Liebe Leser,

gestern Abend spielte die deutsche Nationalmannschaft im ersten WM-Vorbereitungsspiel des Jahres 2014 gegen Chile. Die Elf von Bundestrainer Jogi Löw gewann mit 1:0, wobei wohl unzweifelhaft sein sollte, dass dieser knappe Sieg als durchaus glücklich einzustufen ist. Man kann der Mannschaft aber garantiert nicht absprechen, dass sie nicht gekämpft hätte, auch wenn mir persönlich das deutsche Spiel gestern ein wenig zu „körperlos“ gegen aggressive Chilenen angelegt war.

Bereits zur Halbzeitpause, dann aber verstärkt während der 2. Hälfte und ganz besonders nach Abpfiff endlud sich dann Volkes Zorn über eine im Bewußtsein der Zuschauermasse unzureichende Leistung in einem gellenden Pfeifkonzert, was von einigen Spielern einigermaßen stoisch zur Kenntnis genommen wurde, bei anderen jedoch dazu führte, dass sie sich über das Verhalten der Zuschauer beschwerten.

An dieser Stelle komme ich zu meiner heutigen Frage und ich würde mich freuen, wenn ihr eure Meinung mit mir teilen würdet. Eigentlich sind es sogar mehrere Fragen.

Was darf ein Zuschauer eigentlich während bzw. nach der Partie ? Erwirbt man sich mit dem Kauf einer Eintrittskarte das Recht, in der anonymen Masse zu pöbeln, zu beleidigen, zu pfeifen was das Zeug hält ? Was genau bezweckt der „Pfeifer“ eigentlich mit seiner akkustischen Unmutsbezeugung ? Und zum Schluss: Wie würde jeder einzelne „Pfeifer“ reagieren, wenn man ihn selbst aufgrund einer extern bewerteten Leistung vor Millionen von Menschen auspfeifen würde ?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass man derartige Aussagen hört:

„Ich habe viel Geld für meine Eintrittskarte bezahlen, dann habe ich auch das Recht zu pfeifen, wenn ich mit der gebotenen Leistung nicht zufrieden bin“

 

Natürlich kann ein jeder pfeifen, bis ihm die Zunge bis zum Bauchnabel hängt, aber warum pfeift er eigentlich ? Weil er mit der Leistung oder mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist ? Und überhaupt – mit wessen Leistung ? Mit der sportlichen Leistung der Chilenen konnte man gestern durchaus zufrieden sein, aber auch sie hörten das Pfeifkonzert.

Die Frage ist doch: Habe ich tatsächlich ein Recht auf Unmutsbezeugung, nur weil ich mir eine Eintrittskarte gekauft habe ? Kaufe ich mit der Karte auch die Garantie auf eine gute Leistung, ein gutes Spiel und einen Sieg der eigenen Mannschaft ? Mitnichten. Fußball wird immer noch auf dem Platz und nicht am Computer gespielt.

Wie gehen die „Pfeifer“ eigentlich im normalen Leben mit einer Situation um, bei der sie mit einer ihnen entgegengebrachten Leistung nicht einverstanden sind ? Pfeifen sie den Taxifahrer aus, wenn der zu langsam gefahren ist ? Wird der Koch eines Restaurants ausgepfiffen, wenn das Essen nicht so war, wie man es sich vorgestellt hat ? Wird der Vorgesetzte ausgepfiffen, wenn er eine geforderte Gehaltserhöhung abgelehnt hat ? Wohl kaum, aber bei diesen Beispielen handelt es sich im gleichen Maße um erwartete und nicht erbrachte Leistungen.

Warum also werden Fußballer ausgepiffen, wenn sie nicht im Sinne der Fans „funktionierten“? Kann es vielleicht doch daran liegen, dass sie gemessen an ihrem Alter sehr viel verdienen und die Eintrittspreise für Normalverdiener ziemlich gesalzen sind ? Könnte man dann nicht den kausalen Zusammenhang zwischen „Die Millionäre, die nicht so laufen, wie ich möchte“ und „ich armer Hungerleider, der mit die Karte vom Mund abgespart habe“ herstellen ?

Eben hiermit habe ich persönlich ein Problem, da ich immer noch der felsenfesten Überzeugung bin, dass noch nicht ein Zuschauer in der Geschichte des Fußballs zum Besuch eines Spiels gezwungen wurde. Jeder Besuch ist freiwillig, jeder Erwerb einer Eintrittskarte erfolgt zwanglos.

Wenn ich also ein Ticket kaufe, bekomme ich das, was ich bestelle: Ein Fußballspiel zwischen zwei Mannschaften. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bekomme keine garantiert-gelaufenen Kilometer, ich bekomme keine garantierten 4 Tore (mindestens) und ich bekomme schon gar keinen garantierten Sieg meiner Mannschaft. Was ich bekomme, ist ein Ereignis, dessen Ergebnis erst nach 90 min. feststeht.

Natürlich wird von dem einen oder anderen das Argument kommen:

„Solange sie kämpfen und trotzdem verlieren, werde ich nicht pfeifen“

 

Halte ich für Bullshit, sorry. Ich behaupte, dass kein Zuschauer tatsächlich ermessen kann, ob ein Spieler gekämpft hat oder nicht. Jeder Spieler einer Mannschaft hat eine taktische Maßgabe von seinem Trainer mitbekommen und die hat er zu erfüllen. Wenn dann Spieler A in einem Spiel 10,4 km gelaufen ist und Spieler B 11,8 km, dann heißt das noch lange nicht, dass Spieler A weniger gekämpft hat.

Zum Schluss, aber garantiert nicht am unwichtigsten: Kein Spieler, keine Mannschaft spielt besser, wenn er/sie ausgepfiffen, ausgebuht, beschimpft wird. Meiner Meinung nach dienen diese Unmutsäußerungen einzig und allein der Bewältigung der persönlichen Enttäuschung, des privaten Frustabbaus, weil man etwas nicht bekommen hat, was man bekommen wollte.