Ein Gastbeitrag von MrsMurphy

 

In der Aula des Humboldt-Gymnasiums stellten sich Vertreter von HSVplus und HSV Reform den 54 Fans (darunter auch ein EffZeh-Fan). Nach jeweils kurzen Präsentationen der Konzepte und Vorschläge von Christian Reichert (stellvertretender Abteilungsleiter des SC) sowie von Ernst-Otto Rieckhoff und Holger Hieronymus (HSVplus) war Gelegenheit zur Diskussion.

 

Ich erhoffte mir vor Ort Antworten auf Fragen zur Lösung der finanziellen Probleme, der Regelung der Mitbestimmung sowie mehr Informationen zu den Menschen hinter den Konzepten.

  1. Die Finanzen

    HSVplus trat u.a. auf den Plan, weil sich die Initiatoren um die Handlungsfähigkeit des HSV sorgten. Die Konzernbilanz wird im dritten Jahr in Folge ein negatives Ergebnis ausweisen, das negative Eigenkapital wird in diesem Jahr laut Bilanz noch einmal gestiegen sein – Rieckhoff kündigte an, dass sich einige „aber auf den Hintern setzen werden“, wenn sie das läsen. Da aus steuerrechtlichen Gründen keine Geschenke an den HSV zu erwarten seien, die Banken kein Geld mehr gäben (was sie übrigens auch bereits bei der Stadionfinanzierung nicht einfach so taten, hier bedurfte es seinerzeit der Fürsprache durch SportFive) und sich der HSV auch marketingtechnisch „am oberen Limit“ bewege (mithin hier auch nicht mehr zu erwarten sei), bliebe nurmehr die Ausgliederung, um sich strategischen Partnern zu öffnen. Dies in Abgrenzung zu Investoren und Mäzenen: Erstere, da zeigte sich Holger Hieronymus überzeugt, würden in der Bundesliga keinen Fuß auf die Erde bekommen: Investoren erwarteten einen ‚Return-on-Investment‘, und diesen würde es im deutschen Fußball schlicht nicht geben. Strategische Partner dagegen investieren in eine Marke, von der sie sich etwas versprechen. Wie Rieckhoff erklärte, machten die potenziellen Partner dies nicht am finanziellen Wert des HSV fest: Hier ginge es um gemeinsame Ziele, an denen man miteinander wachsen könnte. Er sprach von „echten Granaten“, die sich hier engagieren würden – man sollte ihm hier einfach vertrauen. Bei der Wahl der geplantem, zukünftigen Rechtsform „AG“ der Lizenzspielerabteilung habe man sich an den Besten der Liga, dem FC Bayern, orientiert. Ängsten, der HSV würde verkauft, entgegnete Rieckhoff, dass die Vertragsausgestaltung sowie das Konzept es nicht vorsähen, dass der Verein „aus der Hand gegeben“ werde.

    Exakt für diese Ängste steht die HSV Reform, die sich in Gestalt von Reichert klar gegen die Ausgliederung ausspricht. Der Frage, woher die Gelder kommen sollten, die den HSV wieder handlungsfähig machten, wich Reichert aus: „Es ist doch immer die Frage, welchen Zahlen Sie glauben wollen.“ Zahlen als Glaubensfrage. Er gab zu, die Finanzanalyse von Marco Mesirca auf spielverlagerung.de nicht zu kennen. Dennoch behauptete er: „Wir haben genügend Geld, es muss nur richtig verwendet werden.“ Reichert konnte (oder wollte) nicht beantworten, wie bestehende Verträge einzuhalten wären, worin das „Tafelsilber, das man veräußern“ könnte, bestünde, und ob ein Stadionverkauf weiterhelfen könnte. Von dieser durch Manfred Ertel geäußerten Idee (die im übrigen auch nur einmalig Geld brächte) wusste Reichert nichts.

  2. Handelnde Personen
    Es besteht Konsens bei allen Veränderungs-Vorschlägen, dass jedes Konzept mit den handelnden Personen steht und fällt. Einigkeit herrscht auch darüber, dass es an der Kompetenz (sportlich, wirtschaftlich) derzeit mangelt.
    HSVplus setzt bei seinen Unterstützern auf beide Seiten: Mit Vertretern aus der 83er Meistermannschaft sowie Thomas Doll kennt die Öffentlichkeit erfahrene Macher aus dem Fußballbereich, mit Stephan Rebbe wurde der erste Vertreter aus dem Bereich Wirtschaft bekannt – weitere würden in Kürze vorgestellt. Doch die Unterstützer von heute sind nicht zwingend jene, die in einer neuen Struktur an verantwortlicher Stelle mitwirken – auch hier warb Rieckhoff um Vertrauen. Um die handelnden Personen in die Pflicht zu nehmen, sei nach Ansicht von Rieckhoff eine AG sehr gut geeignet, denn im Aufsichtsrat einer AG hätte ein „Maulwurf-Dasein tatsächlich strafrechtliche Konsequenzen“.

