Liebe Leser,

nach dem gestrigen Spiel gegen Schalke las ich einen Satz, der meines Erachtens das eigentliche Problem des HSV in wenigen Worten zusammenfasst:

Fußball ist ein Spiel das man zusammen spielt.

 

Exakt das ist es, was in diesem Verein seit Jahren fehlt – das Zusammenspiel. Damit meine ich nicht nur die 11 bis 14 Spieler, die in den anstehenden 16 Spielen versuchen sollen, den Klassenerhalt zu bewerkstelligen. Nein, damit meine ich den Verein.

Beim HSV spielt im Grunde niemand miteinander, im Gegenteil. Jeder spielt aus den unterschiedlichsten Gründen sein eigenes Spiel und ob man es glauben möchte oder nicht – das färbt durchaus auf die gesamte Mannschaft und jeden einzelnen Spieler ab. Oder glaubt irgendwer, dass die Vorgänge auf den Gängen der Führungsetage den kickenden Angstellten verborgen bleiben? Mitnichten.

Beim HSV herrscht Uneinigkeit auf allen Ebenen, teilweise hat man sich kriegsähnliche Zustände geschaffen.

Im „Kontrollgremium“ Aufsichtsrat herrscht eine vergiftete Atmosphäre, jeder mißtraut jedem. Mittlerweile werden Wetten auf die Anzahl der Räte angenommen, die sich bisher noch nicht mit Klagen gedroht haben. Spätestens seit der Mitgliederversammlung am 19.01. weiß nun auch der letzte Rat, dass man offenbar maximal ein Viertel der Mitgliedschaft vertritt. Konsequenzen ? Null ! Nicht mal Räte, die öffentlich ihren Rücktritt angekündigt hatten, ziehen die Konsequenzen.

Dieses Gremium ist ein Bild des Schreckens !

 

Im Vorstand herrschen zwischen Teilen der Führungsspitze ähnliche Verhältnisse. Während sich zwei Vorstände eindeutig pro Ausgliederung positioniert haben und ein weiteres Mitglied scheinbar gar nicht so genau weiß, worum es eigentlich geht, hat sich der Vorstand für Mitliederbelange in den letzten 6 Monaten sogar aktiv in den Wahlkampf eingemischt. Man stelle sich jetzt eine Sitzung vor, an der die Herren Jarchow, Hilke, Kreuzer und Scheel teilnehmen und über strukturelle Dinge diskutieren, wo über einschneidende Entscheidungen innerhalb des Vereins geredet wird. Natürlich wissen Jarchow und Hilke, dass Scheel diese Dinge ebenfalls hört.

Wer jetzt ein wenig weiterdenkt, könnte drauf kommen.

Wie soll in dieser Zusammensetzung vertrauensvoll zusammengearbeitet werden ?

 

Aber damit nicht genug. Nicht nur innerhalb der beiden Gremien herrscht Mißtrauen, auch zwischen Aufsichtsrat und Vorstand stimmt im Grunde nichts (mehr). Während Vorstandschef Jarchow einen Brief an den Vorstand schreibt und sich über die permanenten Indiskretionen beschwert (selbstverständlich gelangt eine Kopie dieses Briefes umgehend per Mail an den Springer-Verlag), verweist ein angeschossener Aufsichtsratsboss Ertel auf die Zuständigkeiten des Vorstandes und wird nicht müde zu betonen, dass am Ende der Vorstand zur Verantwortung gezogen wird.

Und dies von einem Gremium, welches jede Trainer-/Sportchefentlassung und jeden Spielertransfer jenseits der € 500.000 abgesegnet hat. Verantwortung hat man deshalb jedoch nicht. Großartig.

Man erkennt ohne Probleme: Zwischen Vorstand und Aufsichtsrat herrscht eine Mißtrauens-Stimmung, die auch in dieser Konstellation nicht mehr zu bereinigen ist.

