Eine Beobachtung von Trapper Seitenberg

 

Auf Einladung des Berliner Fanclubs „Sitzkissenfraktion Auswärts“ waren gestern Abend Otto Rieckhoff (in Begleitung seiner Frau) und Thomas von Heesen in Berlin, um das Modell HSVPlus vorzustellen. Leider musste ein Vertreter des SCs, der gleichzeitig das Reform-Modell erläutern sollte, aus privaten Gründen kurzfristig absagen. Wer meine bisherigen Beiträge zur Sache gelesen hat, der wird wissen (oder zumindest ahnen), dass ich persönlich das Konzept von HSVPlus für alternativlos halte.

Dennoch möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich bedauern, dass aufgrund widriger Umstände kein namhafter Unterstützer der Reformer anwesend sein konnte. Im unmittelbaren Widerstreit der miteinander konkurrierenden Modelle, in Rede und Gegenrede, lassen sich m.E. Unklarheiten und Verständnisprobleme bei Mitgliedern und Fans des HSV leichter aufspüren und wird deren eigene Meinungsbildung erleichtert. Um so dankbarer bin ich den zwei, drei gestern Anwesenden, die sich (mehr oder minder) dem Konzept von HSVPlus gegenüber skeptisch zeigten, bzw. als erklärte Unterstützer des Reform-Konzepts auftraten. Respekt.

Ich verzichte an dieser Stelle bewusst darauf, den gesamten Verlauf des Abends exakt zu protokollieren. Die Angaben zu den Personen, Otto Rieckhoff und Thomas von Heesen, sowie die Grundzüge des Konzepts von HSVPlus dürften inzwischen hinlänglich bekannt sein. Ich will mich stattdessen auf das beschränken, was die gestrige Veranstaltung auszeichnete, bzw. was mir berichtenswert erscheint. Los geht es:

Veranstaltungsort war eine Fußball-Kneipe, die FC Magnet Bar. Im oberen, größeren und gut gefüllten Gastraum wurde zeitgleich das Bundesligaspiel VfB Stuttgart gegen Borussia M’gladbach gezeigt, so dass die Veranstaltung in einem fensterlosen Raum im Untergeschoss stattfinden musste und bisweilen durch laut jubelnde Anhänger der siegreichen Gladbacher ein wenig gestört wurde. Ich erwähne dies nur, um dem geneigten Leser eine Vorstellung davon zu ermöglichen, unter welchen bisweilen erschwerten Bedingungen derartige Veranstaltungen stattfinden können.

Nach meiner überschlägigen Zählung erschienen ca. 30 interessierte Zuhörer. Nach kurzer Vorstellung zur eigenen Person durch Otto Rieckhoff und Thomas von Heesen selbst, gaben beide einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Konzepts, ihre und die Motivation ihrer prominenten Mitstreiter. Otto Rieckhoff erläuterte, dass der HSV e.V., also der Universalsportverein in seiner bisherigen Struktur, in absehbarer Zeit mit beachtlichen steuerlichen/juristischen Risiken konfrontiert werden wird. Stichworte in diesem Zusammenhang sind: Verlust der Gemeinnützigkeit/Entzug der Rechtsfähigkeit in Folge Rechtsformverfehlung. Punkte, auf die ich noch zurückkommen werde.

 

Als EOR die 24,9 Prozent ansprach, die nach dem Konzept von HSVPlus zukünftig als Anteilsverkauf an der AG vorgesehen sind, wurden offenbar verbreitete und hartnäckige Missverständnisse deutlich:

 

24,9 Prozent nur den Anfang des Ausverkaufs, und was hat der HSV davon?

Offenbar glaubt(e) mancher irrtümlich, dass die 24,9 Prozent nur an einen einzigen Interessenten verkauft werden sollen. Auch deswegen wird dann fälschlich geschlussfolgert, dieser Anteilsverkauf sei ja nur der Beginn eines weiter folgenden Ausverkaufs. Außerdem kann man doch für „nur“ 25 Millionen nicht den Verein verscherbeln, oder?

