Ich habe lange geschwankt zwischen den beiden Titeln zu diesem Blogbeitrag und noch länger überlegt, ob ich den Beitrag überhaupt schreiben soll, denn ich bin einfach nur noch müde und desillusioniert, was den HSV angeht. Leider sind beide Themen untrennbar miteinander verbunden.

Wieder haben sie es verkackt, wieder haben sie es nicht geschafft, aufzusteigen, noch immer sind die gleichen Versager in den Führungspositionen und mittlerweile geht es in die fünfte (!) Saison als Zweitligist. Und trotzdem wird schon wieder gehüpft, dass sich die Balken biegen. Diesmal soll es also einen Durchmarsch geben, der direkte Aufstieg des HSV ist bereits beschlossene Sache. Soll das eigentlich ein Witz sein? Und überhaupt: Warum besucht man als Fundamentalkritiker in dieser Situation ein Trainingslager des HSV?

Nachdem ich beim Abstieg 2018 live im Stadion Zeitzeuge der wohl peinlichsten Ehrenrunde aller Zeiten werden musste, reifte der Entschluss, die Ursachen für den nicht enden wollenden Niedergang des HSV herauszufinden oder besser gesagt zu bestätigen, denn letztendlich wurde alles dazu schon von Uli und Daniel beschrieben und in sehr lesenswerten Büchern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Trotzdem kam der Wunsch auf, die Symptome der Wohlfühloase HSV investigativ zu erforschen und zu dokumentieren, insbesondere weil sich die Hamburger Journaille ausnahmslos der Hofberichterstattung verschrieben hat und das jahrelange Fremdschämen zunehmend unerträglich wurde. Und so habe ich mir unzählige Trainingseinheiten im Volkspark angeschaut und habe den HSV in den Trainingslagern in La Manga, Bad Häring, Lagos, Grassau, Sotogrande und in der Steiermark begleitet.

Die Mitgliederversammlungen habe ich schon während Bernd Hoffmanns erster Amtszeit regelmäßig im CCH verfolgt und die Manipulation durch die Traditionalisten kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, die letzten Veranstaltungen in den unterschiedlichen Arenen haben mich dann nur noch angewidert. Trotzdem habe ich weitere Möglichkeiten genutzt, um die handelnden Personen zu verstehen und wenn möglich auch mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dazu gehörten Montagstreffen der Senioren, Veranstaltungen im Fanhaus, Fan-Abende im Trainingslager, aber auch Spiele der U-21 und der Frauen sowie zahlreiche Testspiele der Profis, bei denen man Mannschaft, Trainerteam, Staff und Offizielle hautnah erleben konnte. Und ich bin in den vergangenen Spielzeiten bei den Heimspielen durchs halbe Stadion gewandert und habe mich in unterschiedlichsten Blöcken aufgehalten, um die Reaktionen der Zuschauer dort mitzuerleben.

Das verstörende Bild, was sich daraus ergeben hat, ist durchaus mit dem Einblick in das Innenleben einer Sekte zu vergleichen, die sich hinter dem Deckmantel eines ehemals großen Fußballclubs mit immer noch vorhandener Strahlkraft verbirgt, kombiniert mit einer erschreckend hohen Zahl von fremdkonditionierten und dauerhüpfenden HSV-Anhängern, die dieser Sekte wie Jünger folgen und jeglichen Sinn für die Realität verloren haben. Und ich musste feststellen, dass zu viel Nähe zu dieser Sekte auf Dauer hochtoxisch ist und die geistig-moralische Reinigung jedesmal länger dauert, um die omnipräsenten Eindrücke von Lügen, Betrügereien, Tricksereien und Verarschungen zu verarbeiten. Die Kombination aus Mitgliederversammlung am 22.06. und Trainingslager vom 25.06. bis 02.07. war eine ziemliche Herausforderung, deshalb erscheint dieser Bericht auch so spät.

