Wer von uns kennt sie nicht, die berühmten Netflix-Serien. Da gibt es Mehrteiler über eine Gruppe von amerikanischen Kleinstadt-Schulkindern, die in Parallelwelten die fiesesten Monster des Universums bekämpfen – und besiegen. Da gibt es Serien über irgendwelche blutrünstigen Vikingerstämme und über Zombies, die in Echtzeit die Menschheit ausrotten, ohne Messer und Gabel. Es gibt sogar eine Serie, die im ländlichen australischen Victoria spielt, in der Menschen unversehrt aus ihren Gräbern steigen, aussehen wie kurz nach ihrer Konfirmation, aber eine bestimmte Brücke nicht überqueren dürfen, weil ihnen ansonsten die Augäpfel bluten und sie zu Staub zerfallen. In der Welt der Streaming-Dienste ist inzwischen nichts mehr zu abwegig und abartig, als dass man es nicht mit mindestens 24 Teilen zu Geld machen könnte. Nun aber sind die Verantwortlichen von Netflix an ihre Grenzen geraten, denn ihnen wurde etwas angeboten, was sogar für sie zu krank war. Anja Käumle ist seit Sommer 2020 Communications Managerin für die DACH Region bei Netflix und sie berichtete uns von einem Angebot, welches selbst sie sprachlos machte. 

Käumle: „Stellen sie sich das bildlich vor: Wir kriegen tatächlich ein Manuskript von einem ominösen Dr. Desertfield zugeschickt, welches er uns zur Verfilmung angeboten hat. Es geht dabei um einen Fußballverein, der seit inzwischen mehr als 4 Jahren in der zweiten deutschen Bundesliga spielt. Ich bin ehrlich, an dieser Stelle sie die meisten meiner Kollegen ausgestiegen, wen interessiert denn bitte die zweite Bundesliga?“ (Käumle schüttelt mit dem Kopf). „Ich habe weitergelesen und was ich las, hat mich insgesamt 4 Nächte nicht schlafen lassen. Vor lachen! Tun sie sich das mal rein: Da soll es einen launischen, sogenannten „Gönner“ geben, der aber aus steuerlichen Gründen nicht in der Stadt lebt, in der sein Verein spielt. Tatsächlich, so das Manuskript, hat der alte Mann auch nie etwas geschenkt, sondern immer nur geliehen. Mal ehrlich, welcher normale Verein würde sich sowas antun?“ (Käumle lacht schallend). „Und dann die Umstände“, so Käumle, „dieser Verein hat in den letzten zehn Jahren  jedes Jahr mehrere Millionen Minus gemacht, darf aber laut Vorlage immer noch im bezahlten Fußball mitspielen. So ein Blödsinn“ (Käumle schüttelt sich vor lachen). „Aber es wird noch besser, dann kamen wir zu den weiteren Charakteren. Die haben einen Sportvorstand, der durch die Enthüllungen eines Buches als Betrüger entlarvt wurde, der aber trotzdem unter Vertrag genommen wurde und nun permanent eine Vertragsverlängerung fordert, obwohl er drei Jahre lang das erklärte Ziel verpasst hat. Spätestens dann, wenn wir diese Figur in die Serie einbauen würden, verlieren wir die Zuschauer, das glaubt uns doch kein Schwein.“ (Käumle laufen inzwischen die Tränen übers Gesicht). „Tut mir leid, ich brauche eine Pause“.

