Na schön, das war sie also mal wieder, die Transferphase Winter 2021/22. Ein ohnehin schon finanziell und auch sportlich gebeutelter HSV gab in diesem Winter die Spieler Meißner (Leihe nach Rostock) und Doyle (zurück zu ManCity) ab und holte dafür den Georgier Giorgi Chakvetadze aus Gent. Dessen Leistungsdaten sehen beängstigend aus, für Gent hat der Mann in der letzten Saison ganze 286 Minuten (in 8 Spielen) auf dem Platz gestanden, in der Saison davor ganze 177 Minuten (in 3 Spielen). Nicht wirklich viel für einen Spieler, von dem die Hofberichterstatter jubeln, dass einmal die gesamte Champions League inkl. Bayern und Barcelona an ihm interessiert gewesen sein soll. Also – was stimmt mit dem 22-Jährigen nicht? Seit 2018 erlitt der Mann insgesamt 4! Knieverletzungen, aber das kann eigentlich nicht die ganze Wahrheit sein. Denn 1. ist die erste belgische Liga nicht wirklich mit der Champions League zu vergleichen und 2. heilen selbst solche Verletzungen bei richtiger Behandlung irgendwann aus. Nun soll also ein Spieler ohne Spielpraxis, ohne Sprachkenntnis, ohne Kenntnis des von Trainer Walter bevorzugten Systems in 14 ausstehenden Spielen den Unterschied zu Darmstadt, St. Pauli, Schalke, Bremen und Co. ausmachen? Hinzu kommt, dass man bei einem aktuellen Kader von 25 Spielern zur Zeit mehrere Langzeitverletzte hat (Leibold, Suhonen, Gyamerah, Vagnoman, Rohr), einige Spieler, von denen man nicht weiß, wann und ob sie wieder einsatzfähig sind (Ambrosius etc.) und einige Akteure, die einfach nicht mehr zu ihrer Form finden (Wintzheimer, Kinsombi). Dazu den abwandernden Alidou, fertig ist das Kaderproblem. 

Tatsache ist, dass der HSV derartig dünn aufgestellt ist, dass absolut nichts passieren darf. Sollten sich Kittel oder Glatzel oder am besten noch beide verletzen und längerfristig ausfallen, kann man den angestrebten Aufstieg abhaken. Wenn man dann noch solche Aussagen eines bekennenden HSV-Fans zum neuesten Juwel lesen muss, kann einem Angst und Bange werden, sollte man dem Verein Gutes wünschen. 

Chakvetadze ist dabei kein Spieler für den letzten Pass (so wie Sonny Kittel), sondern eher für den vorletzten. Deutlich wird dies auch an der geringen Anzahl an Strafraumaktionen sowie anhand der genauen Zuspiele ins letzte Drittel. Defizite weist der Nationalspieler in der Defensivarbeit sowie im finalen Passspiel auf. Insbesondere bei seinen Steckpässen muss er am Timing arbeiten. (Quelle:  CREATEFOOTBALL)

Das klingt vielversprechend 😀 Dennoch sind sich die Herren Mutzel und Boldt nicht zu schade, irgendeine Kacke von „jahrelangem Scouting“ und „Spieler mit dem gewissen Etwas“ zu sülzen, was natürlich von der heimischen Auftragspresse begierig aufgenommen wird. Doch warum hat man seitens des Vereins nicht intensiver und vor allem eher auf die Situation reagiert. Auch wenn es Heimschläfer Boldt überraschen mag, eine Transferperiode beginnt nicht grundsätzlich zwei Tage vor ihrem Ende. Und die ebenso chronische Selbstverliebtheit und Überheblichkeit, mit der ein durchschnittlicher Zweitligist immer wieder meint, bei Arsenal (Amaechi), ManCity (Doyle), Summerville (Leeds), Motika (Bayern), Adamyan (Hoffenheim) oder Gassama (PSG) wildern zu können und am Ende entweder abblitzt oder mit Ausschussware abgespeist wird, zeigt tatsächlich eher, dass man wohl weniger an tauglichen Spieler und mehr an der eigenen Reputation interessiert ist. Nach dem Motto „Ist doch egal, was der Junge kann, solange ich behaupten kann, ich kann sogar Spieler aus England holen“ wird beim HSV in fahrlässigster Art und Weise der letzte Rest der sportlichen Zukunft an die Wand geklascht. 

Der Pöbel (Copyright Abendblatt) wird dabei natürlich von den Hofberichterstattern weiterhin bei Laune gehalten, denn erst dann, wenn die Amaechis und Doyles gescheitert sind, wird die längst bekannte Wahrheit verkündet, man kann es inzwischen auch als das Wettstein-Prinzip bezeichnen. Denn auch beim HSV-Sanierer und Finanz-Druiden wurde das Fallbeil erst gezückt, als der Mann (natürlich mit Abfindung) vom Hof geritten war. Davor hatte man ihm in hündischer Gefolgschaft 7 Jahre lang den Rücken freigehalten, obwohl jeder Blinde mit Krückstock sehen konnte, was man sich dort ins Haus geholt hatte. Doch noch einmal zur finalen Frage: Warum tut der HSV nichts, obwohl er müsste, um das Saisonziel nicht zu gefährden. Natürlich erklärt der Heimschläfer, dass man auf den letzten Drücker keine „verrückten Sachen“ machen wollte (hatte er in den letzten Jahren mit Amaechi, Doyle Ulreich, Leistner, Gjasula, Ewerton, Schaub, Beyer, Harnik, Letschert und Co. ja auch noch nie getan), die Wahrheit ist jedoch eine andere. Man kann einfach nicht. Man kann ja nicht mal mehr eigene Spieler (Alidou) halten, geschweige denn, vielversprechende andere Spieler leihen oder gar kaufen. Der HSV wird, und diese Situation würde sich durch einen erneuten verpassten Aufstieg noch maßgeblich verschlechtern, in Zukunft ausschließlich auf ablösefreie Spieler und Leihen angewiesen sein, der Kauf eines Spieler wird nur dann möglich sein, sollte man irgendwann einmal wieder einen eigenen Kicker verkauft bekommen. Nur, wer sollte das sein? 

Ganzkörperkrampf Vagnoman? Doppelt-Kreuzband Ambrosius? Wackelfuß David? Na herzlichen Glückwunsch. By the way Glückwunsch, nach dieser Saison laufen auch noch 7 Verträge (Alidou, Gyamerah, Rohr, Wintzheimer, Muheim/geliehen, Kaufmann/geliehen, Chakvetadze/geliehen) aus. Herzlichen Glückwunsch.