 Rieckhoff versuchte erneut verständlich zumachen, dass die geplanten 24,9 Prozent insgesamt für mehrere(!) strategische Partner (eben keine Investoren!) zum Erwerb bereit gestellt werden sollen. Seiner Vorstellung nach wären vier bis fünf zukünftige Strategische Partner des HSV realistisch und vorstellbar. Jeder Strategische Partner könnte also (zukünftig) ungefähr anteilig 5-6 Prozent erwerben. Der tatsächliche Prozentsatz je Partner wäre mit dem jeweiligen Gegenüber auszuhandeln.

Bei den strategischen Partnern handelt es sich eben nicht um Investoren. Ein Investor will prinzipiell unmittelbar mit seinem Investment verdienen, während ein strategischer Partner sich langfristig die Nutzungsrechte der Marke HSV sichert. Hier geht es also nicht um den Kauf von Anteilen des Vereins, um aus dem Verein selbst Geld zu ziehen, bzw. Gewinne aus dem Weiterverkauf der Anteile zu erlösen. Hier geht es darum, dass sich z.B. ein Ausrüster langfristig  Marken-/Werbeeffekte des HSV sichert, auch um zu verhindern, dass seine konkurrierenden Mitbewerber ihn dort verdränge können. Beispiel: PUMA erwirbt Anteile und stellt so langfristig sicher, dass alle HSV-Spieler zukünftig mit PUMA-Produkten auflaufen. Gleichzeitig verhindert PUMA durch die Partnerschaft, dass die Firma als Ausrüster durch z.B. NIKE als Ausrüster des HSVs kurz- oder mittelfristig abgelöst werden kann. Auch deswegen ergibt sich der konkret zu erzielende Erlös je Anteil nicht nach dem zu errechnenden „Wert des Vereins“, sondern nach dem, was die Nutzungsrechte an der Marke HSV und der langfristige Werbeeffekt dem interessierten Unternehmen wert erscheinen. Daraus folgt auch, dass Rieckhoffs Vorstellungen zur Folge die gesamten 24,9 Prozent nicht für einmalig „nur“ 25 Millionen Euro verkauft werden. Realistisch zu erlösen erscheint ihm hier ein dreistelliger(!) Millionenbetrag für das Gesamtpaket – aufgesplittet in bspw. mindestens je 25 Millionen bei vier zukünftigen Partnern. Bevor (überhaupt) mehr als die im HSVPlus-Konzept vorgesehenen 24,9 Prozent veräußert werden <i>könnten</i>, bedürfte es einer ausdrücklichen und erneut einzuholenden Zustimmung der Mitglieder. Dieses Szenario, also der Verkauf vom mehr als den 24,9 Prozent, wird aber derzeit nicht angestrebt.

Es ist auch nicht beabsichtigt, dass jeder der Strategischen Partner je eine Stimme in der Hauptversammlung erhält. Vielmehr sollen allen Partner zusammen(!) durch einen Delegierten vertreten werden. Der Prozentsatz von 24,9 wurde auch deswegen ganz bewusst von den Vertretern von HSVPlus gewählt, da dieser unterhalb einer sg. „Sperrminorität“ liegt. Das bedeutet im Klartext: Auch nach dem kompletten Verkauf der 24,9 Prozent an vier bis  fünf Partner könn(t)en die Partner dem Verein (oder seinen Mitgliedern) rein gar nichts aufzwingen. Das Sagen behielten nach dem Modell auch zukünftig allein die Mitglieder des HSV!

 Ok! – wir haben dann viel Geld, aber das ist schnell verbrannt und dann ?