Nach ca. 30 Minuten und mehreren Grappa geht das Gespräch weiter. Käumle: „Tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht mehr. Stellen sie sich vor, plötzlich taucht da eine neue Figur auf. Sie kauft vom bereits erwähnten „Gönner“ Anteile an diesem Chaos-Verein, wird durch den Kauf sofort Mitglied des Aufsichtsrats und vier Wochen später Pro-Porno-Vorstand. Wie geil ist das denn?“ (Käumle wird erneut von heftigen Lachkrämpfen geschüttelt). „Und dann erzählt dieser Typ ständig irgendwelche Geschichten, die sich nie bewahrheiten und am Ende will er den reichen „Gönner“ auch noch verklagen. Und erst der Trainer, der Trainer“ (Käumle liegt inzwischen auf ihrem Schreitisch) „Doof wie 5 Meter Feldweg, macht aber eine Welle wie kein Zweiter. Und dann haben sie noch einen angeblichen Flüchtling, der nach eigener Angabe auf allen Vieren durch die Wüste gekrochen ist. Später stellt sich heraus, dass der Vogel alle beschissen hat und eigentlich Berufsfußballer war. Und der Verein unterstützt den auch noch!!! Ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr. Können wir bitte nochmal 10 Minuten Pause machen?“ (Käumle stürmt aus dem Raum, der ganze Körper von Krämpfen geschüttelt).

20 Minuten später. Käumle: „Ich glaube, es geht wieder, tut mir leid. Aber dann gibt es da noch eine Figur, ein Vereinspräsident, der mit Ende 20 seine Profikarriere beendet hat, weil er eine Abneigung gegen das Fußballgeschäft hatte, der aber nach wie vor eine Invalidenrente bezieht, obwohl er sich selbst als „Weltfußballer und Unternehmer“ bezeichnet. Und dann macht dieser Mensch auch noch Werbung für eine Eiersalbe, die sich Le Coq Rock nennt, es ist einfach unfassbar.“ (Käumle schluchzt erneut). „Gegen Ende der ersten Staffel soll der Verein nun sein marodes Stadion sanieren, aber er hat keinen müden Cent. Es gibt auch keine Bank, die ihm etwas leiht und die Stadt, die das Vereinsgelände gekauft hat, wurde auch beschissen. Und nun kommt aber der absolute Hammer: Sie nennen es „Projekt HSV 360 Grad“. Ein Verein, der seine Ruine nicht aus eigener Kraft sanieren kann, will eine Mischung aus einem zweiten Germania und dem Vogelpark Walsrode errichten und zwar auf einem Grundstück, welches ihm gar nicht mehr gehört“. (Käumle trommelt tränenüberströmt mit den Fäusten auf den Flötotto-Schreibtisch). „Es ist einfach unglaublich, sie wollen auch noch einen Wolkenkratzer bauen, den schiefen Turm vom Volkspark. Dieses Skript ist so unfassbar geil“. (Käumle hat sich kaum noch unter Kontrolle). „Stellen sie sich das vor: Sie feuern ihren Sportdirektor, weil der den Trainer blind fand, verlieren vor Gericht, können ihn aber nicht abfinden, weil sie pleiten wären, wenn sie ihm die € 600.000 zahlen würden. Und dann wollen sie für € 200 Mio. einen Freizeitpark auf einem Gelände bauen lassen, das ihnen nicht mehr gehört.“

Käumle abschließend: „Wissen sie, unsere Kunden sind bekannt dafür, dass es ihnen wahrlich an Phantasie nicht fehlt, aber das könnten wir ihnen nicht anbieten. Dann machen wir lieber weiterhin Serien über Lava-kackende Zombie-Werwölfe oder Millionen von Haifischen, die aus Wirbelstürmen fallen und dann von irgendwelchen Vollpfosten mit Kettensägen halbiert werden. Tausendmal realistischer als dieser Mumpitz. Zumal es diesen Dr. Desertfield in der Stadt gar nicht gibt, wir haben uns erkundigt. Sorry, aber ich brauche jetzt erstmal Urlaub“. Nachdem wir uns bei Frau Käumle für das Gespräch bedankt hatten, haben wir sowohl bei den Netflix-Konkurrenten Disney+ und Amazon Prime nachgefragt. Beide Antworten waren nahezu identisch:

„Manuskript erhalten, zwei Seiten gelesen und dann in den Reißwolf geworfen. Selten haben wir einen solchen wirren Schwachsinn gelesen und wir bekommen wahrlich viel dummes Zeug zugeschickt. Unsere Zuschauer lieben Fantasy, aber das war mehr als eine Nummer zu dick. Völlig unrealistisch“

Schade eigentlich oder was meint ihr? 😀