„Es ist fürchterlich, wie sich die Dinge dort entwickelt haben“

 

Felix Magath hat Recht, es ist fürchterlich. Zwar gehe ich davon aus, dass Magath mit dieser in einem Interview mit dem WDR getätigten Aussage die sportliche Situation des HSV gemeint hat, es trifft die Situation auf der Vorstands- bzw. Kontrollebene jedoch mindestens im gleichen Maße, wenn nicht sogar mehr.

Gestern, am 09.02.2014, ist es dem Aufsichtsrat des HSV nun endgültig gelungen, den Verein zum Gespött der Republik zu machen. Um nicht falsch verstanden zu werden, hiermit meine ich nicht die Entscheidung, zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Vorstand in dieser Zusammensetzung und damit auch mit Trainer Bert van Marwijk weiterzumachen – diese Entscheidung finde ich richtig. Nein, ich meine die Art und Weise, das ganze medien-begleitetete Possenspiel, bei dem sich im Normalleben völlig unbekannte und unwichtige Personen im Blitzlichtgewitter sonnen. Dieser „Einmarsch der Gladiatoren“ gestern in der Lobby des Grand Elysee-Hotels hatte bizarrerweise etwas von rotem Teppich, es ist nur noch erschütternd.

Warum in Gottes Namen muss eigentlich eine solche, richtungsweisende Sitzung in aller Öffentlichkeit ausgesessen werden ? Warum wird sowohl Sitzung-Ort wie auch Sitzungs-Zeitpunkt im Vorfeld an die Pressegeier übermittelt ? Warum ist es nicht möglich, eine Sitzung mit 11 Räten, 2 Vorständen und einem Pressesprecher bei Herrn Hunke zuhause abzuhalten ? Zur Hölle, das hätten sie zur Not auch in meinem Wohnzimmer machen können, ich wäre so lange spazierengegangen.

Aber – wer weiß ? Vielleicht hat man seitens des Aufsichtsrats mit dem damaligen „Sportchef-Casting“ so dermaßen gute Erfahrungen gemacht, dass man auch diesmal nicht verzichten wollte…

Aber nein, irgendeiner labert ja bekanntlich immer. Vielleicht sollte man tatsächlich dazu übergehen, den „Rat der Ratlosen“ in den „Rat der Maulwürfe“ umzubenennen, denn ganz offenkundig hat die Gesamtheit des Gremiums längst kapituliert und man verzichtet bewußt auf Geheimhaltung, weil sie eh nicht gewährleistet werden kann.

Bereits Stunden vor Sitzungsbeginn dann sickerte eine einsame Meldung durch das Netz, dass es angeblich eine Art Vor-Abstimmung gegeben haben sollte, bei der 7 Räte mit einem Abstimmungs-Ergebnis von 5:2 Pro Magath votiert haben sollten. Nun gibt es diverse Möglichkeiten, mit „Exklusiv-Meldungen“ dieser Art umzugehen, besonders dann, wenn das spätere Ergebnis diese Meldung konterkariert. Konnte man nach einem Ergebnis von 5:2 noch davon ausgehen, dass Magath so gut wie „durch“ wäre, zeigte uns die Geschichte des Abends genau das Gegenteil. Also kann man annehmen, dass „Herr Scholz“ entweder einer Ente aufgesessen ist, bewußt eine Falschmeldung lancierte (weil – dann hat man endlich wieder etwas exklusiv) oder schlicht Pech hatte.

By the way – Falschmeldung: Ich weiß nicht, ob es allen aufgefallen ist, aber der Hang zur Verkündung von Exklusiv-Meldungen („wir hatten es zuerst“) nimmt in den letzten Monaten dramatisch zu und man kann beobachten, wie sich ehemals verbündete Presseorgane gegenseitig an die Gurgel gehen, wenn die Vermutung besteht, dass einer vom anderen abgeschrieben hat. Dieses lustige Phänomen gab es in dieser Ausprägung früher nicht und es macht deutlich, wie dünnhäutig die Journaille in diesem Tagen geworden ist. Aber klar, wer etwas zuerst hatte, sichert mittelfristig seinen Job. Wer hinterherläuft, fliegt. Unter diesem Druck werden dann auch gern mal offensichtliche Schwachsinnigkeiten getwittert, tatsächliche Märchen gebloggt und „O-Töne“ verfälscht. Rette sich wer kann.

Aber zurück zum Rat der Ratlosen. Nach einer 8-stündigen Marathon-Sitzung, bei der angeblich auch „Jesus“ Magath telefonisch zugeschaltet gewesen sein soll, verkündete Mediendirektor Wolf, dass es nicht zu verkünden gibt.

Spätestens jetzt setzte bei den ausharrenden Edelfedern der Zorn ein. Man hängt dort den ganzen heiligen Sonntag in einer Hotel-Lobby rum und dann passiert nichts ??? Das stinkt nach sofortige Rache und diese wird nicht lange auf sich warten lassen.

Was immer in dieser Saison noch passieren wird, es wird im Grunde nur Verlierer geben.

Erster Verlierer ist der HSV, bei dem mittlerweile nahezu alle Führungskräfte gezeigt haben, dass sie der Situation nicht gewachsen sind.

Zweiter Verlierer ist der Aufsichtsrat, der zum wiederholten Male demonstriert hat, dass er aus einer Horde von Selbstdarstellern und Maulhelden besteht.

Dritter Verlierer ist der Vorstand, der spätestens jetzt weiß, dass er auf Bewährung arbeitet. Wie sollen dort jetzt noch vernunftsgetriebene Entscheidungen getroffen werden ?

Vierter Verlierer ist Bert van Marwijk, der ab heute weiß, dass er keine rückhaltlose Unterstützung seitens der Vereinsgremien genießt.

Fünfter Verlierer ist die Mannschaft, die ebenfalls weiß, dass der Trainer bereits unter dem Schafott liegt und die Klinge baumelt. Motivation sieht irgendwie anders aus.

Sechster Verlierer ist Felix Magath, der meinte, sich durch mediale Dauerpräsenz in eine gute Ausgangsposition manöveriert zu haben und der jetzt begreift, dass der Wunsch nach „Felx, dem Retter“ doch nicht so ausgeprägt ist, wie er vermutete. Ob sich Magath diese Schmieren-Show ein zweites Mal antun wird, darf bezweifelt werden.

Aber egal, was auch immer passieren wird, der HSV wird enorm beschädigt aus dieser Situation hervorgehen und ob er sich rechtzeitig davon erholen wird, muss angezweifelt werden.

Kurze Randnotiz (früher wäre sowas mal eine Meldung wert gewesen): Dennis Aogo wechselt für ca. € 3 Mio endgültig zu Schalke 04. Aogo dürfte froh sein, diesem Chaos entfiehen zu können, alles Gute Dennis.