Liebe Leser,

wieviel Spaß macht es eigentlich, Lizenzspieler beim Hamburger Sport Verein in den Jahren zwischen 1988 bis 2014 zu sein ?

Aufgrund einer völlig unangebrachten Erwartungshaltung seitens der Fans, die irgendwie immer noch denken, dass sie für einen besonderen Verein jubeln oder vielmehr pöbeln und Pappbecher werfen.

Aufgrund der durchtriebenen Inquisitoren mit den Laptops und der fehlenden Fachkenntnis, die sich ein perverses Vergnügen daraus machen, jedes Fünkchen Selbstbewußtsein im Keim zu erdrosseln, sich selbst aber wie zum Hohn „HSV-Fans“ schimpfen.

Aufgrund einer instabilen, intriganten, interessiert-vereins-extern-gesteuerten Möchtegern-Führung, die keine ist und keine mehr werden  wird.

Aufgrund eines Sportchefs, dessen einzige Fähigkeit es ist, zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt das denkbar Falscheste zu tun und zu sagen.

Aufgrund des gefühlt 252. Trainers in 15 Jahren, dessen Fähigkeiten im Grunde sowas von scheißegal sind und der in dem Bewußtsein, spätesten nach der 1. Niederlage sturmreif geschossen zu werden, seinen ersten Arbeitstag beginnen muss.

Kurz – aufgrund einer äußeren und inneren Darstellung eines Vereins, die mehr einer Pestgaleere als einem Kreuzfahrtschiff gleicht, ist eine Anstellung beim HSV garantiert nicht Vergnügungssteuerpflichtig.

Anerkennung als Motivation

Nun wird der eine oder andere aufgeklärte Klugscheißer einwenden:

„Die sollen sich nicht vergnügen, die sollen was tun für ihre Millionen. Ich muss auch jeden Tag zur Arbeit gehen, selbst dann, wenn ich keine Lust habe“

 

Stimmt absolut. Das muss wohl jeder von uns. Und trotzdem: Wem von uns macht das Arbeiten denn nicht mehr Spaß, wenn man das, wofür man sein Gehalt bezieht, mit Freude an der Sache ausübt ? Was gibt es mehr an Motivation, als wenn man das, was man zu tun hat, gern macht ? Das gilt für den Klempner genauso wie für den Investment-Banker. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle, Geld motiviert nur temporär.

Das Beste, was einem Gehaltsempfänger passieren kann, ist Lob und Anerkennung für das, was er tut. Wer strebt nicht nach Bestätigung seines Vorgesetzten, seines Partners, seines Chefs oder seiner Eltern ? Richtig, keiner.

Anerkennung oder Lob für das, was sie tun, kennen HSV-Spieler im Grunde nur noch als Gerücht, aber damit könnten sie wohl noch einigermaßen leben. Was sich seit gestern im Hamburger Blätter- und Internetwald abspielt, ist jedoch der vorläufige Höhepunkt einer wiederwärtigen Hexenjagd, die leider Gottes eine gewissen Anzahl an dünn-angerührten Möchtegern-Fans tatsächlich erreicht hat. Besonders Kapitän Rafael van der Vaart sieht sich einem Shitstorm gegenüber und er ist in diesem Fall vollkommen unschuldig.

Eine neue Stufe der Eskalation

Was war passiert ? Der HSV hatte wie angekündigt eine Trauerfeier zum Tod des kürzlich verstorbenen Hermann Rieger organsisiert. Am Sonntag, den 02.03. fanden sich ca. 3.000 Trauergäste in der Arena ein, um dem Vereinsidol zu gedenken, die tatsächliche Beerdigung sollte im engsten Familienkreis stattfinden.

Was macht nun ein tief trauernder, investigativer Hamburger Sportjournalist ? Richtig, er zählt. Er zählt die Trauergäste und bemerkt, dass von 70.000 Mitgliedern (davon ca. 80% aus dem Hamburger Umland) gerade mal 3.000 Trauergäste in der Arena anwesend waren.

3.000 von ca. 55.000 ? Hermann wäre stolz und erfreut gewesen und hätte sich überschwänglich bei allen 3.000 bedankt. Nicht so der Hamburger Sportjournalist, der denkt weiter.

Und blitzschnell, wie er nun mal ist, kommt er auf die rettenden Idee. Wen interessieren denn schon die Mitglieder, wir suchen flugs nach den Promis. Ex-Präsidenten, Ex-Spieler, Ex-Trainer etc.

Wollen wir doch mal gucken, wer sich alles gedrückt hat.

Horst Hrubesch war da, Stig Töfting aus Dänemark war da, Jimmy „Calypso“ Hartwig, Hieronymus, Kargus, Wehmeyer.

An dieser Stelle hätte man jetzt auf die wilde Idee kommen und bemerken können, dass beispielsweise Felix Magath nicht anwesend war. Magath hatte immerhin noch die Laudatio zu Riegers Wahl zum Hamburger des Jahres gehalten. Manni Kaltz war auch nicht da, es waren eine ganze Menge ehemaliger Weggefährten nicht da.

Aber das schreibt sich in diesen Tagen nicht so gut, also guckt man, welche Spieler der aktuellen Mannschaft anwesend waren. Und dann – SCHOCK – gerade mal vier Spieler bequemten sich zu dieser „Pflichtveranstaltung“ (die keine war). Das schlägt ja dem Fass den Boden aus.

Vergesst die 55.000 Mitglieder, vergesst die Dutzenden von Weggefährten. Diese miesen Söldner haben keinen Anstand, wie Herr Sonnenberg in seinem Kommentar in der BILD zu berichten wußte.