Aber weiter. Das bereits erwähnte, ahnungsbefreite Vorstandsmitglied fuhrwerkt vom Tag seiner Ernennung im sportlichen Bereich herum wie in einem Steinbruch. Spieler werden bereits vor Saisonbeginn medial niedergemacht, Spieler werden degradiert, Spieler werden begnadigt, erneut degradiert. Man bekennt sich zu einem Trainer, den man als Freund bezeichnet, kurze Zeit später feuert man den „Freund“, weil er eben doch nur ein früherer Kollege war. Glaubwürdigkeit ? Minus 100 !!!

Da nützt es auch wenig, dass der Spottchef von den Medien in Watte gepackt wird. Bei den Spielern ist längst angekommen, wie sich Vielredner Kreuzer seinen medialen Schutz erkauft. Zusammenspiel ? Lächerlich.

Mit Bert „Bernd“ van Marwijk wurde ein Trainer von internationalem Renomee verpflichtet, eben ein Trainer, dessen Ruf als Vizeweltmeister zum (ehemaligen) Ruf des HSV passen sollte. Große Namen gehören zusammen. Aber ist van Marwijk auch der richtige Mann, um mit einer völlig verunsicherten Truppe und einem zerrissenen Verein den Klassenerhalt zu schaffen ? Zweifel dürften erlaubt sein. Mit einer Mannschaft aus Spielern wie Robben, van der Vaart, Huntelaar, van Persie, de Jong, Babel, Kuyt etc. kann man es durchaus schaffen, bei einer WM weit zu kommen. Zudem wirkt van Marwijk auf mich trotz aller trotzigen Bekenntnisse von Woche zu Woche disillusionierter, man bekommt den Eindruck, er begreift jede Woche besser, worauf er sich eingelassen hat.

Über das außerordentlich verkorkste Trainingslager während der Winterpause ist genug gesagt und geschrieben worden, Professionalität sieht anders aus. PR-Reisen kann man machen, wenn man Tabellen-6. ist, aber nicht in der aktuellen Lage.

Dann kommt das erste Spiel der Rückrunde, ein Heimspiel gegen den Champions League-Teilnehmer Schalke 04. Die Frage, warum der HSV in dieser Saison lediglich 2 Heimspiele gewonnen und 6 verloren hat, sollte man sich auch einmal fragen, denn hier sind wir beim nächsten Problem, den Fans. Allerspätestens seit der Mitgliederversammlung sollte jedem bewußt geworden sein: Auch die HSV-Fans pflegen kein Zusammenspiel. Nicht untereinander, nicht mit sich, aber auch nicht mit der Mannschaft.

Während die „Auswärtsfans“ in ganz Deutschland ob ihres überragenden Supports bewundert werden, hat man den Eindruck, dass bei Heimspielen völlig andere Personen das Spiel besuchen. Ein immerwährender Underground-Sound, der mich teilweise an ein Ork-Gestöhne erinnert, erfüllt die Arena 90 min lang, ohne auf irgendeine Spielsituation einzugehen. Zudem wird eine verunsicherte Truppe nicht angefeuert, sondern beim ersten Fehlpass setzt ein unzufriedenes Gemurmel ein.

Der Gipfel ist dann allerdings, wenn ein Spieler wie Heiko Westermann, der in jedem Spiel 100% in die Wagschale wirft, von den eigenen „Fans“ ausgepfiffen und lächerlich gemacht wird. Sowas gibt es nur bei Heimspielen in der Imtech-Arena.

Es kommt also Schalke, eine Mannschaft, die auch im nächsten Jahr wieder CL spielen will. Was stellt der HSV an Personal dagegen ?

Drobny: Ein Torwart, der zweifelsohne Qualitäten hat, der gestern aber sein 3. Saisonspiel machte und entsprechend keine Spielpraxis besitzt.

