höchstwahrscheinlich ein Spieler mit einer vernünftigen Schusstechnik.
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        • Gravesen 6. November 2021 um 18:28 Uhr

          Du kannst sicher vieles trainieren. Physis, Kondition, auch sowas wie Handlungsschnelligkeit etc. Aber du kannst trainieren bis zur Bewusstlosigkeit, du kannst aus einem Anti-Techniker keinen Rastelli machen. Da geht es um Veranlagungen etc. Man kann durch Wiederholungen sicher die Technik verbessern, aber du kannst sie nicht hervorrufen,

  9. Goldfather 6. November 2021 um 18:57 Uhr

    Tja, ich glaube, dass du sehr früh beginnen must mit der Technikschulung. Am besten irgendwo zwischen fünf und acht Jahren. Bei den Profis des HSV halte ich die meisten Stoppfehler für Nachlässigkeiten die durch einen schlampigen und nicht besonders innovativen Trainingsbetrieb entstehen.
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    Ich habe als Jugendspieler ungefähr eine Handvoll Spieler erlebt die später Profis wurden. Und alle haben sie mehr und härter gearbeitet als der Rest. Ich kann mich an Szenen auf einem alten dreckigen Grandplatz in strömendem Herbstregen erinnern, als ein Spieler aus einem älteren Jahrgang, der später tatsächlich Profi wurde, schwere nassgeregnete Lederbälle nach Flanken per Kopf in das Tor gehämmert hat, während der Rest des Clubs, inklusive meiner Person, froh war Feierabend zu haben und die Anlage verließ.
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    Der HSV hat in meinen Augen nie besonders viel Wert auf die Ausbildung von Spielern gelegt, weshalb ein guter Freund von mir es direkt in Bremen mit einem Probetraining bei Werder versucht hat, was ihm allerdings direkt vor Augen geführt hat wie weit entfernt er als guter Amateurspieler von den Profis ist. Und so ähnlich machen es auch heutzutage noch viele Hamburger Talente, die allesamt davon ausgehen bei anderen Proficlubs bessere Bedingungen für eine Entwicklung vorzufinden als beim HSV.
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    • atari 6. November 2021 um 19:36 Uhr

      was viele nicht bedenken, wenn ein junger und ehrgeiziger Spieler irgendwann merkt, dass er viel mehr drauf hat als die Anderen, dann arbeitet er noch verbissener für sein Ziel Profi zu werden weil er Blut geleckt hat während andere arbeiten können bis zum Erbrechen aber dadurch trotzdem niemals ein höheres Niveau erreichen werden.

  10. Sportjournalist Scholz 6. November 2021 um 20:55 Uhr

    Ohhh keine Auswärtscouch…bringt Ihm keiner Getränke

  11. Ralf Schulz 6. November 2021 um 21:32 Uhr

    Hallo Alex, vielen Dank für die Trainingseindrücke, die ersten 45 Minuten unterstreichen das Elend zu 100%. Bei Glatzel und Jatta habe ich wirklich die Befürchtung das sie sich bei der Ballannahme jetzt irgendwann selbst das Bein brechen!!! Die technischen Unzulänglichkeiten sind wirklich katastrophal. Das Spiel müsste ja bereits deutlich entschieden sein, furchtbar anzuschauen, da stimmt doch wirklich gar nichts. Aber wenn man sich die Aufstellung auch anschaut, spielt man ja praktisch nur mit 7 Mann, von dem her ist ein Remis ja noch richtig gut😀😀😀.
    Man kann das Ganze wirklich nur noch mit ganz viel Galgenhumor ertragen!!!!!!!

  12. Alex 6. November 2021 um 22:52 Uhr

    Wie man trainiert, so spielt man. q.e.d. 🥱

  13. Gravesen 7. November 2021 um 05:37 Uhr

    Hat der HIV gestern gespielt? Gegen wen und wie war das Ergebnis? 😂😂

  14. Gravesen 7. November 2021 um 06:16 Uhr

    HSV-Profi Reis: „Der Barça-Spielstil hat mich geprägt“

    Mhuhahahahahahahahahahahahahahaha…Genau 😀 😀 Und der Spielstil der traurigen Staubstraße in Gambia hat Herrn Daffeh geprägt

  15. Maddin 7. November 2021 um 07:28 Uhr

    Dabei sah der Rasen in Karlsruhe doch ganz gut aus. Schön grün fluffig und Seidenglänzend.😁

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