Ich weiß, einige wollen es nicht mehr hören bzw. lesen, aber dennoch.

Mein heutiger Glückwunsch geht an die Redaktionen des Hamburger Abendblattes, der Mopo und besonders der BILD. Ihr habt es mit eurem unermüdlichen Einsatz geschafft, die ohnehin schon aufgeheizte Atmophäre durch beharrliches Verbreiten von Falschmeldungen (HSV-zu faul für die Bundesliga), tendenziösen Ätz-Artikeln (Van Marwijk fährt nach Holland) und nicht zuletzt durch das Abdrucken des Vertragswerks eines 17-Jährigen derart zu vergiften, dass sich der Zorn des empört-alkoholisierten Pöbels nach der gestrigen Pleite gegen Hertha entladen musste.

Zum „Glück“ für alle Beteiligten waren BILD und Co natürlich live beim Spektakel dabei, denn gekreischte Parolen wie „BILD raus“ müssen sie grundsätzlich nie befürchten. Im Gegenteil – „Die schreiben doch nur die Wahrheit“…

Bedauerlich finde ich – neben der ängstlichen und frei jeglichen Selbstvertrauens agierenden Vorstellung der Mannschaft –  dass immer wieder die gleichen Namen derer gegröhlt werden, die am besten geteert und gefedert werden sollten.

So sehr sich der Vorstand um Carl Jarchow und die Mannschaft um Rafael van der Vaart auch auch in Fehlerketten verlieren, sind sie doch nur das Ende der Nahrungskette HSV, sind sie die Produkte dessen, was die „Fabrik HSV“ seit fast 30 Jahren auswirft.

Warum gröhlen die Jungs um den zuerst anheizenden und später medial-wertvoll deeskalierend wirkend-wollenden „Jojo“ Liebnau nicht „Aufsichtsrat raus“? Weil das Wort Aufsichtsrat eine Silbe zuviel hat und sich deshalb unbequem brüllen lässt ?

Okay. Warum nicht „Ertel raus“ ? Warum nicht „Hunke raus“? Warum nicht „Erhardt raus“? Warum nicht „Scheel raus“? Warum nicht „Liebnau raus“ ?

Oder besser – warum nicht „SC-raus?“

Wer ist denn am Ende des Tages für all das verantwortlich, was wir heute sehen müssen ? Wer hat denn diesen Aufsichtsrat gewählt, der einst Bernd Hoffmann und Katja Kraus in die Wüste schickte, um einen Vorstand nach seinem Gusto zu installieren ? Carl Jarchow ist doch am Ende nur ein Produkt dieser Entwicklung und Schuld, liebe Freunde, Schuld ist das, was ein kleiner Teil der Mitgliedschaft immer noch bewahren möchte wie eine Nonne ihre Jungfernschaft.

In diese prekäre Lage hat uns genau eines gebracht: Das Recht der Mitglieder auf die Mitbestimmung an der Strategie eines Millionen-Unternehmens.

 

Das, was wir heute sehen. Was wir als unseren HSV empfinden, all das ist das Ergebnis dessen, was passiert, wenn begeisterte Amateure die Arbeit von ausgebildeten Profis verrichten wollen, weil sie denken, sie könnten es besser.

Sie können es nicht und genau dafür müssen wir alle jetzt bezahlen!

By the way – wo waren gestern während des Pöbel-Aufruhrs eigentlich die Räte ? Schon zuhause, weil man auch nach Minuten 60 gegangen war ? Noch am Buffet oder in der Loge ?

Ehrlich, ich kann Fans, die sich nicht so intensiv mit dem Verein, seinen handelnden Personen und seinen Strukturen beschäftigen, verstehen. Sie fahren vielleicht alle zwei Wochen zum Spiel oder gucken es bei SKY. Dann sehen sie eine ängstliche Mannschaft, bei der der ballführende Spieler die ärnste Sau ist. Sie sehen einen Trainer, der die nächste Niederlage hinterher erkären muss und sie sehen einen Sportchef, der außer dem selbst kreierten „Eigenfehler“ keine Argumente hat.

Mehr sehen sie nicht und sie sind zu Recht sauer.  Aber sie sehen eben auch nicht, wo die Gründe dieser Situation liegen.

Wir alle verlangen Professionalität unserer Sportler, aber „wir“ wählen Personen in das höchste Gremium dieses Vereins, die gekonnt das Trikot unterm Sakko hervorzaubern, die eine launige Rede halten oder die zuvor genügend Stimmvieh mobilisiert haben. Ein lustiger 10-minütiger Eindruck reicht, um dieses Gremium zu entern. Ist das professionell ?