Lam: Ein Talent, welches nur spielt, weil Dennis Diekmeier nicht zu 100% fit ist und der während seiner sieben Einsätze in dieser Saison durchschnittliche 53 pro Spiel auf dem Platz stand

Westermann: 2 Monate wegen Knie-OP verletzt und machte gestern sein erstes Spiel seit Anfang Dezember

Tah: 17-Jähriges Talent in seiner 1. Saison

Jansen: Trainierte die ganze Woche wegen Erkältung nicht.

Hinzu kommt, dass die Innenverteidigung mit Westermann und Tah bisher so gut wie nie zusammengespielt hat, was man besonders bei Tor 1 erkennen konnte.

Arslan: Ohne Worte

Badelj: Hat mit Arslan einfach den falschen Mitspieler.

Das defensive Mittelfeld, das Herz der Mannschaft, der Teil, der den Takt vorgeben sollte, das Spiel aufbaut, das gegnerische Spiel vor der Viererkette zerstören soll. Diese defensive Mittelfeld besteht aus zwei „umgeschulten“ Spielern. Badelj ist eigentlich eine 8, Arslan war vorher ein 10er. Keiner von beiden ist auf der 6er-Position groß geworden und so wirkt die Defensive des HSV auch – provisorisch.

Dabei hat man reichlich gelernte 6er im Team. Ricon, Demirbay (leider erneut verletzt), Kacar, Jiracek, Steinmann. Warum jetzt auch van Marwijk mit zwei umgeschulten Spielern agiert und es ganz offenkundig nicht klappt, bleibt mir ein Rätsel.

Ilicevic: Dauerpatient mit bisher gerade 274 Bundesligaminuten in dieser Saison.

Calhanoglu: Verspieltes Talent in seiner 1. Bundesliga-Saison

van der Vaart: Führungsspieler, der mit der Rolle des alleinigen Führungsspielers sichtlich überfordert ist.

Lasogga: Sturmhoffnung, der große Teile der Vorbereitung aufgrund von Verletzungen verpasst hat und jetzt erneut verletzt ist.

Eine Offensive, die keine ist. Zuviele Schönspieler ohne Praxis oder Erfahrung.

Und diese Mannschaft sollte Schalke schlagen ???

 

Dies hätte durchaus klappen können, aber dazu braucht es etwas, was in der HSV-Mannschaft aufgrund der zuvor bschriebenen Gegebenheiten nicht vorhanden ist:

Mentalität.

 

Freiburgs Torhüter Oliver Baumann lieferte den Spruch des Spieltages:

Mentalität schlägt Qualität !

 

Mentalität kann aber nur in einem Verein wachsen und existieren, in dem man zusammenspielt. Wie soll in der Mannschaft des HSV eine Mentalität entstehen, wenn jeder Spieler sieht, wie es um das Zusammenspiel zwischen Aufsichtsrat, Vorstand, Sportchef, Trainer, Mannschaft, Fans bestellt ist.

Hamburg ist keine Einheit, der HSV ist ein Kriegsgebiet !

 

So weh es auch tut – in diesem Jahr sehe ich schwarz. Andere Verein holen in solchen Situationen erfahrene Spieler, die sich in ähnlichen Momenten bewährt haben. Herr Kreuzer leiht zwei 20-Jährige ohne Spielpraxis aus. Wahnsinn.

 

P.S. Immer wieder wird von besonders investigativen Medien die Frage gestellt, warum es ehemaligen HSV-Spielern und Trainern möglich ist, bei anderen Vereinen die Leistungen abzurufen, die man von ihnen auch in Hamburg erwartet hatte.

Erklärung – s.o.

Das nächste Problem:

goal: Haben Sie in Ihrer Laufbahn schon mal eine vergleichbare Situation erlebt?

Kreuzer: Nein, weder als Spieler noch als Trainer. Das kenne ich so nicht.

http://www.goal.com/de/news/1022/interview/2014/01/27/4573175/hsv-rutscht-in-die-abstiegszone-kreuzer-die-lage-ist?ICID=HP_BN_1