Zur Zeit liegen beim HSV die Themen auf der Straße. Wettsteins Bilanz des Grauens, weitere Aktienverkäufe, AG-Hauptversammlung, Wüstefeld und Jansen, zu bloggen gibt’s genug. Aber dann geschah gestern eine Pressekonferenz, die alles in den Schatten stellt. Tim Walter steht vor dem Spiel gegen Jahn Regensburg den Journalisten Rede und Antwort. Und was waren das für Antworten.

In der PK saß ein ostentativ gut gelaunter Tim Walter. Das wirkte leicht befremdlich, weil der Grund seiner Fröhlichkeit nicht unbedingt nachvollziehbar war. Schon bei der Antwort auf die erste Frage vom Catweazle des Stader Tagblatts beschlich mich dann ein seltsames Gefühl. Catweazle:

„Mit vier Stammspielern in der Abwehr, Vagnomann, David, Leibold und jetzt Heuer Fernandes brechen Ihnen ja wirklich Leistungsträger weg. Wie schwerwiegend sind die Ausfälle und was können Sie unternehmen, um sie zu kompensieren?“

Walters Antwort:

„Das ist eine gute Frage, weil öhm, äh, klar ist das augenscheinlich, trotzdem haben wir ja Jungs hinten dran, die trainieren und ich hab ja schon von Beginn der Saison gesagt, dass wir alle Spieler im Kader brauchen und deswegen trainieren wir ja auch so, wie wir trainieren und das ist natürlich auch der Grund, dass wir die jetzt auch einsetzen können, die hinten dran sind.“

Hä? Warum sagt er nicht, welche „Jungs“ das sind, warum nennt er keine Namen? Und was hat das jetzt mit dem Training zu tun? Dann scherzte ein breitgrinsender Walter zur Nachfrage ein aufgedrehtes „Zu spät, zu spät“ in den Raum:

„Nochmal ein Wort zu Heuer Fernandes: In der offiziellen Mitteilung steht, er wird einige Wochen fehlen. Einige Wochen können zwei sein, es können aber auch sechs, sieben sein, wie ist das zu definieren?“

Die nächste Antwort von Walter war dann nur noch skuril:

„Genauso, wie Sie sagten. Wir sind nur dran interessiert, dass das Ferro ein gutes Gefühl hat, dass er selber dann auch entscheiden kann hinsichtlich seines Zustandes und auch mit Hilfe unserer Ärzte und Physios, dass wir da ein gutes Gefühl haben und das er vor allem ein gutes Gefühl hat. Wir wollen ihn da in nichts reindrängen und von daher muss er das dann auch teilweise selber entscheiden und wenn er soweit ist und wenn er das Gefühl hat und die Ärzte das Gefühl haben, dann wird er wieder auf dem Platz stehen. Aber von unserer Seite und von meiner Seite, genauso wie für Sie: Ich weiß es nicht.“

Da musste Walter selber lachen nach dieser verschwurbelten Nullantwort, die sich auf vier Worte verdichten lässt: Er weiß es nicht. Vom Feeling her aber mit jeder Menge Gefühl. Mir fiel dazu spontan der Song einer NDW-Kombo namens Ideal ein: „Zu viel Gefühl, Deine blauen Augen machen mich so sentimental, so blaue Augen, wenn Du mich so anschaust, wird mir alles andere egal.“ Bei Ferro wird jedenfalls nicht mit offenen Karten gespielt. Diese Salamitaktik bei Krankenstandsmeldungen läßt vermuten, dass es im Hintergrund um ganz andere Dinge geht.