Die HSV-Profis benötigten knapp 100 Meter, um aus der Kabine zur Trauerfeier in die Arena zu gehen. Genau vier (!) Profis gingen diesen Weg. Und die anderen? Kapitän Rafael van der Vaart düste nach Hause, Führungsspieler wie René Adler oder Heiko Westermann waren nicht zu sehen.​

Die Teilnahme an der Trauerfeier war für die Spieler freiwillig. Aber wenn nur vier Spieler bereit sind, sich von einem Menschen zu verabschieden, dem der HSV ein Denkmal setzen will, sagt das ALLES über den Charakter dieser Mannschaft.​

 

Hermann Rieger beendete seine aktive Karriere als Masseur (nicht als Physio, Hermann war immer Masseur) beim HSV im Jahr 2004. 2004 war Jonathan Tah 8 Jahre alt. Jacques Zoua war 14 und lebte in Kamerun. Tomas Ricon bolzte als 16-Jähriger auf den Straßen von San Christobal und Rene Adler schaffte den Aufstieg von der zweiten Mannschaft der Leverkusener in den Profikader der Werkself.

Aber selbst wenn diese Spieler zum Ende von Hermann Riegers „Amtszeit“ alle jenseits der 30 gewesen wären, wer bitte nimmt sich das Recht, für einen anderen Menschen entscheiden zu wollen, wie er zu trauern hat ? Was bilden sich Gestalten wie Sonnenberg, Matz und Genossen überhaupt ein ?

Woher wissen die selbsternannten Scharfrichter eigentlich, wer von den nicht anwesenden HSV-Spielern was gemacht hat ? Vielleicht hat Maxi Beister zuhause gesessen und vor sich hingestarrt. Vielleicht war Michael Mancienne in der Kirche und hat eine Kerze angezündet. Ich weiß es nicht, aber die Schmierlappen, die sich Journalisten nennen, wissen es auch nicht. Weil sie nicht fragen. Das Stilmittel der Frage kommt in ihrem begrenzten Repertoire scheinbar nicht mehr vor oder ist es noch schlimmer ? Haben sie vielleicht gefragt und eine logische Antwort erhalten, diese jedoch schlichtweg ignoriert, weil sie nicht ins Konzept passt ?

Ins Konzept passt zur Zeit auf jeden Fall das Einknüppeln auf Rafael van der Vaart. Spätestens, seit medial-entlohnte Dampfplauderer wie Matthäus oder Effenberg den Holländer als Archillesferse des Hamburger Spiels ausgemacht haben, ist die Jagd eröffnet. Alles, aber auch wirklich alles wird auf den Schultern des Kapitäns abgeladen, dann interessiert es auch niemanden, dass van der Vaart neben dem Training Sonderschichten schiebt, um fitter zu werden.

Es interessiert sich auch niemand für den Grund, warum van der Vaart tatsächlich nicht in der Arena anwesend war, als sich die versammelte Hamburger Sportpresse von Trauer zerrieben weinend in den Armen gelegen hatte.

van der Vaart war kurzfristig für das Länderspiel der holländischen Nationalmannschaft nachnominiert worden und muss direkt nach am Sonntagmorgen anreisen, da ein Fototermin mit Sponsor und Ausrüster Nike angesetzt war. Der Kapitän konnte als gar nicht an der Trauerfeier teilnehmen, selbst wenn er gewollt hätte. Um dies zu erfahren, hätte man einfach nur Mediendirektor Wolf in der Arena ansprechen müssen, zumindest hätte dies ein Journalist gemacht.

Leider hat das, was mittlerweile seit vielen Jahren medial in Hamburg passiert, mit Journalismus nichts zu tun. Hier wird lieber vermutet, als gewußt. Hier ist das Scheißhausgerücht wertvoller als die Wahrheit und die Lust an Intrige und Zersetzung ist offenbar Einstellungsvoraussetzung Nr. 1.

Was damit bezweckt wird ? Relativ einfach zu durchschauen, oder ?

Nicht die Spieler entscheiden, was sie tun. Nicht der Verein entscheidet, was Spieler und Verein tun. Die Presse entscheidet, was getan wird und wann was getan wird.

Das gilt für Einstellung von Managern und Entlassungen von Trainern mindestens genauso für die Trauer von Vereins-Angestellten. Herr Laux entscheidet zusammen mit Herrn Schiller, wer wie zu trauern hat und Herr Sonnenberg entscheidet zusammen mit Herrn Hesse, wer richtig und wer falsch getrauert hat. Und hat einer nicht „Bild-korrekt“ getrauert, hat er keinen Anstand. So einfach ist die Welt, sorry die Bild.

Ich war auch nicht in der Arena, obwohl ich Hermann Rieger kannte. So, wie ich Hermann kennengelernt habe, hätte er von niemandem verlangt oder erwartet, dass er in die Arena gekommen wäre, aber er hätte sich aufrichtig gefreut, selbst wenn es nur 20 Leute gewesen wären.

Hermann Riegers größte Tugend war seine Bescheidenheit, sein Hang, sich selbst überhaupt nicht wichtig zu nehmen. Leider Gottes hat diese Tugend auf die selbsternannten Sittenwächter nicht im Mindesten abgefärbt, im Gegenteil. Sie sind wichtiger als alles, worüber sie neutral berichten sollen. Hermann würde im besten Fall über euch lachen, im Schlimmsten würde er euch verachten.