    Randbemerkung I: Rieckhoff berichtete aus seiner Zeit als Aufsichtsratsmitglied nicht nur von der Unruhe durch die Geschwätzigkeit einzelner, sondern beklagte selbst den Mangel an Know-how, um den satzungsgemäßen Auftrag zu erfüllen: Transfers wurden mitunter nicht wirklich nach finanziellen Aspekten bewertet, sondern damit begründet, dass „man die Fans doch nicht schon wieder enttäuschen könnte“.

    HSV Reform will auch personelle Veränderungen – allerdings (auch) mit Personen, die gegenwärtig in den Schaltzentren des HSV bereits Verantwortung tragen – dazu gehört natürlich Manfred Ertel. Auf die Frage, wie das zusammenginge, antwortete Reichert: „Das müssen die Betreffenden selbst wissen.“ Selbstverständlich kenne auch er geeignete Personen, die beim HSV etwas bewegen können, aber da man ihnen keine Posten anbieten könnte (sie müssten ja von der MV in den AR gewählt werden), würde er keine Namen nennen.

  3. Mitbestimmung
    Einige Mitglieder des Vereins betonen in Gesprächen oder auf den Social-Media-Kanälen immer wieder, wie wichtig ihnen die Mitbestimmung sei. Zwar konnte bisher noch nicht geklärt werden, worin der Wert dieses Guts konkret bestünde (wenn es denn keine Glaubensfrage ist), aber sie ist Teil der Kultur dieses Vereins. Und so will auch HSVplus diese – entgegen der Meinung ihrer Kritiker – nicht abschaffen. Im Gegenteil, wie Rieckhoff nicht müde wurde, zu betonen. Er erklärte, dass in dem Fall, dass sich am 19.1. die einfache und drei Monate später die dreiviertel Mehrheit für HSVplus fände, die MV sofort das Präsidium und den Beirat wählen könnte. Der direkt gewählte Präsident säße darüber hinaus automatisch im Aufsichtsrat der Fußball AG. Eine Beschneidung der Mitgliederrechte könne er nicht erkennen.

    HSV Reform setzt dagegen auf noch mehr Mitbestimmung, auch wenn die Unterstützer dieses Vorschlags das so direkt nicht sagen: Neben den vier gewählten Vertretern entsenden die Amateure und die Fördenden Mitglieder einen Delegierten. Diese sechs suchen sich (zwingend oder fakultativ?) zwei kooptierende Mitglieder aus Sport oder Wirtschaft, um die Kompetenz zu erhöhen. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, dass der AR mit einer dreiviertel Mehrheit einzelne Mitglieder aus dem AR ausschließen können. Es blieb offen, wie oft das innerhalb einer Legislaturperiode vorkommen darf, und wie das ausgeschiedene Mitglied ersetzt würde.

    Randbemerkung II: Eine Initiative, die sich die Mitgliederbestimmung auf die Fahnen schreibt, wird mit Christian Reichert durch einen Funktionär der mitgliederstärksten Abteilung des Vereins vertreten, den wiederum die Meinungen der Mitglieder, die ihre Einschätzungen anders als face-to-face äußern, nicht interessiert. Das Internet sei ihm „schnurz“, da werde eh nur „gepöbelt“.

  4. Der Schutz des Amateursports im e.V.
    HSVplus will die Amateurabteilung finanziell vor dem Risiko, die der Profibetrieb der Fußballer für die vielen Amateurabteilungen des derzeitigen Gesamtvereins mit sich bringt, schützen, sie aber per Grundlagenvertrag weiter unterstützen.

    Mit HSV Reform gibt es hier wenig Handlungsbedarf; Christian Reichert gewährte jedoch einen Blick hinein: Es sei schon vor Jahren das Ziel gewesen, dass sich die einzelnen Abteilungen selbst tragen sollten. Die Damen-Fußballmannschaft hätte das vom Vorstand „genehmigte Minus deutlich überschritten“ und mehr Verluste angehäuft als alle anderen Abteilungen zusammen. Er gab außerdem zu bedenken, dass die Mitgliedsbeiträge in anderen Amateursportclubs in Hamburg deutlich höher sein als beim HSV. Und: „Die Profis können nicht auf Dauer diese Abteilungen unterstützen.“

 

Die in Köln anwesenden Protagonisten der konkurrierenden Konzepte wirkten sehr unterschiedlich vorbereitet. Das irritierte so manchen im Auditorium. So zeigte sich ein Mitglied, das gekommen war, um zur HSV Reform mehr zu erfahren („Vor drei Jahren wäre ich notfalls in die 6. Liga mit dem HSV gegangen.“), gerade zu schockiert darüber, wie sich Vertreter der Reform in der Öffentlichkeit präsentierten (er nannte hier Ertel) und über die Reaktion von Reichert auf die Fragen zum Thema Finanzen. Wenn er diese zu einer Glaubensfrage erklärt, ist man als Zuhörer geneigt, von eben diesem Glauben abzufallen.



🙂