Mancher Redner äußerte die Sorge, dass nach einem Anteilsverkauf das Geld inkompetent „verbrannt“ werden könne. Diese Gefahr, nämlich dass man bspw. Spieler überteuert einkauft, besteht allerdings immer und bei jedem der derzeit diskutierten Modelle, auch beim Reform-Konzept! Schließlich behauptete Ertel (als Reform-Unterstützer),  das Stadion, der Stadionnamen oder der noch zu errichtenden Campus sei hoch attraktiv für Mäzene oder Investoren. Reichert, in Sachen Reform sein Bruder im Geiste, hält sogar eine Orientierung am „Schalker Modell“ [Anm. d. Verf.: Anleihe im Vorgriff auf zukünftige Einnahmen] für vorstellbar. Alle diese Vorschläge liefen prinzipiell auf hohe (Einmal-)Erlöse hinaus, die natürlich bei mangelnder Sachkunde in Theorie und Praxis schnell verschwendet werden könnten. Wenn aber dieser Einwand gegen jedes Modell anzubringen wäre, dann kann er nicht allein gegen das Konzept von HSVPlus durchschlagen.

Rieckhoff sagte, dass er ohnehin dagegen wäre, wenn man das Geld aus dem Anteilsverkauf in teure Spielertransfers stecken würde. Dieses Geld solle vordringlich zum Schuldenabbau verwendet werden, damit der HSV überhaupt wieder (nennenswert) handlungsfähig wird. Er wies zugleich aber darauf hin, dass z.B. eine vorzeitige Ablösung der Stadionfinanzierung aufgrund günstiger Raten/Zinsen durchaus unsinnig sein könne. Es wäre also ein (weiteres) Missverständnis, wenn jemand  immer noch annehmen würde, der HSV sei nach einem Anteilsverkauf umgehend und absolut frei von allen Verbindlichkeiten. Das (übrige) zu erlösende Geld soll nach Rieckhoffs Prioritätenliste in zweiter Linie in den Nachwuchsbereich fließen, um hier einen nachhaltigen Effekt zu Gunsten des Vereinst zu bewirken.

 

HSVPlus bietet nichts, was man nicht auch in der bestehenden Struktur als e.V. erreichen könne, oder?

Eine Behauptung, die auch am gestrigen Abend wiederholt von den Skeptikern/Gegnern sinngemäß geäußert wurde. Sie übersehen dabei bewusst oder unbewusst zwei erhebliche Risiken:

1.)der Gesamtverein in seiner gegenwärtigen Struktur könnte in absehbarer Zeit die Anerkenntnis seiner Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt verlieren, da man u.a. aus Sicht der europäischen Wettbewerbshüter argumentieren kann, dass die mit der Gemeinnützigkeit einhergehenden steuerlichen Vorteile tatsächlich eine verdeckte und verbotene staatliche Subventionierung der deutschen Profivereine (im Vergleich zu den ausländischen Konkurrenten) darstellen. Angesichts der nicht gerade üppigen finanziellen Ausstattung der Amateurabteilungen würde eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit ein finanzielles Loch in den Etat reißen, dass dann unmittelbar den Fortbestand der diversen Abteilungen akut gefährden würde.

2.)nach der derzeit bereits herrschenden Meinung unter Juristen verfehlt ein unternehmerisch und mit Gewinnerzielungsabsicht operierender Verein (wie der HSV durch seine Lizenzspielerabteilung) die Rechtsform des s.g. Idealvereins im Sinne von § 21 BGB. Ihm wäre daher grundsätzlich die Rechtsfähigkeit (§ 43 II BGB) zu entziehen. Dies hätte ebenfalls fatale Folgen für den Verein. Man muss hier betonen, dass diese ernsten Folgen in absehbarer Zeit tatsächlich eintreten werden. Entsprechende Hinweise liegen (längst) vor.

