Doch, tatsächlich, es ist wirklich so. Fußballer sind Menschen. Zum allergrößten Teil sogar sehr junge Menschen, die seit ihrer frühesten Jugend so gut wie alles vernachlässigt oder sogar aufgegeben haben, was ihre Altersgenossen für selbstverständlich hielten. Partys, Nächte um die Ohren schlagen, durchmachen, Alkohol, vielleicht sogar Drogen. Nicht machbar.

Vielleicht war es in Zeiten von Happel oder Zebec oder eventuell sogar noch einem Mario Basler möglich, nicht seinem Beruf entsprechend zu leben, heute ist das absolut unmöglich und diejenigen, die das nicht begreifen, finden sich schneller in der Oberliga wieder, als sie das Wort „Profi“ aussprechen können.

Ein professioneller Fußballer muss heutzutage seinem Beruf so gut wie alles unterordnen. Man hat während der Saison im Schnitt einen freien Tag pro Woche, verbringt große Teile seiner Zeit von Frau, Familie und Freunden getrennt, muss sich jede Woche gegen knallharte Konkurrenz im eigenen Team oder sogar von anstehender Konkurrenz ab der nächsten Transferperiode behaupten. Und diese Konkurrenz ist gigantisch. Allein beim HSV treffen pro Tag zwischen 20 und 60 „Bewerbungen“ per Mail ein, in den Zeiten vor den Transferfenstern ist es meisten mehr.

Hier werden Spieler aus Ghana, Bosnien oder Süd-Korea via Mail angeboten. Teilweise von Beratern oder Agenten, teils aber auch vom Spieler selbst. In den Mails, die häufig nicht an den Sportchef selbst, sogar an die E-Mail-Adresse info@hsv.de gerichtet sind, werden alle relevanten Informationen aufgelistet.

Alter, Herkunftsland, Größe, derzeitiges Gehalt, ev. Ablösesumme plus ein paar zusammengestellte youtube-Videos, um einen Eindruck vom Spieler zu vermitteln.

Diese Mails werden dann im Rundverteiler an Vereine in Deutschland, England, Frankreich. Italien, Spanien, Rußland, Portugal etc. verschickt, in der Hoffnung, der Spieler wird zu einem Probetraining geladen.

Mit all diesen „Nebenerscheinungen“ hat ein Profifußballer zurechtzukommen. Viele der Jungs sind zwischen 18 und 25 Jahre alt, eine abgeschlossene Persönlichkeitsbildung kann noch gar nicht stattgefunden haben. Und von den meisten Beratern ist keine Hilfe oder Unterstützung zu erwarten, wenn’s mal nicht nach Plan läuft. Diese tauchen nur dann auf, wenn ein Transfer ansteht und die Prozente winken.

Ich weiß, was jetzt kommt. „Dafür kassieren die Herren ja auch Millionen“

Es stimmt. Viele Profifußballer verdienen in jungen Jahren viel Geld. Aber gibt es einen von uns, der zu einem Millionenvertrag nein sagen würde ? Gibt es einen, der sich selbst für überbezahlt hält ? Ich kenne niemanden.

Und im Gegensatz zu landläufigen Meinung einiger dickbäuchiger Internet-Dauernutzer, die selbst im XXL-Trikot zur Mitgliederversammlung antanzen, guckt ein Fußballer morgens vor dem Training nicht als Erstes auf seinen Kontostand.

Wie nun fühlt man sich als Spieler des HSV, wenn man im Spiel gegen die übermächtigen Bayern alles gegeben hat und am nächsten Tag dann die Sprüche der Vereinsführung ertragen muss, die sich selbst durch markige Sprüche in der Boulevard-Presse persönlichen Schutz vor derselben erkaufen und eigene, nicht vorhandene Führungsqualitäten demonstrieren wollen ?

Nachdem der untalentierte Spottchef Kreuzer bereits vor dem Spiel abgeschenkt hatte,

„Wir müssen wohl den Antrag stellen, in München mit 13 Spielern und 2 Torhütern auflaufen zu dürfen…“

wird von den Spielern im Anschluss an diesen Tribünen-Dreck Höchstleistung erwartet. Manchmal frage ich mich, welche Ausbildung Leute genossen haben, die so ticken.

Aber gut. Nach Kreuzer’s wiederholten verbalen Tiefflug hat die Mannschaft in München trotzdem eine engagierte und kämperische vernünftige Leistung abgeliefert, um dann am nächsten Tag lesen zu müssen:

Kreuzer sagte:

„Unsere Mannschaft muss lernen, Woche für Woche ans Limit zu gehen, das muss in die Köpfe der Spieler rein. Mit angezogener Handbremse zu spielen und ein bisschen dominant zu sein, das geht nicht. Dazu reicht unsere Qualität einfach nicht aus.“

 

Keine Ahnung, wie es euch geht, aber ich wäre als Arbeitnehmer immer besonders motiviert gewesen, wenn mir mein Vorgesetzter zum wiederholten Mal fehlende Qualität attestiert hätte. Natürlich gibt es Menschen, die sich von solchen Sprüchen anstacheln lassen, aber garantiert sind es keine 11-14 und garantiert wird auch schon lange nicht mehr angestachelt, wenn diese Abkanzlungen im Wochenrhythmus passieren.

Ich finde es ja putzig, wenn Herr Kreuzer versucht, die HH-Sammer-Motzki-Parodie zu geben, aber um derart auf die Sahne zu hauen, muss man vorher etwas geleistet haben und genau das hat Kreuzer eben nicht.

Aber Olli ist nicht allein. Heute nun legte High-Performer Jarchow in der Mopo nach.

„Grundsätzlich war unser Auftritt bei den Bayern in Ordnung. Aber ehrlich gesagt, hatte man auch das Gefühl, dass die Bayern mit den Gedanken schon ein wenig bei der Klub-WM waren.“

 

Übersetzt: Wenn der Gegner Bock gehabt hätte, hättet ihr Pfeifen wieder die Hütte vollgekriegt. Heilige Mutter Gottes, was soll sowas ? Sowas kann man vielleicht nach dem 4. Pils in der VIP-Lounge denken, aber muss man seine 22B-Gedanken grundsätzlich der Schmuddelpresse in die Blöcke diktieren ?

Nein, muss man nicht. Man demoralisiert und verunsichert eine ohnehin schon angeschlagene Truppe nur weiter, weil man selbst sein Profil als Macher oder harter Hund schärfen will.

Ich denke, auch diese Verhaltensweisen hat Bert van Marwjik bei seiner sogenannten Wutrede gemeint. Im Falle eines Sieges ist jeder Teil des Erfolges, nach einer Niederlage gehen diverse Entscheidungsträger einen Schritt zurück, retten die eigene Haut und prügeln auf die Versager ein. Hier in Hamburg wird nicht an einem Strang gezogen, es wird tagtäglich gegeneinander gearbeitet. So lange das so ist, wird es nie was.

Euch allen eine schöne Woche