Liebe Leser,

auch am heutigen Montag ist das kollektive Aufatmen in und um Hamburg noch spürbar, nichtsdestotrotz ist bisher bis auf eine weitere Schadensbegrenzung nichts passiert. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, welch fatale Folgen es gehabt hätte, hätte der HSV nicht zu diesem für alle überraschenden Befreiungsschlag gegen den Champions League-Teilnehmer der letzten Saison ausgeholt.

Bis Rang 10 (Hoffenheim) sind es exakt 7 Punkte und ich behaupte heute, nach dem 22.Spieltag, dass ganz unten noch eine Mannschaft reinrutschen wird, die bis gestern noch dachte, sie hätte mit dem Abstieg nichts mehr zu tun.

Denn eines zeigt die Geschichte der Bundesliga und ebenfalls die Historie des Abstiegs in schöner Regelmäßigkeit immer wieder: Die Mannschaften, die als erstes begreifen, dass es nicht um internationale und noch nicht einmal um gesicherte Plätze geht, sondern einzig und allein um das blanke Überleben in der Liga, diese Mannschaften haben besser Chancen dem Unheil zu entgehen, als die Clubs, die erst kurz vor Ende der Saison in unmittelbare Abstiegsgefahr geraten.

Denn das muss klar sein: Wer erst am 31. oder 32. Spieltag auf einem Abstiegs- bzw. Relegationsplatz steht, hat kaum noch Möglichkeiten zu reagieren. Sei es durch einen Trainerwechsel, ein Kurz-Trainingslager oder was auch immer. So gesehen ist die Situation beim VFB Stuttgart beispielsweise durchaus brenzlig, zumal sich der Club in einer Abwärtsspirale befindet, die Möglichkeiten für eine entsprechende Reaktion jedoch immer weniger werden. Zudem ist der erfolgreichste Torschütze der letzten Jahre, Vedad Ibisevic, noch weitere 4 Spieltage gesperrt, Martin Harnik trifft zur Zeit keinen Möbelwagen, die Abwehr wird in jedem Spiel neu zusammengewürfelt. Dies gilt in gleicher oder ähnlicher Weise für den SV Werder Bremen, bei dem neben einigen anderen Gründe schlicht und ergreifend die Qualität nicht auszureichen scheint. Die Bremer haben keinen Lasogga, sondern nur einen Petersen, der vollkommen von der Rolle ist. Einen Elia, der als Dauerpatient nicht einmal die Inhalte des eigenen Vertrags kennt. Einen dauerverletzten Hunt und und und.

Aber auch die Hoffenheimer, eigentlich personell so besetzt, dass es im Grunde für einen Platz im gesicherten Mittelfeld reichen müßte, können vom eigenen Momentum überrascht werden. Hoffenheim hat zur Zeit 26 Punkte, einen Sieg mehr als der HSV und empfängt am nächsten Spieltag die zur Zeit überragenden Wolfsburger. Mit ein wenig Pech ist der Abstand zum Relegationsplatz dann noch 4 Punkte groß und anschließend muss Hoffenheim nach Gelsenkirchen.

Beim HSV behaupten jetzt einige, dass die Mannschaft durch den Trainerwechsel von van Marwijk zu Slomka endlich begriffen hätte, worum es in dieser Saison geht. Ich behaupte, das hatte die Mannschaft auch vor dem Braunschweig-Spiel schon begriffen. Der Unterschied zwischem dem Braunschweig-Spiel und dem Dortmund-Spiel war aber halt auch (neben einigen anderen Gründen), dass das gesamte Spiel-Momentum anders gelagert war.

In Braunschweig bekam der HSV kurz nach der Halbzeitpause durch einen Adler-Fehler das 1:1, gegen Dortmund gelang in der 42. Minuten das 1:0 durch Jiracek. Faktoren, die einer völlig verunsicherten Mannschaft das Genick brechen oder auf der anderen Seite, im positiven Fall, zusätzliche Energien freisetzen können. Mit dem Willen, vollen Einsatz zu zeigen, hat das wenig zu tun.

Wie wenig die oft heranzitierten Statisktik-Werte mit dem Ausgang eines Spiels zu tun haben (können), zeigen die Daten des Dortmund-Spiels in beeindruckender Art und Weise.

Schüsse auf’s Tor: Dortmund 15 – HSV 13

Ballbesitz: Dortmund 65% – HSV 35%

gewonnene Zweikämpfe: Dortmund 52% – HSV 48%

Ecken: Dortmund 6 – HSV 3

Außerdem lief die Mannschaft des HSV  mit 114,5 km knapp 2 km weniger als die der Dortmunder.

Ergebnis: HSV – Borussia Dortmund 3:0

Für Tainer Slomka wird es jetzt wichtig sein, bei aller Erleichterung die Anspannung hochzuhalten, auch im täglichen Training nicht nachzulassen, eventuell aufkeimende Selbstzufriedenheiten im Ansatz zu ersticken. Hierzu kann es notwendig sein, den einen oder anderen Spieler, dem der Erfolg des letzten Wochenendes zu Kopf gestiegen ist, ganz schnell zurück auf die Bank zu setzen.

P.S. Irgendwie lustig. In der heute veröffentlichten goal-11 des Spieltages stehen mit Rajkovic, Arslan, Calhanoglu und Lasogga 4 Hamburger. Hätte der HSV das Spiel 1:2 verloren, würde wahrscheinlich genau diesen Spielern ihre mangelhafte Laufbereitschaft um die Ohren gehauen werden.