Fazit: eine gravierende Strukturveränderung des HSVs erscheint auch dann unumgänglich, wenn man eine andere Rechtsform als die von HSVPlus favorisierte AG für den HSV bevorzugen würde. Ein „weiter so als e.V.“ kann es nicht geben. Wer die beiden Eisberge namens „Aberkennung der Gemeinnützigkeit“ und „Rechtsformverfehlung“ heute noch nicht auf dem Radar hat, der erweist sich als inkompetenter Kapitän des Universal-Tankers namens HSV. Wer glaubt, man könne doch wenigstens bis zur Meldung des Sichtkontakts mit beiden Eisbergen durch den Ausguck unverändert weiter als e.V. schippern, der wird seiner Verantwortung auch und gerade für die Amateurabteilungen des Universalsportvereins nicht gerecht.

Über „Europa“und mit dem nötigen „Glück“ zum nachhaltigen Erfolg?

Ein hartnäckiger Irrglauben, auf den ich hier schon in einem anderen Gast-Beitrag eingegangen bin. Auch gestern Abend war er in einzelnen Diskussionsbeiträgen herauszuhören. Tatsächlich sind dem HSV aus der Halbfinalteilnahme (immerhin!) an der Europa-League ganze 4 (in Worten: vier!) Millionen Euro seinerzeit übrig geblieben. Wenn die an der CL teilnehmende nationale Konkurrenz zu selben Zeit jedoch mindestens zweistellige (im mittleren Bereich) Beträge dort generiert hat, dann sollte auch der Letzte verstehen, dass eine Teilnahme an der EL prinzipiell und nicht einmal im Falle des relativ unwahrscheinlichen Gewinns derselbigen dem HSV die Erlöse bringen kann, die er grundsätzlich bräuchte. Der HSV könnte nur über die CL im nationalen Vergleich aufholen. Für beides, EL und CL, müsste man aber zudem den Kader tendenziell vergrößern (nicht reduzieren), bzw. in die Qualität des Kaders investieren (statt Kosten zu reduzieren!). Wer glaubt, dies schriebe ich allein aus der Sicht eines Befürworters von HSVPlus, der frage derzeit nach z.B. beim SC Freiburg, was Doppelbelastung bedeutet.

 TvH wies darauf hin, wie bedeutend u.a. fachliche Kompetenz (der sportlich Verantwortlichen), eine frühzeitige, kontinuierliche und sachgemäße Betreuung von Talenten und die allgemeine sportliche Perspektive (und natürlich auch Verdienstmöglichkeiten) für deren Bindung an den Verein sind. Die allgemein verlangte nachhaltige Entwicklung des Vereins ist also nicht zuletzt auch mit dessen finanziellen Möglichkeiten in einem Zusammenhang zu sehen. Wer Nachhaltigkeit fordert, aber Spieler verkaufen will/muss (um überhaupt handlungsfähig zu sein/zu werden/zu bleiben), wie es Reformunterstützer vorgeschlagen haben, der konterkariert seine eigene Forderung. So lange der HSV auf schwachen sportlichen (auch im Sinne der Kompetenz im Verein) und finanziellen Beinen steht, so lange werden ihm die Talente von der Fahne gehen.

 Ich hoffe, dieser Beitrag trägt dazu bei, einige Fragen bzw. Missverständnisse, wie sie auch am gestrigen Abend in der angeregten Diskussion unverändert zu Tage traten, zu beantworten oder auszuräumen.

Wer auf Aussagen zu dem von Huhnke beworbenen Modell „Zukunft mit Tradition“ oder dem Modell von Rautenherz.de vergeblich gewartet hat, dem sei gesagt, dass beide Modelle gestern praktisch keine Rolle spielten, d.h. weitestgehend ohne Interesse beim Publikum blieben. Abschließend möchte ich mich bei den Initiatoren des gestrigen Abends, dem Fanclub mit seinen beiden Vorsitzenden, ausdrücklich allen Diskutanten und  natürlich bei Otto Rieckhoff, seiner Frau und Thomas von Heesen für einen kurzweiligen und interessanten Abend bedanken