Dann frug ein Göbel-Klon namens Finn Freitag von Radio NRJ im Anschluss, wie das Training in der Länderspielpause aussieht. Schwurbel-Walter legte los:

„Wir legen jetzt nicht die Beine hoch, sondern es geht ja alles weiter. (…) Aber wir versuchen, die Zeit natürlich so intensiv wie möglich zu nutzen, um letztendlich individuelle Dinge noch mehr zu trainieren, was wir unter der Woche auch sehr, sehr viel machen. Aber in der Zeit hast Du es vielleicht fernab jeglichen Stresses vielleicht nochmal ein bisschen einfacher und ja, ohne, ohne Stress, ja was ich sagte, mit den Jungs zu trainieren und von daher nützen wir die Zeit sinnvoll, um die Jungs weiterzubringen.“

Gute Güte, erbarme sich doch mal bitte einer im Verein und verpasst dem Fußball-Coach einen Sprech-Coach. (Aber bitte nicht den von Mega-Speaker und Bühnen-Charismatiker Marcell Jansen.) Hier der O-Ton zum Genießen:

 

Zurück zum Inhaltlichen: Wo wird denn beim HSV sehr, sehr viel trainiert und individuell verbessert? Da könnte man ruhig mal nachhaken. So von der Außenlinie beobachtet sieht das eher traurig aus, was da auf dem Platz passiert oder besser nicht passiert. Und von was für einem Stress ist da die Rede, bitteschön? Stress beim Training? Ich glaub, ich bin im falschen Film! Seltsamerweise hakte dann der Prakti vom Hamburger Auftragsblatt tatsächlich nach:

„Ich habe eine Frage zu Mario Vuskovic: Wie haben Sie denn seine Entwicklung zuletzt wahrgenommen und reichen Ihnen zwei Trainingseinheiten mit der Mannschaft, um am Sonnabend gegen Regensburg Jonas David zu ersetzen?“

Stammel-Walters Antwort:

„Seine Entwicklung finde ich sehr gut. Er hat bereits gegen Nürnberg nachgewiesen, dass er auf diesem Niveau spielen kann. Natürlich ist es ein bisschen schade für ihn, weil Jonas, der ja auch von Beginn an nicht so von allen gesehen wurde, außer von mir vielleicht, der dann auch seine Erfahrungen gesammelt hat. Von daher ist es natürlich schade für Mario, die Erfahrungen zu sammeln, aber ich bin total zufrieden mit dem, wie er sich im Training gibt, wie er sich grade als Mensch und als Spieler auftut. (…) Von daher bin ich mit allem, was er tut, sowohl persönlich als auch sportlich total zufrieden.“

Ok, Mr. Talentschnüffler, Du bist der Einzige, der Jonas gesehen hat, toll. Schön auch, dass Super-Mario sich als Mensch so auftut, aber was ist jetzt so schade und welche Erfahrungen sind von wem zu sammeln? Und warum sagst Du nichts zum Training? Stattdessen bölkt Walter auf Phillips Bemerkung „Gibt noch ‘ne Nachfrage“ laut in die Kamera: „Aber keine Antwort!“

Wie lustig. Unser Trainer hat wohl einen Horror-Clown gefrühstückt. Aber das Auftragsblatt traut sich und setzt nach bezüglich der wenigen Trainingseinheiten. Und Walter legt los:

„Grundsätzlich ist alles möglich, habe ich vorhin schon gesagt, wir können mit drei agieren, wir können mit vier agieren, ob des denn Mario, Gjambo, Mo, Bascho sowieso oder Miro, grundsätzlich haben wir eine Auswahl, die uns hilft, ‘ne gute Elf auf den Platz zu schicken.“

OK, aber das war keine Antwort auf die Frage, ob zwei Trainingseinheiten ausreichen. Außerdem: Vorhin hat Walter mal gar nichts zur Aufstellung gesagt, diese Namen hören wir zum ersten Mal in der PK. Was stimmt nicht mit dem Mann. Hält der das alles für einen Witz? Man hat stellenweise das Gefühl, er macht sich lustig über die versammelten Herren Journalisten. Außer bei BILD, da wird er immer ernst, wenn die was fragen.