Inhaltlich gibt es kaum neues zu berichten, die Gründe für den Niedergang des HSV sind alle bekannt, der HSV-Virus ist identifiziert, der Einfluss der Wohlfühloase ist entschlüsselt und das Totalversagen der Verantwortlichen wurde vollumfänglich dokumentiert: Die drei Säulen des Gesamtdefektes HSV lauten einfach nur Faulheit, Arroganz und Inkompetenz. Im Gegensatz zu früheren Berichten habe ich die seit Jahren bekannten Trainingsdefizite diesmal ohne aufwändige Videos dokumentiert, da sich unter Walter ohnehin nichts geändert hat und es mittlerweile unterschiedlichste Formen von Widerstand gegen meine Aktivitäten gibt, dazu später mehr.

Steigen wir also ein in die Impressionen aus dem Trainingslager in Fürstenfeld und räumen gleich mal mit dem Märchen auf, dass die Leibesübungen im oststeirischen Hügelland mit einer „unfassbaren Intensität“ durchgeführt wurden und die armen HSV-„Stars“ bei hochsommerlichen Temperaturen bis an den Rand der totalen Erschöpfung gehen mussten. Die ganze Veranstaltung war wie fast alles beim HSV eine Mogelpackung. Von den acht Tagen Trainingslager (Samstag bis Samstag) wurde gerade mal an drei Tagen (Sonntag bis Dienstag) intensiv trainiert, der Rest wurde für Anreise, Abreise, Anschwitzen, Auslaufen und zwei Testspiele (Mittwoch und Freitag) genutzt.

Die verwendeten Übungsformen entsprachen durchaus den Standards der aktuellen Trainingslehre, aber eben nicht den Anforderungen, um die bekannten Defizite der Rumpeltruppe abzustellen. Walter lässt weiterhin größtenteils auf Kleinfeldern mit zahlreichen Minitoren trainieren, um vornehmlich Passsicherheit, Pressingresistenz und Handlungsschnelligkeit zu verbessern, leider hat er immer noch nicht kapiert, dass diese Übungsformen für diesen Kader Muster ohne Wert sind und ein Großteil des Trainingsaufwandes deshalb ungenutzt verpufft. Das Dilemma beim HSV ist, dass diese Trainingsinhalte, die bei den meisten Vereinen etabliert sind, den HSV-„Stars“ kaum etwas bringen, weil sie die obigen Faktoren im Wettkampf einfach nicht abrufen können, weil sie plötzlich Räume haben, in denen die erlernten Fertigkeiten nicht umsetzbar sind. Eigentlich müssten die Maltafüße ununterbrochen auf dem Großfeld trainieren und nicht immer nur gegen sich selbst, sondern gegen typische Zweitliga-Sparringspartner spielen, die nichts anderes tun, als den sogenannten Walterball schon im Ansatz zu zerstören. Wie man solche Situationen simuliert, scheint nicht die Stärke des aktuellen Trainerteams zu sein.

Ein weiteres Ärgernis ist, dass Tim Walter meist nur Anweisungen gibt wie: „Nicht so umständlich spielen“, „schneller abschließen“, „mutiger sein“ und die Spieler damit sich selbst überlässt. Da die technischen Mittel und die emotionale Intelligenz der meisten Spieler eher begrenzt sind, kann sich ohne konkrete Anweisungen niemand verbessern, vielmehr stagnieren fast alle in ihrer Entwicklung. Ich habe beim HSV noch nie erlebt, wie im Training eine Spielsituation unterbrochen wurde und ein Trainer dem Spieler eine präzise Anleitung gegeben hat, wie er die Situation technisch oder taktisch besser lösen könnte, oder dass nach der Einheit ein Co-Trainer sich den Spieler geschnappt hat und individuell mit ihm trainiert hat. Hinzu kommt, dass die Spieler über keinerlei intrinsische Motivation verfügen, sich überhaupt verbessern zu wollen, einzige Ausnahme: Anssi Suhonen. Aber der wird von einigen Mitspielern sogar verspottet (kein Witz, habe ich mehrfach im Volkspark erlebt), wenn er nach der Einheit noch jemanden sucht, der ihn bei seinen technischen Kunststücken unterstützt. Alle anderen sind mit dem Eintritt in die Wohlfühloase HSV satt oder werden schnellstmöglich auf Linie gebracht, so wie der Newbie Ostrzolek weiland von unserem speziellen Freund Dennis Diekmeier …