„Wir“ halten 99% unserer Spieler für lauffaule Millionärs-Söldner und begreifen nicht, dass eben genau diese Söldner nach einem Abgang beim HSV bei anderen Vereinen zu besten Leistungen in der Lage sind. Aktuell möchte ich nur Spieler wie Skjelbred, Sam, Son, Berg, Bruma nennen. Nehme man die letzten 25 Jahre, die Liste wäre unendlich. Boateng, Kompany, Aogo.

Ich behaupte, dass Hakan Calhanoglu aufgrund seiner Fähigkeiten eine internationale Karriere machen wird, aber nicht beim HSV

Das Gleiche gilt für Jonathan Tah.

Ich behaupte, dass Dennis Diekmeier bereits Nationalspieler wäre, würde er in Leverkusen oder Dortmund spielen.

Heiko Westermann war bei Schalke eine feste Größe und wurde Nationalspieler, beim HSV steht er unter „Fan“-Dauerfeuer und ist vollkommen verunsichert,

Milan Bedalj würde auch bei einer guten englischen Mannschaft Stammspieler sein, beim HSV ist er einer von vielen.

Rafael van der Vaart ist auch mit 30 Jahren noch ein Spieler intenationaler Klasse und Kapitän der holländischen Nationalmannschaft. Beim HSV geht er mit unter.

Dies gilt für diverse andere Spieler auch. Die Qualität jedes einzelnen Spielers ist in der Bundesliga überdurchschnittlich, die Mentalität zum Teil nicht und auch deshalb spielt die Mannschaft eneut gegen den Abstieg.

Mentalität aber muss vorgelebt werden, eine Idee muss vorgelebt werden. Beim HSV wird Spielern und Trainern seit Jahren nur vorgelebt, dass du dem nächsten Angestellten nicht über den Weg trauen sollst.

Warum wird im Grunde jeder Spieler, der als geloberter Könner zum HSV wechselt, unabhängig vom aktuellen Trainer innerhalb kürzester Zeit eine gefühlte Klasse schlechter ?

Warum verpflichten „wir“ einen Meistertrainer nach dem Anderen und wundern uns trotzdem, dass JEDER nach einem Jahr völlig entnervt scheitert ? Toppmöller, Jol, Stevens, Veh, Fink, van Marwijk. Sie alle hatten und haben bei anderen Vereinen großen Erfolg und sie alle scheiterten am HSV oder sie werden scheitern.

Wann stellt ihr euch endlich einmal die Frage, warum das so ist ?

 

Ich hatte neulich ein längeres Gespräch mit einem HSV-Mitarbeiter und dieser meinte zu mir: „Der HSV steckt in einer schwarzen Wolke“.

Bei unserem HSV stimmt im Jahr 2014 nichts mehr. Es gibt weder Perspektive noch gibt es Hoffnung. Es gibt keine Vereins-Phillosophie und keine Führung von oben. Es gibt keine „Idee“ eines Vereins und keine Vision. Dafür gibt es ein interne Intrigen ohne Ende, Machtspielchen auf jeder Ebene. Angefangen vom Aufsichtsrat bis runter in die Abteilungen wie Ticketing oder Fan-Betreuung gibt es kein Miteinander, keinen Team-Gedanken. Jeder wurschtelt vor sich hin und versucht irgendwie über die Runden zu kommen.

Wie soll das auch funktionieren ? Da werden Aufsichtsräte gewählt, die – möchten sie nach ihrer ersten Amtsperiode im Gremium bleiben  – vom ersten Tag ihrer Wahl erneut Wahlkampf betreiben müssen und die innerhalb des Kontrollgremiums gezwungen sind, strategische Allianzen entgegen ihrer Überzeugung einzugehen, weil ansonsten ihre Reputation im Verein und ihre Wiederwahl gefährdet ist.

Dann werden strategisch Verantwortliche wie Trainer, Sportchef aber auch Vorstände mit kurzfristigen Verträgen ausgestattet. Diese sollen eine Vision entwickeln, vorleben, einimpfen. Dabei wissen weder sie selbst noch die Mitarbeiter, ob der Stratege in 6 Monaten noch im Amt ist. Wie soll das funktionieren ?

 

Der HSV wird sich ändern müssen und so wie es aussieht, wird er sich in Liga 2 ändern. Aber – so finanziell fatal es auch sein mag, vielleicht ist dies die einzige Möglichkeit. Die Chance, dieses belämmerte „Dino-Image“ loszuwerden, um endlich ein moderner und zeitgemäßer Verein zu werden. Die Chance, diese dämliche Uhr abzubauen, die auf dem Verein wie ein Balast zu liegen scheint. Die Chance, die ganzen Schaumschläger, Selbstdarsteller, Egomanen, Karrieristen, Gescheiterten und Intriganten loszuwerden, die sich seit vielen Jahren vom HSV ernähren.

Und vielleicht die Chance, sich endlich von der Pest „Boulevard-Presse“ zu lösen, die den Verein in ihrem verseuchten Klammergriff hält und zum eigenen Zweck aus/erpresst.