Auch mit Braasch von der mopo entspinnt sich folgender launiger Dialog:

Braasch: „Ja, ich habe drei Fragen…“

Walter: „Das sind zwei zuviel!“

Auf die erste Frage, wie viele Tickets verkauft sind, gibt’s eine schnelle Antwort: knapp 22.000. Also sehr wenig. Dann hat man auf dem Podium Schwierigkeiten, bis drei zu zählen und versucht, die Fragen zu sortieren. Frage 2 (oder war es 3?) muss wiederholt werden. Braasch:

„5 Spiele noch bis Weihnachten, was wäre denn eine zufriedenstellende Punkteausbeute für Sie?“

Walter:

„Mir geht’s gar nicht da drum, wie viele Punkte das wir holen, mir geht’s da drum, ja, dass wir unsere Leistung auf‘m Platz bringen. Und das, was ich vorhin schon bereits ansprach, was wir schaffen, dass wir alles investieren, das wir, ja, viele, viele Kilometer abreißen, dass ist das, was uns stark macht, und was wir immer abliefern können und ich glaube, dass ist das Entscheidende, als Erstes, und das Andere ist, unsere Leistung zu kompensieren und noch weiter zu verstärken, das ist das Andere. Weil, dann können wir sagen, dass wir genau das, was wir immer vorhaben, auch entwickeln wollen und Bereitschaft und Mut einfordern, dass dann letztendlich die andere Sache von alleine kommt. Wenn wir daran arbeiten, unsere Leistung, wie ich es vorhin bereits ansprach, weiter zu kompensieren und da dran weiter zu arbeiten, dann können wir über die andere Geschichte reden, vorher nicht.“

Was zum Teufel?!? Eine unglaubliche Antwort. Völlig sinnentleert und unverständlich. Man fragt sich: Was redet der da? Auch die anwesenden Journalisten bleiben sprachlos. Ich stelle den Ausschnitt mal ein (Dank an Blogbruder Alex), damit sich jeder selbst ein Bild von der verwirrenden Sprechweise und dem Seltsam-Faktor des Gesagten machen kann:

 

Wir halten fest:

Erstens: Es ist Walter egal, wie viele Punkte aus den nächsten fünf Spielen geholt werden. Zweitens: Was den HSV stark macht ist, dass sie „viele, viele Kilometer“ abreißen. Drittens: Walter will erst die „Leistung kompensieren“ und nur dann viertens: über die „andere Geschichte“ reden.

Und das kommt von dem Mann, der bisher jedes Spiel gewinnen wollte. Plötzlich sind ihm Punkte egal. Das macht fassungslos. Was ist da passiert? Ok, eine Zahl hätte keiner in der Situation genannt, denn da könnte man ja drauf festgenagelt werden. Aber offen zu sagen, mir geht es nicht um Punkte, und damit ungefragt durchzukommen, das geht nur beim HSV.

Das die Mannschaft außer viel Gerenne nichts gebacken kriegt, sieht jeder Blinde mit Krückstock. Seine Spieler so mit der Nase drauf zu stoßen, dass sie unfähig sind, Fußball zu spielen, das geht nur beim HSV.

„Leistung kompensieren?“ Was soll das überhaupt heißen? Der Duden sagt zur Bedeutung des Begriffs „kompensieren“: „ausgleichen, durch Gegenwirkung aufheben“. Also meint Walter, er will Leistung ausgleichen, durch Gegenwirkung aufheben? Wie denn, mit was denn und vor allem, warum denn? Kompensieren kann man nur, wenn etwas fehlt. Hat er das gemeint, seine Jungs bringen keine Leistung? Ok, aber mit was kann ein Trainer denn fehlende Leistung bei seinen Spielern ausgleichen? Dieser Mensch ist mir ein Rätsel. Genauso, wie die „andere Geschichte“. Was soll das denn jetzt sein? Würde Walter nicht so wohlgelaunt und munter dagesessen haben, man hätte schwören können, er spricht im Delirium. Wie gesagt: Das geht nur beim HSV.

Ich verlinke die PK mal unten, den Rest kann sich jeder selbst anschauen. Mir reicht‘s für heute. Wenn dasTeam so spielt, wie Walter auf PKs antwortet, sehe ich schwarz für Samstag. Bitte belehrt mich eines Besseren.

Wie sagte Blogvater Grave gestern so schön: Switch Reloaded könnte es nicht besser machen.

In diesem Sinne: NdHSV.