Wie auch immer, von den offiziell zehn Trainingseinheiten (laut hsv.de) wurden sechs Einheiten in drei Tagen intensiv genutzt und am Dienstagnachmittag war das Trainingslager eigentlich gelaufen und die Stammplätze für die Startelf nach Tim Walters Vorstellungen vergeben, was man anhand der späteren Vergabe der Leibchen und der sinkenden Motivation einiger Spieler gut erkennen konnte. Blöd nur für „Journalisten“, die erst am Dientagabend im Trainingslager ankamen und somit alle Einheiten, in denen halbwegs vernünftig trainiert wurde, verpasst hatten. Gut, wenn man ohnehin nicht vorhatte, darüber zu berichten …

In den restlichen vier Einheiten rund um die Testspiele gab es nur noch wettkampfuntypische Übungsformen wie Zirkeltraining, Völkerball und Geschicklichkeitsübungen, die als Teambuilding-Maßnahme durchaus üblich, aber beim HSV dennoch vollkommen deplatziert sind. In Anbetracht der Tatsache, dass weder Individualtraining (Ausnahme: Torhüter) noch Mentaltraining durchgeführt wurde, geschweige denn unter Wettkampfbedingungen an den unterirdischen Defiziten bei Flanken und Standards gearbeitet wurde (es gab einige mühsame Versuche, eine Freistoßvariante einzustudieren und einige wenige Flankenübungen ohne dynamische Spielsituation und ohne Gegenspieler), ist das ein unverzeihliches Versäumnis.

Der HaSiVau müsste aufgrund des ungebremsten sportlichen Abstiegs der letzten Jahre eigentlich immer ein bischen mehr machen, als die Konkurrenz, stattdessen wird immer etwas zu wenig gemacht. Sie tun so, als ob sie einfach mal auf dem Niveau der letzten fünf Spiele der Vorsaison weitermachen können, ohne dass man dafür etwas tun müsste. Und sie reflektieren kaum, dass die damalige Leistungssteigerung nur deshalb funktionierte, weil es um nichts mehr ging. Man sieht es auch an den kleinen Gesten, in denen die Spieler signalisieren: Wir sind der große HSV. Wir haben es immer geschafft … Oh mein Gott!

Niemand sieht die Notwendigleit, sich bei Torabschlüssen zu verbessern, die unzähligen missratenen Schussversuche in den Spielen werden gar nicht als Defizit wahrgenommen, weil irgendwelche Statistiken den Spielern irgendeine Qualität bescheinigen und so muss man als entsetzter Zuschauer live miterleben, wie der Schlendrian zum Ende der Einheiten einreißt und die HSV-„Stars“ sich bei ihren albernen (und natürlich freiwilligen) Torschussversuchen einem Level auf Kreisklassen-Niveau annähern. Nicht selten waren die Schussversuche derart schlecht, dass man den Blindenhund noch im 17 km entfernten Ungarn winseln hören konnte.

Und jeder sieht es, aber niemand kratzt es. Die Journalisten berichten nicht darüber und die Zuschauer bemerken es nicht mal, sondern fabulieren davon, dass Zug im Training war. Im Übrigen ist beim HSV noch kein Spieler auf den Knien vom Platz gekrochen, aber die Medien fanden es immerhin eine Erwähnung wert, dass Heuer-Fernandes irgendwann einen Krampf im Bein hatte. Da lach ich mir doch den Arsch ab … Fazit: Solange die Trainingslager des HSV in dieser Form abgeschenkt werden, wird sich keine Hochleistungskultur entwickeln können. Und: Die anderen Mannschaften waren übrigens auch im Trainingslager und zwar allesamt schon lange vor dem HSV.

Teil 2 folgt in Kürze …